Glaube und Entwicklung

Imame und Frauenrechtlerinnen

Der Islam prägt die Kultur der Maghreb-Länder. Die deutsche Entwicklungspolitik sucht die Diskussion mit religiösen Führern, um gemeinsam eine Basis für Fortschritt zu schaffen.

Malika Benradi, Juraprofessorin an der Uni Rabat, ist Kontroversen gewohnt. Sie tritt leidenschaftlich dafür ein, dass Frauen berufstätig sein sollen. Das ist aus ihrer Sicht der Schlüssel für die Gleichstellung der Geschlechter.

Ihre Position stößt in Nordafrika auf heftigen Widerspruch. Der Leiter des „Zentrums für Islamisches Gedankengut und den Dialog der Kulturen“ im mauretanischen Nouakchott, Scheich Mohammed Ould Zeine, bezweifelt beispielsweise ausdrücklich die Eignung von Frauen für Berufe wie den des Soldaten. Allerdings spricht er sich auch für die Förderung von Frauen aus. Zusammen mit der Abschaffung der Sklaverei sei das eine wichtige Aufgabe der muslimischen Glaubensgemeinschaft.

Die Professorin und der Scheich nahmen beide Anfang April an einem zweitägigen Treffen in der marokkanischen Eliteuniversität „Al Akhawayn“ teil. Eingeladen hatte die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit religiöse Würdenträger aber auch Vertreter von nichtstaatlichen Organisationen, Wissenschaftler und Unternehmer aus den Maghreb-Ländern. Als einziger Maghreb-Staat war Tunesien nicht an diesem „Runden Tisch“ beteiligt.

Trotz vieler Divergenzen bestand Konsens, dass die heiligen Texte zeitgenössisch ausgelegt werden darf. Dies wird in der islamischen Theologie als „Idschtihad“ bezeichnet und ist nicht selbstverständlich. Viele Gläubige halten die buchstabengetreue Auslegung des Koran für richtig. Typisch für die Region ist aber, dass der Glaube für die Diskussion weltlicher Themen der Referenzrahmen ist. Nicht nur Theologen belegen ihre Position mit Koranzitaten.

GTZ-Mitarbeiterin Lalla Aicha Ouedraogo aus Mauretanien warnt aber davor, den Islam für eigene Zwecke zu instrumentalisieren. Das sehen auch manche marokkanischen Frauenrechtlerinnen so. Sie halten die Stärkung islamischer Strukturen für ein „Spiel mit dem Feuer“.

Aus entwicklungspolitischer Sicht ist der Kontakt zu religiösen Würdenträgern unverzichtbar. Sie sind wichtige Multiplikatoren. Der algerische Imam Lakikza Abedlatif beispielsweise kooperiert mit der GTZ in Sachen Umweltschutz. In Predigten fordert er Gläubige in seiner Heimatstadt Annaba auf, Müll sachgerecht zu entsorgen. Abfall ist in der Hafenstadt ein großes Problem.

In anderen Fragen ist der Imam dem Vorbild westlicher Länder weniger aufgeschlossen: So besteht er etwas mit Verweis auf den Koran darauf, dass muslimische Frauen in der Öffentlichkeit ihr Haar bedecken. Feministinnen in Nordafrika halten das nicht für eine zeitgemäße Auslegung der religiösen Schriften. In den vergangenen Jahren wurde immer deutlicher, dass die Entwicklungspolitik die kulturellen Befindlichkeiten in den Zielländern ernst nehmen muss, wenn sie etwas erreichen will. Einen ähnlichen Runden Tisch wird die GTZ deshalb im Oktober in Algerien veranstalten. Anfang 2009 soll dann ein „Runder Tisch Tunesien“ in Deutschland oder Spanien folgen. In Tunesien selbst ist aufgrund der politischen Lage ein offener Meinungsaustausch unmöglich.

Charlotte Schmitz

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