Globale Führung

Inkohärente Herausforderer

Die G7, deren Treffen im Juni in Schloss Elmau stattfindet, schwächeln derzeit. Dennoch sind die BRICS keine gleichwertige Alternative.
Premierminister Narendra Modi und Präsident Barack Obama beobachten Kampfflugzeuge über Delhi. picture-alliance/dpa Premierminister Narendra Modi und Präsident Barack Obama beobachten Kampfflugzeuge über Delhi.

Nordamerika und Europa ringen derzeit mit heimischen Problemen und scheinen vor allem mit sich selbst beschäftigt zu sein. Manche Beobachter urteilen, ihre Zeit sei vorbei und es werde bald neue globale Führungsmächte geben. Es wäre aber falsch, die G7 zu unterschätzen, denn es gibt keine andere Gruppe von Ländern, die annähernd ähnlichen Einfluss ausüben könnte. Das liegt unter anderem daran, dass die G7 von EU und NATO unterstützt werden – Bündnissen mit kohärenten Interessen, Werten und Rechtsordnungen. Die BRICS – Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – halten mittlerweile eigene Gipfel ab. Das ist gut so, denn die internationale Staatengemeinschaft braucht Bündnisse, um Debatten zu strukturieren und globale Entscheidungen vorzubereiten. Im Vergleich zu den G7 wirken die BRICS jedoch brüchig.

Kein G7-Mitglied fühlt sich von einem anderen annähernd so bedroht wie Indien von China. Premierminister Narendra Modi war stolz, US-Präsident Barack Obama als Gast bei der großen Militärparade in Delhi im Januar dabeizuhaben, nicht Chinas Staatschef Xi Jinping. Modi stammt zudem aus einer hindu-chauvinistischen Bewegung, die für ihre Glaubensgemeinschaft die Weltführung beansprucht. Die bloße Idee wirkt in Peking lächerlich.

Russland gehörte eine Weile zu G7 – damals G8 – und BRICS zugleich, wurde aber wegen seines nationalistisch-militaristischen Abenteuers in der Ost­ukraine von den anderen führenden Industrienationen verstoßen. Die BRICS-Regierungen dulden Präsident Wladimir Putin zwar in ihrer Mitte, aber beim G20-Gipfel in Australien im November gingen auch sie auf Distanz zu ihm. Weder China noch Indien können seine Vorstellungen von ehhnisch definierten nationalen Grenzen unterstützen, denn solche Identitätspolitik ist in ihren Ländern explosiv.

China, Russland und Indien bedecken ein riesiges, zusammenhängendes Territorium. Ihre Beziehungen sind aber angespannt. Daran ändern höfliche Staatsbesuche von Modi in China oder Xi in Russland auf die Schnelle nichts. Die Sowjetunion und Indien waren früher gegen USA und China verbündet. Heute scheint Delhi eher an einer Partnerschaft mit Washington als mit Moskau interessiert. Derweil schätzt Peking Moskau zunehmend als Partner beim Säbelrasseln – nicht zuletzt, weil seine Aufrüstung die meisten anderen Nachbarn verschreckt. Ansonsten sieht China Russland aber eher als billigen Rohstofflieferanten denn als strategischen Militärverbündeten. Westliche Sank­tionen gegen Russland sind in diesem Zusammenhang durchaus willkommen.

Brasilien und Südafrika sind sehr weit weg. Sie freuen sich über Partner in der internationalen Arena, aber davon abgesehen, dass sie gegen „den Westen“ opponieren, haben die BRICS nicht viel gemein. Ihre politische Kultur ist grundverschieden. Indien und Brasilien sind Demokratien, in denen Regierungen schon mal Wahlen verlieren. Südafrika hat eine liberale Verfassung, wird aber politisch vom ANC, der ehemaligen Befreiungsbewegung, dominiert. Russland ist eine „gelenkte“ Demokratie und China eine unmaskierte Diktatur.

Nordamerika, Europa und Japan dürfen nicht in Kategorien von „Wir gegen die“ denken. Für die Sicherstellung globaler öffentlicher Güter ist Kooperation mit allen großen Ländern nötig. Die G7 müssen sich deshalb um Zusammenarbeit mit der BRICS-Gruppe und ihren Mitgliedsstaaten bemühen. Kooperation ist wichtiger als Polarisierung.  

Das scheint auch die chinesische Regierung zu wissen. Das zeigt sich beispielsweise in der Asian Infrastructure Bank (AIIB), der neuen internationalen Finanzinstitution in Peking. Westliche Medien werteten es kürzlich als Zeichen chinesischer Stärke, dass die vier europäischen G7-Mitglieder sich dieser Initiative angeschlossen haben. Die US-Regierung hatte nämlich gewarnt, die AIIB werde zum Instrument chinesischer Politik.

Es gibt eine interessantere Lesart. Alan Beattie von der Financial Times urteilt, China wolle aus Sorge vor den Problemen, die die internationale Geldvergabe mit sich bringt, G7-Partner für die Bank. Peking setze auf die Erfahrung etablierter Geber. In Beatties Sicht wird die AIIB also keine verbitterte Konkurrentin der Weltbank werden, sondern eher eine gleichgesinnte Ergänzung.

Hans Dembowski

Link:
Beattie, A.,:
Europeans in the AIIB: a sign of Chinese weakness.
http://blogs.ft.com/beyond-brics/2015/03/26/europeans-in-the-aiib-a-sign-of-chinese-weakness/

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