Editorial

Wichtige Lobby

Wie ginge es dem brasilianischen Regenwald heute, wenn internationale Umweltschutzorganisationen nicht seit Jahrzehnten mit weltweiten Kampagnen für seinen Schutz kämpfen würden? Wie weit könnten sich Menschenrechtsaktivisten in autoritären Staaten aus dem Fenster lehnen, wenn ausländische Akteure ihnen nicht den Rücken stärken würden? Und wie erfolgreich wäre die Arbeit mancher lokaler NGO, wenn ihr Anliegen nicht von einflussreichen Partnern unterstützt würde?
Oxfam-Demonstranten beim UN-Klimagipfel 2013 in Warschau. Zborowski/picture-alliance/dpa Oxfam-Demonstranten beim UN-Klimagipfel 2013 in Warschau.

Internationale nichtstaatliche Organisationen (international non-governmental organisations – INGOs) spielen wichtige Rollen. Sie setzen Themen auf die globale Agenda, sie beeinflussen die Weltpolitik, und sie geben Menschen eine Lobby, die sonst keine hätten. Ein Beispiel: Mitte Juni wurde der tschadische Aktivist und E+Z-Autor Djeralar Miankeol verhaftet, weil er in einem Radiointerview Korruption im Justizapparat angeprangert hatte. ­Miankeol setzt sich mit seiner lokalen NGO Ngaoubourandi für die Rechte von Bauern im Süden des Tschads ein. Anfang Juli wurde er zu zwei Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt. Amnesty International mobilisierte mit einer Eilaktion ein Netzwerk von Zigtausenden Unterstützern, um gegen die Festnahme und dann auch das Urteil zu protestieren. Ende Juli wurde Miankeol in der nächsten Instanz freigesprochen und durfte das Gefängnis verlassen. Wir wissen nicht, welchen Anteil daran die internationale Aufmerksamkeit für den Fall hatte. Wahrscheinlich säße Miankeol ohne den Einsatz von Amnesty aber noch im Gefängnis.

Manchmal übernehmen INGOs Aufgaben, mit denen Staaten überfordert sind. Das gilt besonders für Nothilfe, sei es nach einem Erdbeben, einer Überschwemmung oder Dürre. Bei der Ebola-Epidemie im vergangenen Jahr in Westafrika baute die INGO Ärzte ohne Grenzen Behandlungszentren auf und arbeitete präventiv – im Gegensatz zu den betroffenen Ländern verfügte sie über das nötige Personal und die Erfahrung. INGOs springen auch ein, wo Verantwortliche bewusst wegsehen. Niemand würde die Rohingya in Myanmar versorgen, wenn Organisationen wie Malteser International es nicht täten.

Auf der Bühne der Weltpolitik, in der öffentlichen Wahrnehmung und in Bezug auf Ressourcen und Einflussmöglichkeiten dominieren die großen INGOs aus den Industrieländern. Sie sprechen auf UN-Gipfeln und agieren hinter den Kulissen, sie formulieren Politik mit und gestalten Völkerrecht. Sie vertreten die Interessen von Gruppen, von deren Realität sie zuweilen weit entfernt sind. Manche Betroffenen finden das anmaßend. Nicht jede Sexarbeiterin möchte, dass Amnesty International bestimmt, was das Beste für sie ist. Manche fühlen sich ausgebootet. Lokale NGOs, die Einzelinteressen oft kleiner Gruppen vertreten, finden auf Weltklimakonferenzen und Weltgipfeln kein Gehör – so laut rufen die „großen“.

Wichtig sind beide: sowohl die lokalen Organisationen als auch die globalen Player. Beide haben zurzeit mit der Beschneidung ihrer Handlungsmöglichkeiten zu kämpfen, denn autoritäres Regierungsgebaren richtet sich von Kenia bis Kambodscha, von Russland über China bis Indien zunehmend gegen zivilgesellschaftliches Engagement. Gegen diese Repression müssen alle gemeinsam kämpfen: lokale und internationale Organisationen, Politik und Zivilgesellschaft, Geber und Empfänger, Aktivisten, Journalisten und einfache Bürger. Ohne zivilgesellschaftliches Engagement ist Politik ein Top-down-Spiel, dem die Graswurzeln fehlen.

 

Katja Dombrowski ist Redakteurin bei E+Z Entwick­­lung und Zusammenarbeit / D+C Development and Cooperation.
euz.editor@fs-medien.de

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