Konflikte

Gefährliche Beschützer

Es klingt paradox, aber Sicherheitskräfte können einer der Hauptgründe für Unsicherheit sein. Und gerade da, wo Reformen des Sicherheitssektors besonders nötig sind, sind sie auch besonders schwer umzusetzen: in Bürgerkriegsländern.

Die Hauptaufgabe von Sicherheitskräften ist es, Stabilität und Schutz zu gewährleisten. Doch laut einer aktuellen Studie schreibt das Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien (GIGA) nun, dass in vielen Fällen „schwerwiegende Sicherheitsprobleme in den Sicherheitskräften ihren Ursprung“ hätten. Schon 2005 stellte der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan fest: „In Guinea-Bissau scheinen Militär und Sicherheitskräfte ein Hauptfaktor für Unsicherheit zu sein.“ Es kam zu zwei Sturzversuchen, und 2009 wurden sowohl der Präsident als auch der Stab­s­chef ermordet.

In der GIGA-Studie konzentriert sich Autor Andreas Mehler auf zwei Beispiele: die Zentralafrikanische Republik und Liberia. Das Beispiel der Zentralafrikanischen Republik zeigt, dass Sicherheitskräfte Unsicherheit verursachen können. Das Militär war an mehreren Staatsstreichen beteiligt, die das Land destabilisiert haben und bei denen Menschen ums Leben gekommen sind. Auch waren die Sicherheitskräfte während der vielen Krisen im Land für Menschenrechtsverletzungen verant­wort­lich. Deshalb, so die Studie, habe das Militär seine Aufgabe nicht erfüllt. Vielmehr habe es Leiden verursacht.

Trotz einer Reform des Sicherheitssektors im Jahr 2000, die von den Vereinten Nationen und der Weltbank unterstützt wurde, hat sich die Situation in der Zentralafrikanischen Republik nicht spürbar verbessert. Grund dafür sei zum einen der andauernde Konflikt, aber auch fehlender politischer Wille. Außerdem habe das Reformprogramm nur den Staat, nicht aber die Zivilgesellschaft, das Parlament und private Sicherheitsdienste einbezogen.

In Liberia, dem zweiten Beispiel der Studie, war die Reform des Sicherheitssektors erfolgreicher. Der Grund: Die liberianische Armee verlor im Bürgerkrieg schnell ihren Sonderstatus als Staatsakteur und wurde als eine bewaffnete Gruppe angesehen. Seit Ende des Konfliktes im Jahr 2003 ist Liberia unter strenger internationaler Kontrolle. In dieser Situation begann die Reform der Sicherheitskräfte. Das bisherige Resultat der Reform des Militärs bewertet Mehler als „vorläufigen Erfolg“. Die Polizeireform jedoch wird als weniger erfolgreich gesehen. Dennoch empfinden Liberianer die Polizei laut Mehler als wichtiger für ihre persönliche Sicherheit als die Armee. Der Grund: sie fühlen sich von der Polizei weniger bedroht. Von der Armee aber hat jeder Zehnte ein negatives Bild.

Wie in Liberia wird die Armee auch in vielen anderen afrikanischen Ländern als Gefahrenquelle angesehen. Eine Reform der Sicherheitskräfte ist vielerorts notwendig, um sicherzustellen, dass sie ihrer Aufgabe der Friedens- und Stabilitätsschaffung gerecht werden. Laut Mehler erschwert andauernder Konflikt aber Reformen. Außerdem können Soldaten, die sich ständig selbst bedroht fühlen, andere nicht effizient beschützen. Und das erhöht die Gefahr für Zivilisten. Überhaupt gibt es für erfolgreiche Reformen kein Patentrezept. Sie müssen vielmehr auf spezifischen lokalen Gegebenheiten basieren. Silja Emme

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