Finanzmärkte

Zündstoff Brotpreis

Auf der Tagesordnung der G20-Finanzminister in Paris standen diesmal die steigenden Lebensmittelpreise. Aktivisten fordern Transparenz durch eine schärfere Börsenaufsicht, doch Regierungsvertreter äußern Skepsis.

Dürre in China, Proteste in der arabischen Welt und Überschwemmungen in Australien lassen eine Verteuerung der Grundnahrungsmittel befürchten. Weltbank-Präsident Robert Zoellick warnte die Staats- und Regierungschefs vor einer Hausse, die Millionen von Menschen in die Armut reißen könnte. Die Weizenpreise hätten sich binnen eines Jahres verdoppelt, Mais sei um 75 Prozent teurer geworden.

Frankreich legt den Fokus seiner aktuellen G20-Präsidentschaft auf Rohstoffpreise sowie auf Finanzmarktreformen. Gleichzeitig überprüft die EU-Kommission eine Anpassung ihrer Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) und erklärte, schwankende Rohstoffpreise könnten Inflation verschärfen. Das Thema spaltet indes die Industrienationen. Laut Reuters erntete Frankreich heftige Kritik aus rohstoffexportierenden Ländern wie USA, Brasilien und Kanada. Auch das Vereinigte Königreich mit Europas Finanzzentrum London steht Markteingriffen in der EU zögernd gegenüber. Britische Abgeordnete und die Bank of England warnten ihre Regierung vor übereilten Entscheidungen und fürchteten, in EU-Aufsichtsbehörden nicht den nötigen Rückhalt zu finden.

Kontroversen wirft auch die Frage auf, ob eine Regulierung der Rohstoffmärkte wirklich hälfe, die Inflation bei Nahrungsmitteln zu dämpfen. Experten der Welthungerhilfe glauben, dass 29 Länder eine Nahrungskrise ohne Hilfe von außen nicht bewältigen würden. In Tunesien prüft die Weltbank angesichts des politischen Vakuums derzeit finanzielle Hilfen.

Die G20-Gruppe diskutierte im Februar über eine schärfere Aufsicht des Börsenhandels mit Metallen oder Nahrungsmitteln. Im Rohölhandel verbessert eine gemeinsame Datenbank (JODI) schon jetzt die Transparenz von Angebot und Nachfrage. Dieses Instrument könnte man auf wichtige Agrarprodukte ausweiten. Doch in einer drohenden Nahrungsmittelkrise kommt vieles zusammen: Schwierigkeiten, die Ansprüche der in Schwellenländern wachsenden Mittelschicht zu befriedigen, erhöhte Landflucht, klimatische Umstände und die Nachfrage nach Biosprit. Der böse Ruf, der Banken und Hedge-Fonds seit der Kreditkrise vorauseilt, führt laut dem Londoner Broker Chris Morris aber in die Irre: „Spekulation kann die Preise geringfügig aufwärts treiben, aber nicht um 50 Prozent.“

Dieses Argument teilen etliche Gegner einer Finanzmarktregulierung, darunter die OECD. Dennoch begrüßt Generalsekretär José Angel Gurría Frankreichs Entschluss, Ernährungssicherheit an die Spitze der G20-Agenda zu holen: „Die Agrarmärkte waren immer volatil, gemeinschaftlich könnten die Regierungen aber extreme Kursausschläge mildern und betroffene Verbraucher und Produzenten besser schützen.“

EU-Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier will bis Ende 2011 seine Vorschläge einer Verordnung über den Börsenhandel mit Rohstoffen vorlegen. Bei der im Juli verabschiedeten US-Finanzmarktreform sind einige Details noch ungeklärt – harter Gegenwind kommt von den Republikanern und aus der Finanzwirtschaft. Angesichts der weltweit immer näher rückenden Krise, glaubt ein Sprecher des World Development Movement (WDM), werden die Staats- und Regierungschefs bald zur Tat schreiten müssen.

Sella Oneko

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