Afghanistan

Kritik an Gebern

Die Hilfe für den Wiederaufbau Afghanistans kommt nur teilweise im Land an, behauptet eine aktuelle Studie. Die Zahlungen hinkten vielfach Versprechen hinterher. Geber kritisieren dagegen die geringen Anstrengungen der afghanischen Regierung, Steuern einzutreiben.

Die Geber zahlten einen Großteil der zugesagten Hilfsgelder nicht aus, moniert ein Papier der regierungsunabhängigen Dachorganisation ACBAR (Agency Coordinating Body for Afghan Relief). Nach Zahlen der afghanischen Regierung habe die internationale Gemeinschaft seit 2001 zwar 25 Milliarden Dollar für den Aufbau des Landes zugesagt, aber nur 15 Milliarden bereitgestellt. Besonders schlecht schnitt Spanien ab, das bisher nur etwa dreizehn Prozent der versprochenen Mittel ausgezahlt habe. Deutschland habe fast zwei Drittel überwiesen, die USA immerhin 40 Prozent. Rund 90 Prozent des afghanischen Staatshaushaltes entstammen internationalen Hilfszahlungen.

Diese Vorwürfe weist das deutsche Entwicklungsministerium (BMZ) allerdings zurück. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Zahlen zustande kämen, so Pressesprecher Markus Weidling. Das BMZ habe von 2001 bis 2006 insgesamt 530 Millionen fest zugesagt, 491 Millionen Euro davon seien bereits ausgezahlt worden, also mehr als 90 Prozent.

Zu viel Geld werde aber auch verschwendet, meinen die 94 nationalen und internationalen ACBAR-Mitgliedsorganisationen. 40 Prozent der Mittel flössen direkt in die Geberländer zurück. Das geschehe zum einen in Form von Gehältern ausländischer Experten, die 250 000 bis
500 000 Dollar pro Jahr bekämen, zum anderen aber auch, weil über die Hälfte des Geldes unter der Bedingung vergeben werde, Dienstleistungen und Material im Geberland zu beschaffen. Hinzu kämen enorme Logistikkosten (Sattelitentelefone, Fahrzeuge und Sicherheit).

Völlig unverhältnismäßig, so die ACBAR-Studie, sei das Verhältnis von Militärausgaben und Wiederaufbauhilfen. Während allein die USA pro Tag 100 Millionen Dollar für den Militäreinsatz ausgäben, investierten alle Geber gemeinsam lediglich sieben Millionen Dollar pro Tag in den Wiederaufbau. Dieses Geld werde außerdem zu ungleichmäßig verteilt. Insgesamt profitierten vor allem die unsicheren Provinzen von mehr Geld, beanstandet die Studie. Das setze völlig falsche Anreize.

Problematisch sei auch, dass die afghanische Regierung auf einen Großteil der Hilfsgelder gar keinen Einfluss habe, weil sie in einer Art Nebenhaushalt von der Weltbank verwaltet werden. Aus Mitteln dieses Nebenhaushalts, des Afghanistan Reconstruction Trust Fund (ARTF), werden in erster Linie laufende Kosten der afghanischen Regierung wie etwa Gehälter von Lehrern und Richtern, aber auch Aufbauprojekte finanziert. Dieses System aber unterminiere den Aufbau funktionierender staatlicher Strukturen vor allem auf lokaler Ebene.

Die schlechte Koordination unter den Geldgebern verursacht weitere Reibungsverluste. Grund dafür sind in erster Linie Kompetenzstreitigkeiten und Konkurrenz um die besten Projekte. „Zu viele Projekte sind mehr darauf ausgerichtet, schnelle und sichtbare Resultate zu erzielen, als nachhaltig die Armut zu vermindern und Wissen zu vermitteln“, heißt es in der Studie. Schließlich wollen die Regierungen ihren Wählern die Projekte als Erfolge verkaufen. Um entstehende Defizite auszugleichen, würden dann Koordinationsgremien geschaffen, bemängelt Barbara Unmüßig, Vorstand der grünennahen Böll- ­Stiftung. Das aber führe zu einer regelrechten Überkoordinierung.

Aber auch auf afghanischer Seite liegt einiges im Argen. So musste der afghanische Finanzminister Anwar Ul-Haq Ahady Ende März zugeben, dass sein Land die Absprache mit dem Internationalen Währungsfonds (IMF), Steuern im Wert von 458 Millionen Euro einzunehmen, verfehlen werde. Dabei hielten Ökonomen das Ziel nicht für besonders ehrgeizig. Weltbank und andere Geber haben indessen auch Afghanistans Nationale Entwicklungsstrategie abgelehnt, von der sowohl zukünftige Hilfen wie auch der Erlass von 10, 6 Milliarden Dollar Schulden im Rahmen der HIPC-Initiative abhängen.

Claudia Isabel Rittel

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