Verzerrt und unvollständig

IP: Schwerpunktheft Entwicklungspolitik: Adieu, Almosen!
Dezember 2007, 143 S., 9,95 Euro

Die IP ist das zentrale Diskussionsforum der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), der Vereinigung des außenpolitischen Establishments der Bundesrepublik. Ihre Dezemberausgabe widmete sie der Entwicklungspolitik. Leider gibt sie den aktuellen internationalen Diskussionstand nur verzerrt und unvollständig wieder.

Das beginnt mit der Titelzeile: „Adieu, Almosen!“ Sie ist weder neu noch aufregend. Denn dass es nicht um karitatives Handeln, sondern um eine faire und gerechte Weltordnung geht, predigen Entwicklungspolitiker seit langem. Die IP lässt Bartholomäus Grill im Eingangsaufsatz noch mal ausführlich längst erkannte Schwächen alter Programme aufzählen. Das wiederum geschieht unter der Überschrift „Schneepflüge für Guinea“. Die Phrase spielt nicht auf ein aktuelles Versagen an – sondern auf Bruderhilfe, welche ausgerechnet die Sowjetunion einem sozialistischen Partnerland angedeihen ließ.

Erst in seiner Conclusio schreibt Grill, es werde „allmählich Zeit, Entwicklungspolitik als globale Sturkturpolitik“ zu begreifen. Erwähnt wird nicht, dass dieser Begriff vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit seit Jahren bei jeder Gelegenheit betont wird, aber nicht den nötigen Widerhall in der außenpolitischen Fachwelt findet. Entwicklungspolitiker wissen längst, dass Armut viel mit Handel, Sicherheit und zunehmend auch mit Klima zu tun hat, aber auf ihre Einsichten allein kommt es für gesamtstaatlich kohärentes Handeln leider nicht an.

Am Schluss erwähnt Grill kurz die Paris Declaration on Aid Effec­tiveness, in der sich die OECD vor nun fast schon drei Jahren auf neue Ansätze und Verfahrensweisen in der Entwicklungspolitik verständigt hat, um die Eigenverantwortung der Entwicklungsländer zu fördern und zu fordern. Diesen Ansatz hätte die IP als wichtige Fachzeitschrift mit allen seinen Stärken und Schwächen analysieren müssen. Stattdessen referiert Joachim Betz in seinem Aufsatz noch mal alle wichtigen Punkte zu ihrer Begründung, erwähnt das Dokument selbst aber nur en passant.

Es passt ins Bild, dass Ronald Bailey in einem Aufsatz spottet, die Weltbank habe tatsächlich einmal eine kluge Einsicht gehabt. Leider habe sie aber die Studie, in der sie die Bedeutung von Institutionen, Rechtsstaatlichkeit und sonstigem immateriellen Kapital für erfolgreiche Entwicklung untersuchte, schnell in der Versenkung verschwinden lassen. Er geht nicht darauf ein, dass die Weltbank seit 1997 beständig „Good Govern­ance“ predigt, weil diese Zusam­menhänge nun in der Tat begriffen wurden. Und so gestattet die IP denn auch Andrew Mwenda, die alles andere als originelle Erkenntnis vorzutragen, dass erfolgreiche Privatsektor-Investitionen Ent­wicklung voranbringen, korrupte Staatsapparate hingegen nicht.

Um die Autoren in Schutz zu nehmen: Für sich genommen sind die Artikel weitgehend plausibel. Was nicht stimmt, ist der redaktionelle Kontext. Dieses Heft erweckt den Anschein, der Entwicklungspolitik mit aktuellen Beiträgen auf die Sprünge zu helfen, referiert aber letztlich nur ohne Nennung der Quellen viele gute Ideen, welche die Entwicklungspolitik seit dem Kollaps des Ostblocks ausgebrütet hat. (dem)

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