Jugendliche im Slum

Musik für eine bessere Zukunft

In Korogocho, einem der größten Slums Nairobis, treffen sich jeden Sonntag Kinder und Jugendliche in einer Kirche, um gemeinsam Musik zu machen. Das Projekt Ghetto-Klassik ist für viele die einzige Möglichkeit, der Armut zu entkommen.
Das Ghetto-Klassik-Projekt ist für die Kinder und Jugendlichen aus dem Slum die einzige Möglichkeit, ein klassisches Instrument zu lernen. Bauer Das Ghetto-Klassik-Projekt ist für die Kinder und Jugendlichen aus dem Slum die einzige Möglichkeit, ein klassisches Instrument zu lernen.

Die engen, staubigen Wege von Korogocho sind gesäumt von Blech- und Holzhütten. Die große Müllhalde am Rande der informellen Siedlung bildet für viele der Einwohner die Lebensgrundlage. An allen Ecken wird verkauft und verwendet, was noch irgendwie brauchbar scheint.

Der Eingang zur St. Peterskirche liegt direkt neben dem Fußballplatz und der einzigen Grundschule in der Gegend. Durch das Gewirr von Kinderstimmen, Bolzgeräuschen und Motorradgeknatter dringen die Klänge von Geigen, Klarinetten und Saxophonen. Die jungen Musiker des Projekts Ghetto-Klassik spielen sich ein.

Jeden Sonntag treffen sich die Kinder und Jugendlichen in der nur durch ein Wellblechdach geschützten Kirche, um zusammen zu musizieren. Für alle bietet das Ghetto-Klassik-Projekt die einzige Möglichkeit, ein Instrument zu lernen. Und für viele von ihnen ist das weitaus mehr als ein Hobby: „Ich liebe Musik so sehr. Denn manchmal ist das Leben hier sehr schwierig, und die Musik lässt mich dann alles vergessen“, sagt die 15-jährige Emily Onyango. „Außerdem ist das Projekt meine einzige Chance, aus der Armut herauszukommen. Für eine Schulausbildung habe ich kein Geld. Aber wenn ich hier gut bin, kann ich in ein größeres Orchester kommen und etwas Geld verdienen“, erklärt die ambitionierte Geigerin. Journalistin würde sie auch gerne werden – oder zum Film gehen. Sie ist bereit, hart dafür zu arbeiten.

Getragen wird das Projekt von der privaten kenianischen Stiftung „Art of Music“ (s. Interview). Die Begründer von Ghetto-Klassik wollen eine Zukunftschance schaffen, die jenseits der weitverbreiteten Kriminalität im Slum liegt. Natürlich ist nur für einen Bruchteil der Kinder eine Ausbildung zum Profimusiker möglich. Doch die Erfahrung zu machen, wie es ist, etwas zu lernen, worauf sie stolz sein können, und Anerkennung dafür zu bekommen, hat bereits viele Lebenswege verändert. Die Musiker spielen auf Hochzeiten und anderen Festen und bereichern das Kulturleben der Nachbarschaft.

Den Instrumentalunterricht erteilen ehrenamtliche Musiklehrer. Die meisten von ihnen sind Studenten aus den besseren Vierteln Nairobis. Jeden Sonntag machen sie sich auf den oft mehrstündigen Weg durch die Staus der kenianischen Hauptstadt, um in Korogocho zu unterrichten und die Proben zu unterstützen.

Eine von ihnen ist die Architekturstudentin Etta Adete. Geige spielen hat sie in der Schule gelernt. Sie freut sich auf jeden Sonntag in Korogocho: „Ich warte die ganze Woche über auf die Probe mit den Kindern. Es bedeutet mir alles, hier zu sein. Ich komme aus wohlhabendem Haus und studiere. Ich komme nach Korogocho, um etwas zurückzugeben“, sagt sie. „Außerdem macht es unglaublichen Spaß, mit den Kindern hier zu arbeiten. Sie sind so ehrgeizig, so neugierig, so enthusiastisch.“

Dass die Probendisziplin zu wünschen übrig lässt, stört sie nicht. Alle Beteiligten wissen, dass viele Kinder weitgehend sich selbst überlassen aufwachsen. Manchmal müssen sie auch in der Familie helfen, oder es regnet, und der Weg durch den Matsch des Slums zur Probe wäre zu beschwerlich. Wichtig ist für die Lehrer, den Ort und die Möglichkeit zu bieten, etwas anderes zu erleben, als der Alltag sonst bereithält.

Isabella Bauer

 

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