Kommentar

Nicht neu, nur intensiver

Zwei Jahre vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft erschüttert eine Welle der fremdenfeindlichen Gewalt Südafrika. Ausländerfeindlichkeit ist dort aber ein längst bekanntes Phänomen. Ein entsprechendes Klima schüren Politik und Medien schon seit Jahren.


[ Von Jens Blank ]

Fremdenfeindliche Übergriffe sind in Südafrika nichts Neues. Seit dem Ende der Apartheid kam es beinahe monatlich zu solchen Straftaten. Dennoch haben die Ausschreitungen im Mai, bei denen landesweit mehr als 60 afrikanische Migranten getötet und zirka 37 000 vertrieben wurden, ein bislang ungekanntes Ausmaß erreicht. Armut und gestiegene Nahrungsmittelpreise mögen die Intensität der Gewalttätigkeit beeinflusst haben, aber als hinreichende Erklärung für die Fremdenfeindlichkeit in der südafrikanischen Gesellschaft reichen sie nicht aus. Sie erklären auch nicht, warum die Frustration sich ausgerechnet an afrikanischen Ausländern entlädt.

Die Ergebnisse der World Values Study aus dem Jahr 1995 und die Studien des Southern African Migration Project (SAMP) aus den Jahren 1997 bis 2006 zeigen, dass fremdenfeindliche Einstellungen in der Gesellschaft weit verbreitet sind. Ein detaillierter Blick auf die Studien offenbart außerdem, dass sich die im relativen Wohlstand lebenden weißen Südafrikaner in ihren Einstellungen nur marginal von der schwarzen Mehrheit unterscheiden.

Sowohl die Medien als auch die Politik haben seit 1994 Konkurrenz- und Überfremdungswahrnehmungen in der Bevölkerung geschürt. Schätzungen gehen davon aus, dass ein wesentlicher Teil der in Südafrika lebenden afrikanischen Migranten undokumentiert eingereist ist. Darüber, wie hoch ihr Anteil ist, gibt es jedoch keine seriösen Daten. Dennoch wurden sowohl von staatlichen als auch von wissenschaftlichen Stellen Zahlen kolportiert. Bereits 1994 beispielsweise kam eine Studie zu der Einschätzung, dass sich rund neun Millionen Ausländer im Land aufhalten – das entspräche 20 Prozent der Gesamtbevölkerung; die Hälfte davon habe keine gültigen Papiere.

Wissenschaftlich fundierte Untersuchungen legen jedoch eher einen Ausländeranteil von insgesamt sechs bis 12 Prozent nahe. Auch die Behauptung, dass zirka drei Millionen Simbabwer – also ein Viertel der Gesamtbevölkerung Simbabwes – nach Südafrika geflohen ist, ist nicht wissenschaftlich untermauert.

Die südafrikanischen Medien nahmen unseriöse Schätzungen aber bereitwillig auf und verdichteten sie zu Sensationsschlagzeilen. Mit martialischen Begriffen, wie „Invasion“, „Horden“, „Wellen“ oder „Fluten“ berichteten sie kontinuierlich über den Anstieg der undokumentierten Einwanderung. Bereits 2001 schätzten befragte Südafrikaner den Ausländeranteil im Schnitt auf etwa 27 Prozent.

Auch die Politik hat die Ausländerproblematik instrumentalisiert, indem sie seit dem Ende der Apartheid afrikanische Migranten fortdauernd für Missstände im Land verantwortlich gemacht hat. 1994 beispielsweise behauptete der damalige Innenminister Mangosuthu Buthelezi, dass alle Nigerianer Kriminelle und Drogenhändler seien. Drei Jahre später sagte er, dass Arbeitslosigkeit, die in Südafrika 34 Prozent beträgt, ohne illegale Migranten kein Thema wäre.

Zu einem fremdenfeindlichen Klima könnte auch der neue Nationalismus der Südafrikaner beitragen. Studien zeigen, dass Südafrikaner überaus stolz auf ihre Nation sind. Ergebnisse aus der Vorurteilsforschung legen jedoch nahe, dass ein hohes Maß an Nationalismus oft mit der Abwertung von Fremden einhergeht.

Diesen Problemen sollte sich die südafrikanische Regierung stellen. Fremdenfeindlichkeit ist nicht nur ein wichtiges politisches Thema, sondern auch wirtschaftlich relevant. Ohne Zweifel ist Südafrika ökonomisch auf qualifizierte Arbeitskräfte aus anderen afrikanischen Staaten angewiesen.

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