Kommentar

Kooperation mit dem Drachen

China implementiert Reformen, die westliche Geber auch in anderen Entwicklungsländern sinnvoll fänden. Der Fortschritt ist umso überraschender, als das Land ärmer ist als bislang angenommen.

[ Von Hans Dembowski ]

Zweifellos ist die Kommunistische Partei Chinas autoritär und brutal. Das Regime missachtet offen die Menschenrechte, es interessiert sich nicht für Demokratie. Alle, die China fürchten, fühlten sich bestätigt, als Beijing neulich ankündigte, freie Kommunalwahlen würden vor 2017 nicht einmal in Hongkong abgehalten – der reichen Hafenstadt, die die Volksrepublik vor zehn Jahren friedlich von Britannien übernahm. Konservative Think Tanks neigen zu der Ansicht, China sei eine aufstrebende Diktatur, die über kurz oder lang die USA herausfordern muss. Sie raten OECD-Regierungen, „den Drachen in Schach zu halten“, denn auf Dauer sei die militärische Konfrontation unvermeidlich und Zusammenarbeit mit Beijing könne den künftigen Feind nur päppeln.

Die Gegenposition ist, dass China sich unter einer autoritären, aber immerhin nicht kleptokratischen Regierung modernisiert – ähnlich, wie das andere asiatische Staaten zuvor taten. Langfristig könne auch China sich als kooperatives Mitglied der Staatengemeinschaft erweisen und sollte deshalb in ehrlicher Bemühung um Partnerschaften eingebunden werden.

Tatsächlich implementiert China Reformen, die westliche Geber auch in anderen Entwicklungsländern sinnvoll fänden. Beijing hat Schritte angekündigt, um das Gesundheitswesen im ländlichen Raum zu verbessern. Im vergangenen Monat trat ein neues Arbeitsrecht in Kraft, obwohl Arbeitgeber warnten, es werde die Lohnkosten in diesem Jahr um bis zu 40 Prozent in die Höhe treiben. Das neue Gesetz stärkt die Arbeitnehmerrechte. China baut also Sicherheitsnetze aus, über die die Weltbank gerne theoretisiert. Außerdem meldete Beijing, die Steuereinnahmen seien 2007 um 30 Prozent gestiegen – und zwar nicht nur dank Wirtschaftswachstum und hoher Gewinne, sondern auch dank sorgfältiger Einkommenserfassung und strenger Verfolgung von Hinterziehern.

Modernisierung bedeutet mehr als Wahlen. Es geht auch um eine dynamische Wirtschaft, fähige Institutionen und soziale Leistungen auf Feldern wie Bildung und Gesundheit. Und hier verdient China Lob. Seit Jahrzehnten genießt die Volksrepublik exportgetriebenes Wachstum, wie Strukturanpassungen es eigentlich hätten herbeiführen sollen. Weltbank und Internationaler Währungsfonds vertraten in den 90er Jahren diese Liberalisierungsstrategie, die in Afrika und Lateinamerika aber weitgehend scheiterte. Strukturanpassung lief darauf hinaus, Regierungshandeln auf möglichst vielen Feldern durch Marktprozesse zu ersetzen.

Beijing fiel nie auf diese Ideologie herein, und seine Politik der gesteuerten Marktentwicklung erwies sich als erfolgreicher. In vieler Hinsicht ähnelt der Kurs der Volksrepublik dem, den Japan, Südkorea, Taiwan und andere asiatische Länder früher nahmen.

Was eine Regierung zuhause tut und was sie im Ausland unterstützt, ist zweierlei. Mit Chinas Finanzkraft muss weltweit gerechnet werden. Sorgen vor destruktiver Wirkung auf Afrika und andere Weltregionen sind durchaus begründet. Deshalb ist es richtig, dass Weltbankpräsident Robert Zoellick sich in Sachen Entwicklungskredite um Kooperation mit dem asiatischen Riesen bemüht – offenbar mit Erfolg, auch wenn er Ende Dezember in China noch keine Details verriet. Es passt ins Bild, dass internationale Blätter Ende Januar meldeten, vermutlich werde der chinesische Ökonom Lin Yifu als neuer Chefvolkswirt der Weltbank berufen.

Zoellick ist für einen US-Konservativen ungewöhnlich. Er begreift, dass Chinas Regierung das Land klug (wenn auch sicherlich nicht demokratisch) entwickelt und dass es wichtig ist, dass sie anderswo bessere Amtsführung nicht untergräbt.

Chinas heimischer Fortschritt ist umso erstaunlicher, als die Volksrepublik aktuellen Daten zufolge ärmer ist als bislang angenommen. Die Weltbank ermittelte in einer internationalen Studie, die China einbezog, Preise von mehr als 1000 Konsumwaren, um die Kaufkraft nationaler Währungen besser abzuschätzen. Laut offiziellem Wechselkurs ist Chinas Bruttoinlandsprodukt 2,2 Billionen Dollar wert. In Kaufkraft gemessen sind es sogar 5,2 Billionen. Vor der Neubewertung wurde dieses Volumen aber auf 8,9 Billionen geschätzt.

Das bedeutet, dass China über den materiellen Fortschritt hinaus schneller vorankommt, als viele Verfechter der Modernisierungstheorie gehofft hätten. Und das kann sich auch für seine Rolle als Geber noch so erweisen. Zumindest an der Schuldentragfähigkeit der Kreditnehmer hat Beijing schließlich selbst Interesse.

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