Regierungsführung

Eingeschränkte Freiheiten

In Benin fragen sich die Menschen, welche Handlungen von EU-Botschafter Oliver Nette die Regierung wohl dazu bewogen haben, ihn Ende November des Landes zu verweisen. Die Verantwortlichen sprechen von „ernsthafter Einmischung in innere Angelegenheiten“. Der Hintergrund ist die schwere politische Krise, in der das Land seit der makelbehafteten Parlamentswahl im April steckt. Jeder einzelne Abgeordnete gehört nun zum Lager von Präsident Patrice Talon.
Angeschlagene Legitimität: Präsident Patrice Talon 2019 bei einer Rede in Cotonou. Seraphin Zounyekpe/picture-alliance/Photoshot Angeschlagene Legitimität: Präsident Patrice Talon 2019 bei einer Rede in Cotonou.

Benin geht harsch mit ausländischen Di­plomaten um, wenn sie es wagen, rote Linien zu überschreiten. Bei einer Pressekonferenz erklärte Regierungssprecher Alain Orunla kürzlich, ausländische Gesandte wie Nette müssten sich höflich verhalten, wie das afrikanische Diplomaten in westlichen Ländern täten: „Das erwarten wir ebenso vom Botschafter der Europäischen Union.“

Laut Orunla sagte Nette, als er vor zwei Jahren in Benin ankam, politische Aktivitäten hätten für ihn Priorität. Der Regierungssprecher klagte, der EU-Gesandte habe sogar bei Dingen mitgemacht, welche die Regierung für subversiv halte. Orunla betonte, seine Regierung wolle gute Beziehungen zu – und gute Zusammenarbeit mit – der EU und hoffe deshalb, diese werde bald einen neuen Botschafter schicken.

In Benin war die Empörung groß. Die Menschen fragen sich, womit genau Nette wohl den Ärger der Regierung geweckt hat. Der Öffentlichkeit ist klar, dass die EU zu den wichtigsten ausländischen Gebern gehört, was in einem Land, das zum großen Teil von Entwicklungshilfe (official development assistance – ODA) abhängt, große Bedeutung hat. Klar ist auch, dass Fragen korrekter Amtsführung in diesem Zusammenhang relevant sind.

Außenminister Aurélien Agbénonci reagierte auf den Unmut, indem er diplomatischere Worte wählte. Er sagte, Nette sei die „Akkreditierung entzogen“ worden, und sprach nicht von Ausweisung. Viele Beniner Bürger finden dieses semantische Manöver allerdings unbedeutend.

Wirklich wichtig ist der politische Kontext. Das Land steckt in einer schweren Krise, seit die Oppositionsparteien von der Parlamentswahl im April ausgeschlossen wurden (siehe hierzu meinen Beitrag in der Tribüne des E+Z/D+C e-Papers 2019/07). Amnesty International weist darauf hin, dass die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit beschränkt werden. Auf Rechtsstaatlichkeit ist, so der allgemeine Eindruck, immer weniger Verlass.

Es ist klar, dass Nette sich während seiner kurzen Amtszeit regelmäßig mit Vertretern von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Oppositionsparteien, Journalisten, Meinungsmachern und religiösen Führungspersönlichkeiten getroffen hat. Internationalen Normen entsprechend, fand er, diese Akteure müssten in einer jungen Demokratie wie Benin eine wichtige Rolle spielen. Aus zuverlässigen Quellen ist bekannt, dass Nette hinter geschlossenen Türen die Wahlprobleme deutlich angesprochen hat. Seine Einschätzung entsprach vermutlich der Sicht der Opposition, die Neuwahlen verlangt, weil die derzeitige Nationalversammlung keine Legitimität habe.

Vermutlich behagte es der Regierung nicht, dass Nette die allmähliche Erosion der Demokratie Benins genau beobachtete. Heute gehören alle 83 Parlamentsabgeordnete zu den Gefolgsleuten von Präsident Talon. Vor wenigen Wochen zogen sie innerhalb von 24 Stunden ohne Konsultation der Bürger eine Verfassungsänderung durch, wobei sie die Amtszeit von Abgeordneten begrenzten und die Position eines Vizepräsidenten schufen. Die Reform ging aber überhaupt nicht auf die Anliegen der Opposition ein, von der einige Gruppen nun internationalen Druck mobilisieren wollen. Sie denken, die politische Situation werde sich bessern, wenn ausländische Regierungen Sanktionen erlassen.

Dieser Strategie finden aber nicht alle gut. Benin ist ein Land mit niedrigen Einkommen und muss dringend Armut reduzieren. Sanktionen werden aber vermutlich zu neuem Leid führen. Die aktuellen Machthaber sehen die Dinge noch einmal anders. Sie sprechen von „Verrat am Vaterland“ und „dem verzweifelten Versuch, die Regierung zu stürzen“. Aus Sicht der Opposition ist das selbstverständlich nur hohle populistische Stimmungsmache.


Karim Okanla ist Mediendozent und freier Autor.
karimokanla@yahoo.com

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