Autoritäre Herrschaft

Populismus im Reich der Mitte

Seit Ende 1949 regiert die Kommunistische Partei Chinas die Volksrepublik in autoritärer Alleinherrschaft. Staats- und Parteichef Xi Jinping, der seit 2013 im Amt ist, macht zaghafte Liberalisierungsschritte wieder rückgängig und zentralisiert die Staatsgewalt erneut. Statt Bürgerrechte zu verwirklichen, setzt er auf Nationalismus.
Der Personenkult um Xi Jinping erinnert an die Mao-Ära. picture-alliance/AP Photo Der Personenkult um Xi Jinping erinnert an die Mao-Ära.

Xi duldet kein Machtzentrum neben sich. Unter seiner Ägide wurden viele neue Führungsgremien geschaffen, und er selbst steht den meisten vor. Personenkult war lange verpönt, doch er lässt sich wieder als großer Führer feiern.

Xis Vorgänger war Hu Jintao. In Hus zehnjähriger Amtszeit bildeten sich Bürgerbewegungen heraus, die sich für mehr Rechtsstaatlichkeit einsetzen. Heute wird reglementiert: Unter Xi erließ die Volksrepublik mehr Gesetze als je zuvor (zu Umweltschutz, karitativem Handeln, Internetsicherheit, nationaler Sicherheit). In der Regierungszeit von Hu sprach sich die Justiz vereinzelt gegen politische Eingriffe in Gerichtsverfahren aus. Unabhängige Rechtsanwälte, zivilgesellschaftliche Organisationen und Blogger konnten begrenzt Einfluss ausüben. Rechtssicherheit war bei Weitem noch nicht verwirklicht, aber es war die Zeit der „Bürgeranwälte“, die versuchten, bloße Willkürherrschaft einzudämmen.

Seit Juli 2015 wurden indessen laut Presseberichten 319 Anwälte und Bürgerrechtsaktivisten verhört, festgesetzt oder zu Haftstrafen verurteilt. Im Januar 2017 hat der Präsident des Obersten Volksgerichts, Zhou Qiang, gesagt, die Partei stehe über der Justiz. Er warnte seine Kollegen vor „falschen westlichen Idealen“.

Das Verständnis von Staatsbürgertum, das sich allmählich entwickelte, wird wieder zurückgedreht. „Bürger“ begannen sich zu organisieren, zu partizipieren und mitzugestalten – wie etwa in Belangen der Stadtplanung. Heute gewinnen wieder die „Volksinteressen“, die allein die Partei vertritt, die Oberhand.

Bürgerschaftliches Engagement soll der Partei beim Aufbau eines Wohlfahrtsstaates helfen, aber nichts eigenständig gestalten. Soziale Sicherungssysteme sind in China erst im Entstehen, soziale Arbeit auch. Nichtstaatliche Organisationen (NGOs), die sich für die Durchsetzung und den Schutz von Bürgerrechten einsetzen, haben es schwer in China. Die Regierung duldet lediglich Unterstützung beim Aufbau von sozialer Wohlfahrt und notfalls bei der Bestrafung von Umweltsündern. 

Mit Xis Machtübernahme gewinnt auch hochtrabender Populismus wieder an Fahrt. Seit seiner Amtsübernahme bemühen Regierung und Medien außenpolitisch offensiv den „chinesische Traum“ von der Rückkehr Chinas zu ehemaliger weltpolitischer Bedeutung. Xi stellt wieder einen Spitzenrang in Aussicht und lässt sich für seine neue Außenpolitik feiern. Rasante Aufrüstung und ehrgeizige internationale Infrastrukturvorhaben (siehe hierzu auch Afshan Subohi über Pakistan) runden das Bild ab.

Vor 16 Jahren begann die „China goes global“-Offensive – zunächst äußerst verhalten. Betont wurde der „harmonische Aufstieg“. Die Partei konzentrierte sich zuvor in den 80er und 90er Jahren mit riesigem Erfolg auf die ökonomische Modernisierung. Marktorientierte Reformen leiteten unter Deng Xiaoping ein Wirtschaftswunder ein – und für hunderte Millionen das Ende der Armut. Das verschaffte dem Regime in den Augen vieler Chinesen Legitimität.

Der Boom geht nun aber spürbar zu Ende. Die Wirtschaft wächst langsamer; in der Börsen- und Immobilienspekulation häufen sich Anzeichen der Blasenbildung. Gewaltige Umweltprobleme machen den Menschen zu schaffen, und es kommt immer wieder zu Protesten.

Nationalismus und Personenkult, Versprechen an die wachsende Mittelklasse, „grünes Wachstum“ und Freihandelsabkommen sind Schlagworte des neuen chinesischen Populismus. Aggressiver als zuvor wird an den Rand gedrängt, was irgendwie nach „westlicher Demokratie“ aussieht. Derweil steht aber Marktliberalismus, das hat Xis Auftritt bei dem Weltwirtschaftsforum in Davos gezeigt, ganz oben auf der Agenda.

China ist schon längst Teil einer globalen Staatengemeinschaft. Nun präsentiert sich das Reich der Mitte als Vorreiter für offene Märkte und wird zum weltweit größten Klimaschützer. Wir sollten genauer hinschauen, was dort passiert. Wir machen Geschäfte mit China. Die Menschen, die dort leben, dürfen uns nicht egal sein.


Nora Sausmikat leitet das China-Programm der Stiftung Asienhaus in Köln.
nora.sausmikat@asienhaus.de

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