Kommentar

Mehr Chaos zu erwarten?

Die Demokratische Republik Kongo hat in den vergangenen zehn Jahren einige Fortschritte Richtung Demokratie und Stabilität gemacht. 2006 und 2011 gab es erstmals demokratische Wahlen, und die Regierungsführung hat sich insgesamt verbessert. Jüngste Entwicklungen deuten jedoch auf weitere unruhige Zeiten hin.
Einsatzkräfte der Polizei während der Proteste im September in Kinshasa. John Bompengo/picture alliance/AP Photo Einsatzkräfte der Polizei während der Proteste im September in Kinshasa.

Bei blutigen Zusammenstößen von Demonstranten und Sicherheitskräften in Kinshasa am 19. und 20. September kamen etwa 50 Menschen ums Leben. Oppositionsführer hatten zu Massenprotesten aufgerufen, um Präsident Joseph Kabila unter Druck zu setzen, die Verfassung zu befolgen und Wahlen im November auszurufen. Gewaltausbrüche führten zum Tod einiger Polizisten und Dutzender Demonstranten. Es kam zu Plünderungen, und die Parteizentralen sowohl der regierenden als auch oppositioneller Parteien wurden zerstört.

Die diesjährigen Wahlen sind enorm wichtig für das Land – wenn sie denn stattfinden. Laut Verfassung besiegeln sie das Ende von Kabilas zweiter und letzter Amtszeit. Das würde wirklichen Wandel und einen demokratischen Wechsel an der Staatsspitze bedeuten. Doch Oppositionsführer werfen Kabila und der Regierungspartei vor, den Wahlprozess zu verzögern, um an der Macht zu bleiben. Mehrere Ereignisse stützen diese Vorwürfe:

  • Im Januar 2015 hat die Regierungspartei ein neues Wahlgesetz eingebracht, das zu einer Wahlverschiebung geführt und Kabila ermöglicht hätte, über die beiden von der Verfassung erlaubten Amtszeiten hinaus an der Macht zu bleiben. Nach dem darauf folgenden Aufruhr mit vier Toten zog sie die Initiative jedoch zurück.
  • Im Mai 2016 haben Vertreter der Regierungspartei das Verfassungsgericht beauftragt, Artikel 70 der Verfassung zu präzisieren. Dieser definiert die Anzahl und Länge der Amtszeiten des Präsidenten sowie die Modalitäten des Amtswechsels. Das Gericht urteilte, dass der Amtsinhaber so lange weiterregiert, bis ein neuer Präsident vereidigt wird. Das bedeutet, dass Kabila im Falle verschobener Wahlen an der Macht bliebe.
  • Im September 2016 hat der Präsident alle politischen Führer zu einem „na­tionalen Dialog“ aufgerufen. Damit wollte er einen Konsens für die Abhaltung friedlicher Wahlen in einem realistischen Zeitrahmen erreichen. Laut Regierung und Wahlkommission können dieses Jahr aufgrund fehlender Ressourcen keine Wahlen stattfinden. Beobachter hofften, dass der nationale Dialog zu einer Einigung führen würde, wie der Übergang nach dem Ende von Kabilas Amtszeit zu gestalten wäre. Eine Möglichkeit wäre eine Übergangsregierung, die Neuwahlen vorbereitet.

Es ist kaum zu erwarten, dass der Anfang September begonnene nationale Dialog zu einer endgültigen Lösung führt – nicht zuletzt, weil die meisten Oppositionsführer ihn boykottiert haben. In ihren Augen stellt er bloß einen weiteren Versuch dar, die Wahlen zu verschieben. Sie bestehen darauf, dass Kabila, der seit Januar 2001 regiert, zum offiziellen Ende seiner Amtszeit am 19. Dezember abtritt und den Weg für einen neuen Präsidenten frei macht. Am 19. September, als die blutigen Proteste begannen, hätte der Wahlprozess beginnen müssen.

Beobachter und ausländische Diplomaten warnen vor anhaltender Unsicherheit. Sogar von einem drohenden Bürgerkrieg ist die Rede. In der Tat machen die Entwicklungen wenig Hoffnungen auf eine politische Lösung und lassen weitere Unruhen zum Jahresende befürchten. Einerseits ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Kongolesen – wie ursprünglich geplant – im November zu den Urnen gerufen werden. Andererseits haben Oppositionsführer zu weiteren Demonstrationen aufgerufen und Kabila ein Ultimatum gestellt: Bis zum 19. Dezember muss er weg sein – freiwillig oder mit Gewalt. Außerdem sind die Menschen frustriert. Sie leben im Elend, die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer, und die Politiker und ihre Familien leben ein privilegiertes Leben.

All diese Faktoren befeuern die Spannungen und lassen für die Zukunft der DR Kongo nichts Gutes erahnen. Vielleicht könnte die internationale Gemeinschaft einen Beitrag zu Frieden und Stabilität leisten, indem sie der UN-Mission im Land ein Sondermandat gibt. Damit könnte MONUSCO helfen, die Menschen in den kommenden Monaten zu schützen und den Druck nicht nur auf die Regierungspartei, sondern auch auf die Opposition aufrechtzuerhalten. Beide Seiten müssen sich an die Verfassung und andere Gesetze halten und verantwortlich im Sinne der Demokratie handeln, um weiteres Chaos und Blutvergießen zu verhindern.


Jonathan Bashi hat an der University of London’s School of Law promoviert und arbeitet jetzt als Berater und Juradozent in der DR Kongo.

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