Die Macht der Buchstaben

Für Ajoa Yeboah-Afari, die Chefredakteurin der Ghanaian Times, war die Tatsache, dass sie eine Frau ist, kein großes Karrierehindernis. Einige Hürden musste sie aber doch überwinden. Ihrer Ansicht nach sollten die Medien stärker über das Schicksal von Analphabeten berichten – deren Mehrheit weiblich ist.

[ Von Ajoa Yeboah-Afari ]

Vielleicht ist die Tatsache, dass ich mir wirklich den Kopf zerbrechen musste, als ich gefragt wurde, welche Hürden ich als Frau während meiner Karriere als Journalistin zu überwinden hatte, das beste Zeugnis für den ghanaischen Journalismus. Das heißt aber nicht, dass mein Weg immer leicht war. Hürden fallen recht unterschiedlich aus – sie können offensichtlich aber auch versteckt sein. Der Arbeitsplatz spiegelt die Gesellschaft wider, und Frauen stoßen überall auf Hindernisse, auch wenn diese sich in Form und Ausmaß unterscheiden. In einigen Fällen ist es die Kultur, die für die Einstellungen und Ansichten von Menschen verantwortlich ist, die Frauen Steine in den Weg legen oder sie als Wesen zweiter Klasse ansehen.

Ich erinnere mich an einen Vorfall zu Beginn meiner Karriere als Journalistin, als ich gemeinsam mit einem männlichen Fotografen den Auftrag hatte, jemanden in Accra zu interviewen – und zwar an einem Ort, an dem sich zufällig auch meine Tante zu Besuch aus dem Norden aufhielt. Zu meinem Ärger rief sie den Fotografen beiseite und bat ihn, mir zu helfen, ein Auge auf mich zu halten und sich um ihre Nichte zu kümmern! Im Umkehrschluss hieß das, dass er als Mann mich in meinem Beruf schützen und anleiten könnte. Meine Tante war Analphabetin und wusste nichts über meinen Beruf. Sie begriff nicht, dass ich als Reporterin das Team leitete – nicht der Fotograf, obwohl er ein Mann war.

Heute kann ich darüber lachen, aber damals hat mich dieser Vorfall sehr geärgert. Denn ich schrieb häufig über Gleichberechtigung und kritisierte Versuche, Frauen klein zu halten. Als Analphabetin kann meiner Tante für ihr stereotypes Rollenverständnis verziehen werden. Gegenüber Leitern von Medienhäusern oder Regierungsbeamten, die glauben, dass Männer generell Vorrang hätten oder Frauen einer Aufgabe weniger gut gewachsen seien, kann solche Nachsicht allerdings nicht gelten.

Ich erinnere mich auch daran, dass eine Barriere plötzlich vor mir auftauchte, als die Zeitung, für die ich arbeitete – The Mirror – einen stellvertretenden Chefredakteur brauchte. Der Mirror war eine staatliche Wochenzeitung, herausgegeben von der damaligen Graphic Corporation (heute die Graphic Communications Group), für die ich seit vielen Jahren tätig war. Ich war für diese Position qualifiziert und hatte die Arbeit des Stellvertreters bereits inoffiziell geleistet.

Eines Tages lud mich der damalige Informationsminister in sein Büro ein, um das Thema mit mir zu erörtern. Offensichtlich besorgt, fragte er mich, was die Mitarbeiter denken würden, wenn ich die Position erhielte. Würde es nicht Gerede geben, wenn ich als Frau diese Position bekäme, fragte er mich. Meine Antwort darauf war, dass, wenn man mir die Position zutraute, die Tatsache, dass ich eine Frau bin und was andere Leute darüber denken, keine Rolle spielen sollten. Er sagte, er wolle darüber nachdenken und ich werde von ihm hören. Das geschah nie – und die Regierung, der er angehörte, wurde eines Tages in einem Militär coup gestürzt.

Erfahrungen im Beruf

Die Frage nach dem stellvertretenden Chefredakteur kam einige Zeit später wieder auf, dieses Mal setzte sich mein damaliger Chefredakteur für mich ein. Obwohl er sagte, dass ich in Bezug auf Dienstalter und Mitarbeit für den Stellvertreterposten qualifiziert sei, war das Verlagsmanagement nicht auf Anhieb einverstanden. Es wollte mich nicht nur aufgrund der Chefredakteursempfehlung befördern.

Erstmals wurden die Regeln geändert: Während es bislang Praxis gewesen war, dass ein Chefredakteur über seinen Stellvertreter entscheiden und die Beförderung anweisen konnte, wurde dieses Mal beschlossen – natürlich weil eine Frau den Posten übernehmen sollte –, dass die Ausschreibung am Schwarzen Brett ausgehängt werden und die Bewerber ein Vorstellungsgespräch mit einer Berufungskommission absolvieren sollten. In diesem Fall stellten sich zwei Bewerber so vor – der zweite war ein Mann, ein dienstjüngerer Kollege. Die Kommission entschied sich aus Qualifikationsgründen für mich.

Ich nenne dieses Beispiel, weil mir klar war, dass es kein Vorstellungsgespräch gegeben hätte, wäre ich ein Mann gewesen. Der Chefredakteur hätte lediglich das Management informiert, dass er diese oder jene Person zu seinem Stellvertreter gemacht habe – und die Angelegenheit wäre erledigt gewesen. Andere Kolleginnen haben in dieser Hinsicht möglicherweise mehr erlitten – aber von der letzten Episode einmal abgesehen, glaube ich, dass die Tatsache, dass ich eine Frau bin, mein Fortkommen im Großen und Ganzen nicht wirklich behindert hat. Obwohl ich in meinen Texten oftmals für die Sache der Frauen eingetreten bin, erinnere ich mich nicht daran, Artikel über diskriminierte Journalistinnen und andere Medienfrauen geschrieben zu haben.

In meiner Kolumne „Thoughts of a Native Daughter“ im Mirror vom 3. März 1978 begann ein von mir geschriebener Beitrag so: „Keine Kommissarin. Keine Botschafterin. Keine Regionalkommissarin. Keine Leiterin einer Bezirksverwaltung, usw. usw. usw.“ Bemerkenswerterweise fügte ich nicht hinzu „keine Chefredakteurin“, obwohl ich die Abwesenheit von Frauen in Entscheidungspositionen kritisierte. Vielleicht lag es daran, dass ich dachte, ich sollte in meiner Position für diejenigen kämpfen, die keine Stimme hatten – also nicht für Journalistinnen. Wann immer meine Meinung zur Benachteiligung von Frauen im Journalismus gefragt ist oder wenn ich Kolleginnen Rat gebe, antworte ich, dass jede hart arbeiten sollte, extra hart, um sich einen guten Ruf zu erwerben. Im Journalismus sind die eigenen Beiträge und die Qualität der eigenen Arbeit die beste Waffe im Kampf gegen Diskriminierung. Schließlich merken die Leser, wer gut ist!

Ich bin froh sagen zu können, dass der Mirror gegenwärtig eine Chefredakteurin hat und auch eine andere Zeitung der Graphic Group von einer Frau geleitet wird. Andere Medienhäuser haben ebenfalls Frauen in Entscheidungspositionen, und der nationale Sender, die Ghana Broadcasting Corporation, wurde bis zum vergangenen Jahr von einer Frau geführt.

Auffälligerweise hatte eine ernster Konflikt, der mich zwang zu kündigen, nichts mit mir als Frau, sondern mit der Politik zu tun. Die damalige Regierung unter Fliegerleutnant Jerry Rawlings fand, ich unterstütze ihre Sache nicht. Ich galt nicht als „revolutionär“. Ich dachte für den Geschmack der Regierung zu unabhängig und wurde folglich für die Position der Chefredakteurin beim Mirror übergangen, obwohl ich als nächste an der Reihe gewesen wäre. Statt meiner wurde ein Außenseiter – ein Kolumnist der Zeitung, der Rawlings unterstützte – Chefredakteur.

Zunehmend an den Rand gedrängt, entschloss ich mich, das Blatt zu verlassen, und kündigte 1986. Ich wurde freie Journalistin und verdiente meinen Lebensunterhalt auf diese Weise bis 1996, als mir das Commonwealth-Sekretariat in London anbot, seine Öffentlichkeitsarbeit zu übernehmen. Nach fast sechs Jahren in London entschloss ich mich, wieder nach Hause zurückzukehren. Ich flog im November 2002 nach Ghana zurück und arbeitete wieder als freie Journalistin – bis ich zur Chefredakteurin der Ghanaian Times berufen wurde und diese Arbeit im Januar 2004 aufnahm.

Mein Leben als Journalistin begann etwa 1970, als mir noch als Studentin am Ghana Institute of Journalism in Accra die Gelegenheit gegeben wurde, für den Mirror zu schreiben. Ich wurde schließlich 1971 Redakteurin der Zeitung und stieg bis zur Stellvertretenden Chefredakteurin auf. Meine Kolumne „Thoughts of a Native Daughter“ wurde schnell zur Pflichtlektüre im Land. Viele erinnern sich bis heute daran, obwohl ich die Serie 1986 einstellte. Nach der Kündigung wurde ich freie Journalistin und war Ghana-Korrespondentin für das BBC-Africa-Programm „Focus on Africa“, das in London veröffentlichte West Africa Magazine und schrieb außerdem für andere internationale Medienorganisationen.

Stärkung von Frauen

Das momentane Schlagwort ist „Empowerment“, und es herrscht Konsens darüber, dass man benachteiligte Frauen stärkt, indem man ihnen Fähigkeiten vermittelt, um ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften. Mir scheint Alphabetisierung ein ebenso notwendiges Instrument zur Förderung benachteiligter Frauen. Benachteiligte, des Lesen und Schreibens unkundige Frauen bedürfen der Förderung durch Unterricht.

Analphabetismus ist ein großes Problem in jedem Entwicklungsland, und es ist eine Tatsache, dass die Mehrheit der Betroffenen Frauen sind. Selbst wenn sie ein eigenes Unternehmen führen und selbst wenn sie wohlhabend sind – Frauen, die nicht lesen und schreiben können, werden sich immer minderwertig fühlen. Sie können, weil ihnen das Selbstbewusstsein dazu fehlt, sich gesellschaftlich nicht durchsetzen.

Laut UNESCO können vier von zehn Erwachsenen im Afrika südlich der Sahara nicht lesen und schreiben – zwei Drittel davon sind Frauen. Für Ghana geben Quellen die nationale Alphabetisierungsrate mit 57,9 Prozent und die Analphabetismusrate unter erwachsenen Frauen mit 32,7 Prozent (69,4 Prozent im Jahr 1980) an. Es gibt ein nationales Programm, das den Analphabetismus bis 2011 beseitigen soll. Die hohe Zahl leseunkundiger Frauen sollte ein Thema sein, das die Medien bearbeiten – aber leider haben wir nicht genug dafür getan.

Wenn Frauen in den Medien zum Thema gemacht werden, geht es in der Regel um Personen, die Erfolg hatten – in der Wirtschaft, an einer Hochschule, vielleicht auch im Showgeschäft oder bei Schönheitswettbewerben. Das Schicksal der armen Analphabetinnen wird in der Regel übersehen. Meine eigene Zeitung, die Ghanaian Times, ist hier leider ebenso schuldig wie andere Medienhäuser.

Das Problem wird aber auch auf hochrangigen Konferenzen übersehen. Beispielsweise war ich jüngst bei der „High Level Conference on Women’s Economic Empowerment“ in Berlin äußerst enttäuscht, dass Analphabetismus unter Frauen nicht diskutiert wurde. Ich hatte gehofft, das Thema während der Fragezeit aufzuwerfen – leider gab es dazu keine Gelegenheit. Allerdings konnte ich mein Anliegen am Ende der Konferenz der deutschen Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul erläutern. Andererseits sind vielleicht doch die Medien verantwortlich. Wenn sie die Aufmerksamkeit stärker auf den großen Teil der Gesellschaft richten würden, der von Analphabetismus benachteiligt ist und mehrheitlich aus Frauen besteht, würden Konferenzen dieses Thema wohl ebenfalls aufgreifen.

Alle Länder sind jetzt auf den großen Informations- und Telekommunikationszug aufgesprungen und profitieren davon. Aber wo bleiben diejenigen, die nicht lesen und schreiben können, die Mehrheit von ihnen Frauen? Es ist wichtiger denn je, so scheint mir, dass die Medien für eine Stärkung von Frauen durch Alphabetisierung eintreten.

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