Mensch-Wildtier-Konflikte
Koexistenz statt Konflikt
Eines Nachts vor zwei Jahren wachte Pasipawo Manda im Dorf Chauma im Bezirk Kasungu in Malawi plötzlich von dem Geräusch auf, wie Elefanten durch ihre Mais- und Erdnussfelder trampelten. „Ich hatte nichts mehr“, erinnert sich die 47-jährige Witwe und Mutter von sechs Kindern an die Zeit danach. „Wochenlang hatten wir nichts Richtiges zu essen und mussten uns von Wildgemüse und Maiskleie von den Nachbarn ernähren.“ In jener Nacht brachen die Elefanten sogar in ihr Haus ein, wo sie und drei ihrer Kinder schliefen. „Wir sind um unser Leben gerannt und haben die Elefanten meine Ernte fressen lassen. Es war beängstigend.“
Konflikte wie diese gehören in Malawi und Sambia mittlerweile zum Alltag. Menschen und Wildtiere kommen sich immer näher, weil Ortschaften sich ausdehnen, die Lebensräume für Tiere schrumpfen und Zäune in Schutzgebieten häufig beschädigt sind – manchmal mit tödlichen Folgen.
Zwischen 2019 und 2022 verzeichnete das Vwaza Marsh Wildlife Reserve in Malawi durchschnittlich 888 Vorfälle pro Jahr; die Musalangu Game Management Area in Sambia meldete jährlich etwa 489 Vorfälle – darunter Elefanten, die Ernten platttrampeln, Büffel, die Menschen verletzen, oder teils auch Flusspferde, die Fischerboote umwerfen.
„Wenn wir eine Entschädigung fordern, hilft uns niemand“, sagt Frank Phiri von Kasungu Warm Heart, einer lokalen Organisation, die Opfer von Tierangriffen unterstützt. „Für die Behörden ist das Leben von Tieren offenbar wichtiger als das der Menschen“, sagt er und fügt hinzu, dass die aktuellen Gesetze in Malawi keine formelle Entschädigungsregelung für solche Opfer vorsehen. Eine Gruppe hat deshalb Klage gegen den Internationalen Tierschutzfonds (IFAW) erhoben. Im Jahr 2022 hatte die Institution Elefanten in den Kasungu-Nationalpark umgesiedelt, die Menschen in der Nähe angriffen und töteten.
Wie Menschen und Tiere koexistieren können
Eine neue Initiative gibt nun Anlass zur Hoffnung. Das im Juni 2025 gestartete Projekt „Human-Wildlife Co-habitation“ richtet sich an betroffene Gebiete entlang der Grenze zwischen Malawi und Sambia rund um Vwaza Marsh in Malawi und Musalangu in Sambia. Finanziert vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) über die KfW-Entwicklungsbank und umgesetzt von der International Union for Conservation of Nature (IUCN) mit Total LandCare (TLC) zielt das dreijährige Projekt darauf ab, nicht nur Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren zu verringern, sondern auch die Ernährungssicherheit zu verbessern und die Haushaltseinkommen zu steigern. So werden beispielsweise Abschreckungsmaßnahmen wie solarbetriebene Zäune, auf Chili basierende Abwehrmittel und gemeinschaftliche Ernteschutzsysteme sowie klimaresistente Nutzpflanzen eingeführt, die für Wildtiere weniger attraktiv sind.
Brighton Kumchedwa, Direktor der malawischen Behörde für Nationalparks und Wildtiere, bezeichnet beschädigte Zäune als eine der Hauptursachen für Konflikte zwischen Tier und Mensch. „Wir denken nicht nur an Wildtiere. Wir denken auch an Menschen – ihr Essen, ihre Sicherheit, ihr Einkommen. So sollte Naturschutz funktionieren“, sagt er.
Für Pasipawo Manda bringt das Projekt Hoffnung. Sie träumt davon, dass ihre Pflanzen bald ungestört wachsen können – und dass sie nachts nicht mehr aufwacht und Elefanten vertreiben muss. „Ich möchte einfach nur in Ruhe meine Felder bestellen“, sagt sie. „Wenn das Projekt uns das ermöglicht, wird es unser Leben verändern.“
Sollte das Projekt Erfolg haben, könnte es zum Vorbild dafür werden, wie sich menschliche Bedürfnisse und Naturschutz im ganzen südlichen Afrika vereinen lassen – und zeigen, dass Koexistenz statt Konflikt der Schlüssel zum Schutz von Menschen und Natur ist.
Lameck Masina ist freiberuflicher Journalist aus Blantyre, Malawi.
lameckm71@gmail.com