Entwicklung und
Zusammenarbeit

Frauenrechte

Unterstützung traumatisierter Frauen und Mädchen im Irak

Viele Menschen in der konfliktgeprägten kurdischen Region des Irak leiden unter Traumata. Die zivilgesellschaftliche Organisation medica mondiale arbeitet mit Frauen und Mädchen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind.
Frauen im Kampf gegen die Terrormiliz IS im Irak 2014: Der Konflikt hat sowohl körperliche als auch seelische Wunden hinterlassen. dpa/Middle East Images/Younes Mohammad
Frauen im Kampf gegen die Terrormiliz IS im Irak 2014: Der Konflikt hat sowohl körperliche als auch seelische Wunden hinterlassen.

Gewalttätige Konflikte zerstören nicht nur Infrastruktur, sondern hinterlassen auch verletzte Herzen und Körper, gezeichnet von sichtbaren und unsichtbaren Narben. Traumata gehen einher mit schmerzhaften Emotionen, etwa Scham, Schuldgefühlen, Selbstvorwürfen, Hilflosigkeit und Ohnmacht. Sie wirken sich auch negativ auf die Art und Weise aus, wie Menschen denken, fühlen und mit anderen umgehen.

Die kurdische Region im Nordosten des Irak hat zahlreiche Konflikte erlebt, von der genozidalen Politik des Regimes von Saddam Hussein Ende der 1980er-Jahre bis zur Invasion durch die Terrororganisation IS 2014. Jedes dieser Ereignisse hat tiefe Traumata in der Bevölkerung hinterlassen.

Bei der Frauenrechtsorganisation medica mondiale wissen wir, dass Überlebende ihr Trauma überwinden können, wenn sie in einem empathischen, unterstützenden und vorurteilsfreien Umfeld die Hilfe erhalten, die sie brauchen. Seit 2015 arbeiten wir in der kurdischen Region des Irak und unterstützen Frauen und Mädchen, die Schreckliches erlebt haben, beispielsweise sexualisierte Gewalt. In Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen schaffen wir Räume, in denen diese Frauen und Mädchen ihre Stärken wiederentdecken und einander sowie auch andere unterstützen können.

Stress- und traumasensibler Ansatz

Unsere Arbeit basiert auf unserem „stress- und traumasensiblen Ansatz“ (STA). Dieser bietet Frauen und Mädchen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind, einen niedrigschwelligen Zugang zu Unterstützung, unter anderem durch Einzel- und Gruppenberatung. Der Ansatz hilft dabei, eine stress- und traumasensible Perspektive auf verschiedenen Angebotsebenen zu etablieren, etwa im Gesundheitswesen und in der Sozialarbeit. Er ist so konzipiert, dass er auch in Umgebungen mit geringen Ressourcen funktioniert, und wurde in Zusammenarbeit mit den Partnerorganisationen von medica mondiale im Kosovo, in Bosnien und Herzegowina, in Afghanistan und in Liberia entwickelt. Der Ansatz wird in Schulungen vermittelt und kontinuierlich an die fachlichen und regionalen Bedürfnisse angepasst und weiterentwickelt.

Der STA sensibilisiert unser Personal und andere Mitwirkende, damit sie angemessen auf traumatisierte Frauen reagieren können. Diese stress- und traumasensible Perspektive fördert Empathie und Verständnis. Wir sind uns der tiefgreifenden Auswirkungen von Traumata durch sexualisierte Gewalt bewusst und wissen, dass sie Gefühle der Unsicherheit, Entfremdung, Ohnmacht und Isolation hervorrufen. Indem wir Sicherheit, Vertrauen, Verbundenheit und Solidarität priorisieren, bestärken wir Frauen und Mädchen auch darin, für ihre Rechte einzustehen.

Sexualisierte Gewalt

Im Krieg wie im Frieden

Den Unterstützer*innen helfen

Der STA sorgt auch dafür, dass diejenigen, die gewaltbetroffene Menschen unterstützen, ihrerseits stabil bleiben. Dies ist von entscheidender Bedeutung, da Mitarbeitende und Psycholog*innen oft mit Gräueltaten konfrontiert sind, wenn sie Überlebenden dabei helfen, ihre Erfahrungen zu verarbeiten. In der kurdischen Region des Irak sind viele Helfende selbst Überlebende eines Traumas. Die Arbeit mit anderen von Gewalt betroffenen Personen kann ihre eigenen Erfahrungen wachrufen und zu emotionaler Belastung führen, etwa in Form von Mitgefühlsmüdigkeit (Compassion Fatigue), Burnout und sekundärer Traumatisierung. Sekundäre Traumatisierung bezeichnet eine emotionale Notlage, die Menschen erleben können, die andere unterstützen, wobei die physischen und psychischen Symptome denen ähneln, die bei Überlebenden eines primären Traumas beobachtet werden.

Die Unterstützung von Fachkräften und Aktivist*innen ist unerlässlich – nicht nur für ihr eigenes Wohlbefinden, sondern auch, damit sie weiterhin anderen helfen können und zugleich sich selbst sowie ihre eigenen Grenzen und Bedürfnissen im Blick behalten. Aus diesem Grund konzentriert sich die Arbeit von medica mondiale in der Region auf die Förderung von Selbstfürsorge und Mitarbeitendenfürsorge bei Kooperationspartnern. Genauso wie man aus einer leeren Tasse nichts ausgießen kann, können wir nicht gut für andere da sein, wenn wir nicht für uns selbst sorgen. 

Der STA geht jedoch über individuelle Unterstützung hinaus. Eine der Kernaufgaben von medica mondiale ist es, die Ursachen sexualisierter Gewalt zu bekämpfen. Wir setzen uns damit auseinander, wie patriarchale Strukturen Gesellschaften prägen, wie Ungleichheit normalisiert wird, wie Überlebende zum Schweigen gebracht werden und wie Gewalt fortbesteht. Wir konzentrieren uns darauf, dafür zu sensibilisieren, das Schweigen zu brechen und Systeme infrage zu stellen, die Gewalt ermöglichen. Die Erkenntnis, dass Gewalt Familien, Gemeinschaften und ganze Gesellschaften zerstört, ist der Schlüssel dazu, ein heilsames Umfeld zu fördern und weiteren Schaden abzuwenden – im Irak und weltweit.

Link
medica mondiale, STA – stress- und traumasensibler Ansatz: 
medicamondiale.org/gewalt-gegen-frauen/trauma-und-traumabewaeltigung/trauma-arbeit-stress-und-traumasensibler-ansatz

Haneen Masoud ist Therapeutin und Trauma-Expertin mit einem Fokus auf psychische Gesundheit und geschlechtsspezifische Gewalt. Sie arbeitet mit medica mondiale in der kurdischen Region des Irak zusammen.
presse@medicamondiale.org

Wenn Sie darüber nachdenken, sich das Leben zu nehmen, sprechen Sie mit Freund*innen oder Familienangehörigen darüber und suchen Sie sich professionelle Unterstützung. In Deutschland ist beispielsweise die Telefonseelsorge Tag und Nacht erreichbar unter den Nummern 0800 1110111 oder 0800 1110222. Internationale Suizidhotlines finden sich hier: 
https://blog.opencounseling.com/suicide-hotlines/

Relevante Artikel

Neueste Artikel

Beliebte Artikel