Interview

„Ehrliche Revision ist überfällig“

Kishore Mahbubani von der National University of Singapore ist ein bekannter Kritiker westlicher Selbstgefälligkeit. Mit seiner Stellungnahme endet unsere Serie mit Ansichten zur Zukunft der technischen Zusammenarbeit. E+Z/D+C hatte sie gestartet, weil das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die Fusion von GTZ, InWEnt und DED plant.

[ Interview mit Kishore Mahbubani]

Armutsbekämpfung ist international nur dort gelungen, wo die Privatwirtschaft in Schwung gekommen ist. Wie kann und sollte eine Geberinstitution asiatische Länder dabei am besten unterstützen?
Geberinstitutionen helfen dem Privatsektor in Entwicklungsländern am besten dadurch, dass sie destruktive Folgen westlicher Politik offenlegen. Es ist zum Beispiel völlig klar, dass Agrarsubventionen in der EU und Baumwollsubventionen in den USA schädlich sind. Oxfam hat auf vorbildliche Weise kritisches Bewusstsein im Westen geweckt. Es wäre gut, wenn eine deutsche Institution genauso kritisch aufträte.

Die Millenniumsentwick­lungsziele (MDGs) fordern Fortschritt auf bestimmten Feldern. Wie kann oder sollte eine Geberinstitution asiatische Länder dabei am besten unterstützen?
Asiatische Staaten haben große Fortschritte gemacht. China und Indien tragen dazu bei, die weltweite Armutsquote bis 2015 zu halbieren. Da viele Länder in Asien inzwischen zur Selbsthilfe fähig sind, können westliche Geber die Ausgaben radikal senken, die an westliche Institutionen und Berater zurückfließen. Geberorganisationen sollten schonungslos prüfen, welcher Anteil ihrer Mittel tatsächlich den Entwicklungsländern zugute kommt und wie viel an reiche Beamte oder Berater aus Geberländern geht. Eine ehrliche Revision ist überfällig. Deutschland könnte den Anfang machen.

Die Paris Declaration on Aid Effec­tiveness und die Accra Agenda for
Action betonen die Bedeutung stärkerer Regierungskapazitäten. Wie kann eine Geberinstitution hier am besten helfen?

Westliche Entwicklungsorganisationen helfen asiatischen Staaten am besten, indem sie asiatischen Studenten nicht ein Studium im Westen, sondern in Asien finanzieren. Das bewirkt psychologisch viel mehr. Jahrelang schickte zum Beispiel Indonesien Stadtplaner zum Studium ins Ausland. Bei ihrer Rückkehr sagten sie dann: „Was Europäer tun, schaffen wir Asiaten nicht.“ Das änderte sich, als solche Leute mit Singapurs Stadtplanung vertraut gemacht wurden. Sie setzten das Gelernte sofort um und sagten: „Was andere Asiaten tun, schaffen wir auch.“ Deshalb sollten europäische Geberinstitutionen es Asiaten finanziell ermöglichen, asiatische Hochschulen zu besuchen, wie etwa die Lee Kuan Yew School of Public Policy der National University of Singapore.

Gute und verantwortliche Amts­führung steht seit dem Weltentwicklungsbericht der Weltbank von 1997 hoch oben auf der Entwicklungsagenda. Wie kann und sollte eine Geber­organisation asiatische Länder hier am besten unterstützen?
Amts- und Regierungsführung sind in Asien besser geworden. China reagierte zum Beispiel 2008/2009 viel vernünftiger auf die weltweite Finanzkrise als die USA. Und inzwischen hat Asien so viele eigene, gute Verwaltungsbeispiele, dass Geber­institutionen aufhören sollten, Austauschprogramme von asiatischen mit europäischen oder amerikanischen Beamten zu finanzieren. Stattdessen sollte man beim Erfahrungsaustausch zwischen asiatischen Behörden helfen. Kaum einem Europäer ist beispielsweise klar, dass die Wasserversorgung in Phnom Penh besser funktioniert als die privatisierten Wasserversorger im britischen Königreich. Auch der Hafen von Singapur ist effizienter als der von Rotterdam. Wenn westliche Geberorganisationen gute und verantwortungsvolle Amtsführung fördern wollen, müssen sie mehr Geld in den interasiatischen Austausch stecken. Die Lee Kuan Yew School of Public Policy hilft jeder Geberinstitution gern, Fallstudien in Asien durchzuführen.

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