Kommentar

Fragwürdige Razzien

Büro-Durchsuchungen bei zivilgesellschaftlichen Organisationen in Kairo sorgten international für Empörung. Auch die deutsche Konrad-Adenauer-Stiftung war betroffen.

Von Eva-Maria Verfürth

Im August hat Deutschland mit der ägyptischen Übergangsregierung eine Transformationspartnerschaft geschlossen, welche die Finanzierung zahlreicher Projekte zur Demokratieförderung beinhaltet. Das Geld fließt zum Teil über die deutschen politischen Stiftungen, die den im Bundestag vertretenen Parteien nahestehen und sich weltweit für die Förderung von Demokratie und Zivilgesellschaft einsetzen.

Dennoch durchsuchten Polizei und Staatsanwaltschaft im Dezember in Kairo unangekündigt das Büro der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Computer und Akten wurden konfisziert und der Büroleiter Andreas Jacobs vor Gericht geladen – ohne schriftliche Angabe von Gründen (Jacobs kommentierte in E+Z/D+C 2011/07-08 die Lage in Ägypten). Weitere Razzien gab es auch bei 16 anderen ägyptischen und internationalen Nichtregierungsorganisationen.

Der Vorfall schlug in Deutschland sofort diplomatische Wellen: Das Auswärtige Amt bestellte den ägyptischen Botschafter ein, und der Sprecher von Außenminister Guido Westerwelle gab eine öffent­liche Stellungnahme ab. ­Entwicklungsminister Dirk Niebel unterstrich, die Arbeitsmöglichkeiten der politischen Stiftungen im Ausland seien für Deutschland „das Barometer der Freiheit schlechthin“.

Die Bundesregierung nimmt die Arbeit der politischen Stiftungen sehr ernst. Sie werden mit öffentlichen Mitteln und Spenden finanziert und dienen der politischen Bildung und der Entwicklungszusammenarbeit. Weil sie weltanschaulich eng mit Parteien verbunden sind, gelten sie als besonders geeignet, Parteien, Parlamente und die Zivilgesellschaft im Ausland zu unterstützen. Sie haben bereits so unterschiedliche Staaten wie Portugal, Chile und Südafrika im Übergang von autoritärer Herrschaft zu pluralistischer Demokratie begleitet. Damit sie das auch in Nord­afrika tun können, wurden ihnen im vergangenen Jahr zusätzliche öffentliche Mittel bewilligt.

Wegen der Vorfälle zeigte sich auch die US-Regierung besorgt, denn durchsucht wurden auch die Büros von mehreren US-Organisationen, darunter das National Democratic Institute und das International Republican Institute. Ende Januar verweigerte Ägypten einigen ihrer Mit­arbeiter die Ausreise. Zu Redaktionsschluss von E+Z/D+C waren mehrere von ihnen aus Angst vor Verhaftung in die US-Botschaft in Kairo gezogen.

Bereits im November hatte das ägyptische Justizministerium erklärt, dass zahlreiche Bürgerrechtsgruppen illegal aus dem Ausland finanziert würden. Die Vorwürfe gegen die 17 Institutionen lauten denn auch, illegale ausländische Finanzhilfen für ägyptische Organisationen bereitzustellen sowie ohne Lizenz zu arbeiten.Die KAS gibt sich bezüglich der Vorwürfe gelassen und betont, sie dokumentiere alle Geldflüsse transparent. Das Vorgehen der Behörden bezeichnete der KAS-Vor­sitzende Hans-Gert Pöttering jedoch als „willkürlich“ und „nicht nachvollziehbar“.

Es ist verständlich, dass die ägyptische Staatsanwaltschaft gerade in dieser Zeit des Umbruchs einen Überblick behalten möchte, welches Geld ins Land fließt und wer damit unterstützt wird. Dass aber ausgerechnet die besagten 17 Institutionen gewählt wurden, bei denen es sich dem Cairo Insitute of Human Rights Studies zufolge hauptsächlich um Menschenrechts- und Demokratieverfechter handelt, weckt Misstrauen. Es ist ein gängiges Machtmittel autoritärer Staaten, dank Überregulierung jeden, der politisch aktiv wird, wegen Formfehlern belangen zu können.

Ob tatsächlich die Militärregierung hinter den Razzien steckt, ist ungewiss. Ägyptische Aktivisten jedenfalls scheinen davon überzeugt. Schon länger würden sie beschuldigt, Proteste im Land zu schüren oder gar einen Putsch zu planen. Ende Dezember erklärten 31 Bürgerrechtsgruppen in einer gemeinsamen Stellungnahme, die Razzien seien „Teil einer größeren Kampagne, durch die der Militärrat die Aktivisten, Menschenrechtsorganisationen und Kräfte der Januar-Revolution diffamieren und stigmatisieren will“.

Treffen wird dies weniger die international tätigen Stiftungen, die durch solche Übergriffe letztlich auch bekannter werden. Das Hauptopfer ist Ägyptens ­Zivilgesellschaft. Polizei und Justiz können sie massiv einschüchtern.

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