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Psychische Gesundheit

Weshalb afrikanische Männer helfen sollten, das Patriarchat zu beenden

Das Patriarchat gewährt Männern Privilegien, bringt aber auch Normen und Erwartungen mit sich, die ihrer psychischen und physischen Gesundheit ernsthaft schaden. Oluyinka Ojedokun, Professor für Psychologie in Nigeria und Südafrika, erklärt, warum es im Interesse afrikanischer Männer selbst liegt, Männlichkeit neu zu definieren – nicht nur, um die Geschlechtergleichheit zum Wohle der Frauen zu fördern, sondern auch zugunsten ihres eigenen individuellen und kollektiven Wohlbefindens.
Männer und Frauen protestieren gemeinsam gegen geschlechtsspezifische Gewalt in Pretoria, Südafrika, im April 2025. picture alliance/ASSOCIATED PRESS/Themba Hadebe
Männer und Frauen protestieren gemeinsam gegen geschlechtsspezifische Gewalt in Pretoria, Südafrika, im April 2025.

Es ist bekannt, dass das Patriarchat Ungleichheit aufrechterhält, indem es Männer privilegiert und Frauen marginalisiert. In patriarchalen Gesellschaften haben Männer mehr Vermögen und politischen Einfluss als Frauen. Sie üben Gewalt gegen Frauen aus und müssen zugleich manche alltäglichen Gefahren, denen sich Frauen und Kinder ausgesetzt sehen, nicht fürchten. 

Allerdings schaden die patriarchalen Strukturen, die Männer privilegieren, ihnen selbst auch. Das ist in vielen afrikanischen Ländern zu beobachten, in denen das Patriarchat noch tief verwurzelt ist. So werden Männer etwa dazu erzogen, zu glauben, dass Männlichkeit durch Schweigen, Stoizismus und Durchhaltevermögen definiert wird. Viele verinnerlichen die Erwartung, dominant, erfolgreich und emotionslos sein zu müssen – bei gleichzeitiger körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit. Folglich neigen patriarchal geprägte Männer in Afrika – und in anderen Teilen der Welt – dazu, rücksichtslos, aggressiv und furchtlos zu handeln. Sie lehnen es oft ab, sich Hilfe zu suchen, verhalten sich gesundheitsgefährdend, unterdrücken Intimität und vermeiden tiefere Beziehungen. 

All das kann diverse Probleme nach sich ziehen. Beispielsweise

  • verletzen sich Männer unnötig oder verlieren durch ihre Verhaltensweisen sogar ihr Leben,
  • leidet bei ihnen das menschliche Grundbedürfnis nach Bindung,
  • bleiben ihnen wertvolle Erfahrungen vorenthalten, etwa Intimität und tiefe Zuneigung in einer Beziehung.

Afrikanische Psycholog*innen haben untersucht, wie die Verinnerlichung schädlicher männlicher Normen zu Depressionen beiträgt und davon abhält, Hilfe zu suchen (Ezeugwu und Ojedokun, 2020). Sie haben dokumentiert, wie der Anspruch, emotional hart zu sein, junge Männer isoliert und ihr Wohlbefinden untergräbt (Mogano et al., 2025). Hinter der stoischen Fassade und dem emotionslosen Auftreten vieler Männer in Afrika und anderswo klaffen unsichtbare, durch patriarchale Erwartungen erzeugte Wunden. 

Die traditionelle Vorstellung von Männlichkeit hinterfragen

Während Feministinnen schon seit Langem gegen das Patriarchat kämpfen und dessen schädliche Auswirkungen hervorheben, beginnen viele Männer erst jetzt zu verstehen, wie sehr auch sie darunter leiden. Tatsächlich findet derzeit in Afrika ein Wandel statt: Soziale Normen und Kommunikationsgewohnheiten werden hinterfragt und dekonstruiert. Das Patriarchat infrage zu stellen, gilt nicht mehr nur als Frauensache, sondern auch als Möglichkeit, die Männer aus dem emotionalen Gefängnis des Patriarchats zu befreien. 

In Städten von Lagos bis Johannesburg geht es Bewegungen, die früher ausschließlich geschlechtsspezifische Gewalt und die mangelnde Ermächtigung von Frauen im Blick hatten, inzwischen auch um den Preis, den Männer im Hinblick auf ihre Psyche im Patriarchat zahlen. Kampagnen wie #MenAreTrash und Women Allying Women (WAW) haben sich zu einer allgemeineren Kritik am Patriarchat gewandelt und zeigen auf, wie starre Geschlechternormen alle Menschen betreffen – auch die Männer. Filme, Werbespots, Radiosendungen, Podcasts und Diskussionen auf Social Media – etwa unter den Hashtags #MenAreHumanToo und #EndToxicMasculinity – stellen Männer zunehmend als emotional komplexe Individuen mit psychischen Bedürfnissen dar. Auch Männer selbst diskutieren Themen wie Verletzlichkeit, psychische Gesundheit und Vaterschaft mit einer bisher ungekannten Offenheit. 

Immer mehr Menschen setzen sich für ein gesünderes Verständnis von Männlichkeit ein, das niemandem schadet – weder Männern noch Frauen noch Kindern noch der Gesellschaft insgesamt. Sie heben Aspekte hervor wie Verletzlichkeit, Fürsorge und die Fähigkeit, die eigenen Emo­tionen anzuerkennen. Es ist wichtig festzuhalten, dass diese Trends weder die Sexualität von Männern infrage stellen noch ihnen ihre Männlichkeit absprechen möchten, sondern lediglich Männlichkeit neu definieren.

Studien bestätigen, dass sich das Verständnis von Männlichkeit in Afrika wandelt. Während sich noch immer viele afrikanische Männer gezwungen sehen, sich an traditionelle Rollenbilder anzupassen, befürworten jüngere Generationen zunehmend die Gleichstellung der Geschlechter, gemeinsame Kinderbetreuung und emotionale Offenheit (Equimundo, IMAGES 2022). Frühere Studien zeigen: Männer, die mit gleichberechtigten Rollenmodellen in Berührung kommen – sei es durch Bildung oder gesellschaftliches Engagement – schneiden bei psychischer Gesundheit und familiären Beziehungen besser ab.

 

Ein kollektives Befreiungsprojekt

Anzuerkennen, dass Männer unter den gängigen Fehlannahmen über Männlichkeit leiden, bedeutet nicht, vor den strukturellen Privilegien, die sie in vielen Gesellschaften genießen, die Augen zu verschließen. Eher hilft es, zu verdeutlichen, weshalb auch Männer ein echtes Interesse daran haben, das Patriarchat abzuschaffen. Das ist weder nur eine feministische Forderung noch geht es dabei ausschließlich um mehr Gerechtigkeit für Frauen und geschlechtliche Minderheiten. Vielmehr könnte man es als kollektives Befreiungsprojekt betrachten: Männer wie Frauen aus starren Systemen zu befreien, die Liebe, Empathie und gemeinsame Menschlichkeit einschränken. 

Das ist leichter gesagt als getan. Schließlich hat es handfeste Gründe, weshalb das Patriarchat in vielen afrika­nischen Gesellschaften so lange bestehen konnte. Auch wenn afrikanische Männer einen Preis dafür zahlen – ihre Privilegien sind immens. Hinsichtlich Bezahlung, Macht und Sicherheit sind sie weiterhin besser gestellt als Frauen. Manchen mögen die Vorteile so groß erscheinen, dass sie die negativen Aspekte verschleiern. Für andere mögen die Privilegien den Schaden sogar überwiegen.

Aus psychologischer Sicht wären afrikanische Männer jedoch ohne die Nachteile des Patriarchats wesentlich besser dran. Die Abschaffung traditioneller patriarchaler Normen würde afrikanischen Männern die Freiheit geben, ihre Gefühle zu zeigen, ohne sich zu schämen, und Hilfe zu suchen, ohne stigmatisiert zu werden. Sie könnten gute Väter sein, ohne Abstriche zu machen, und ihren Wert nicht allein an Geld oder Dominanz messen: Ihr Leben wäre erfüllter, gesünder und besser mit anderen verbunden. 

Nicht zuletzt würde es die Gesellschaft für alle gerechter und lebenswerter machen, wenn afrikanische Männer ihre Vorstellungen von Männlichkeit änderten. In Gesellschaften mit größerer Geschlechtergleichheit gibt es weniger Gewalt, ein höheres Glücksniveau und eine bessere Gesundheit aller, einschließlich der Männer. Mit anderen Worten: Geschlechtergleichheit ist kein Nullsummenspiel, sondern schafft gesündere und nachhaltigere Gesellschaften.

 

Eine neue Vision von Männlichkeit

Es gilt also, Männlichkeit neu zu definieren – und zwar so, dass damit Männern, Frauen und der Gesellschaft allgemein gedient ist. Die psychologische Forschung legt nahe, dass neue Modelle von Männlichkeit emotionale Offenheit, gegenseitigen Respekt, Fürsorge und Gewaltfreiheit betonen sollten. Das sind keine „unmännlichen“ Eigenschaften, sondern schlicht menschliche.

Die gute Nachricht ist, dass sich der Wandel in vielen Teilen Afrikas in die richtige Richtung bewegt. Neben den erwähnten Veränderungen im Diskurs gibt es etwa auch zunehmend Forderungen nach Vaterschaftsurlaub im Beruf – ein sehr wichtiger Schritt hin zu echter Geschlechtergleichheit. 

Allerdings verläuft kultureller Wandel tendenziell nicht gleichmäßig, und so gibt es in Afrika wie auf der ganzen Welt Gegenbewegungen, die wieder patriarchale Ideale etablieren wollen. Daher ist die aktive Beteiligung afrikanischer Männer besonders wichtig. Sie dürfen den Kampf gegen das Patriarchat nicht allein den afrikanischen Frauen überlassen. Stattdessen sollten sie ihr Umfeld konfrontieren, wenn es sich sexistisch äußert, sich auf politischer Ebene für bessere Angebote zur Kinderbetreuung einsetzen und gesündere Formen der Männlichkeit vorleben. Solche Bemühungen erfordern Mut, belohnen aber auch mit echter Verbindung, besserer Gesundheit und einer gerechteren Gesellschaft.

Links

Ezeugwu, C. R., und Ojedokun, O., 2020: Masculine norms and mental health of African men: What can psychology do? Heliyon, 6(12), e05650. 

Mogano, N. T. H., Letsoalo, D. L., und Oduaran, C. A., 2025: Effects of masculine culture on the mental health of Northern Sotho male youth. BMC Psychology 13, Article 605. 

Equimundo, IMAGES, 2022: Men and gender equality in Africa. A regional status report in 10 headlines. 

Oluyinka Ojedokun ist Professor für Sozial- und Umweltpsychologie sowie sozialwissenschaftliche Forschungsmethoden an der Adekunle Ajasin University in Nigeria und der University of Pretoria in Südafrika.   
oluyinka.ojedokun@aaua.edu.ng 

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