Tanzstück

Eine traurige Geschichte über Elefanten

Trotz der sommerlichen Hitze und des allabendlichen Staus in Nairobi ist der Raum im Nationaltheater gut gefüllt. Die Pamoja Dance Group führt eine ihrer neueren Inszenierungen auf: Elephant Story.
Suki ist fast doppelt so groß wie ihre Tanzpartnerin, und das hat einen dramatischen Effekt. Arnout, Pamoja Suki ist fast doppelt so groß wie ihre Tanzpartnerin, und das hat einen dramatischen Effekt.

Das größtenteils kenianische Publikum redet lebendig miteinander, während es die Sitzplätze einnimmt. Als die Lichter ausgehen, ist zunächst nur ein Solo­perkussionist zu hören. Spannung schwebt über der leeren Bühne.

Dann treten die Tänzer Sylvester Barasa und Joseph Kanyenje auf. Von beiden Seiten der Bühne bewegen sie sich kriechend auf­einander zu. Sylvester erkrankte in seiner Kindheit an Polio und kann seine Beine nicht bewegen. Er wurde von seiner Familie verstoßen und schlug sich auf der Straße durch. Zu tanzen bedeutet ihm viel: „Es bringt mich auf eine andere  Ebene, in eine bessere Welt“, sagt er. „Ich fühle mich nicht länger behindert.“ Joseph ist künstlerischer Leiter der Gruppe und nichtbehindert.

Die Pamoja Dance Group besteht aus Tänzerinnen und Tänzern mit und ohne Behinderungen. Zusammen sind sie Teil der Künstlerszene Nairobis. Durch ihre Arbeit unterstützt die Gruppe auch die Bemühungen der kenianischen Regierung, die UN-Konvention für die Rechte behinderter Menschen umzusetzen, die 2008 ratifiziert wurde.

Auf der Bühne bewegt sich Sylvester mit kräftigen Armbewegungen vorwärts. Seine Präsenz füllt die Bühne. Die beiden Männer tanzen, und die Geschichte entsteht vor den Augen des Publikums: Die Tänzer werden zu Elefanten, die gemütlich durch den Busch ziehen, an Sträuchern und Bäumen die zarten Blätter abfressen. Die Musik ist fröhlich, und die Tänzer vermitteln ein starkes Gefühl der Zusammengehörigkeit. Sie sind zu einer achtköpfigen Herde geworden.

Dann wird es Nacht, und die Frösche beginnen zu quaken. Die Musikerin Asali spielt einfühlsam Perkussion zu den weichen Flötenklängen von Bruno Mbaruku. Im Raum herrscht absolute Stille.

Dann treten Suki Mwendwa und Ruth Mueni auf. Suki ist Professorin an der Kunsthochschule in Nairobi und hat einen Gastauftritt bei der Pamoja-Gruppe. Ruth Mueni ist Tänzerin, Schauspielerin und Teilnehmerin der Paralympics. Sie will vor allem ausdrücken, „dass wir alle lebensfähig sind. Wir erreichen unsere Ziele im Leben lediglich auf unterschiedliche Weise.“

Die beiden Frauen tanzen spielerisch miteinander, beeindruckend ist dabei ihre unterschiedliche Größe. Suki ist ungefähr doppelt so groß wie ihre Tanzpartnerin. Wie eine Elefantenmutter, die ihr Kind schützen will, stellt sie sich über Ruth, als die Handlung eine dramatische Wende nimmt: Wilderer erscheinen und bedrohen die Elefanten, um das kostbare Elfenbein der Bullen zu erbeuten.

Der Leitbulle, den Sylvester tanzt, gibt jedoch nicht einfach auf. Er kämpft mit dem Wilderer einen expressiven Todestanz. Der bewaffnete Jäger gewinnt schließlich. Eine düstere Stimmung hüllt die Bühne ein, als die Giganten ihm nach und nach erliegen. Im weiteren Verlauf der Geschichte sind nicht mehr allein die Elefanten Hauptcharaktere des Geschehens, sondern die Geschichtenerzähler eines Dorfes. Diese verwandeln sich beim Erzählen in verschiedene Rollen wie in Elefanten, Wilderer und Wildhüter. Die Geschichte ist ernst und lustig zugleich. Sie zeigt, dass die Elefanten ihren Angehörigen nachtrauern und echte Tränen bei deren Tod weinen. Das Stück hat eine klare Aussage zur destruktiven Wirkung der Wilderei in Kenia.

Das Publikum ist gebannt bis zum Schluss. Die Gesichter sind im Dunkeln zwar nicht zu sehen, aber die starken Gefühle füllen den Raum und entladen sich in einem begeisterten Schluss­applaus.

Die Gruppe plant, dieses Stück demnächst auch in Kooperation mit dem David-Sheldrick-Tierheim für Elefanten aufzuführen. „Wir wollen den Elefanten helfen und gleichzeitig den Touristen Kultur nahebringen“, sagt Joseph Kanyenje. Denn die Tänzer erzählen die Geschichte der Elefanten in Kenia, wo Artenschutz und Tourismus eng verbunden sind. (ib)

 

Isabella Bauer ist freie Journalistin und Beraterin. Sie ist auf Ostafrika, südliches Afrika und Deutschland spezialisiert.
isabella.bauer@gmx.de

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