Interview

„Demokratie hat in Ruanda keine Chance“

Im August wurde Ruandas Präsident Paul Kagame mit überwiegender Mehrheit wiedergewählt. Ernstzunehmende Herausforderer gab es nicht – die drei zugelassenen Gegenkandidaten hat­ten Kagame bei der vorigen Wahl noch unterstützt. Peter Molt, der das Land seit langem kennt, sprach mit E+Z-Redakteurin Claudia Isabel Rittel.

Kagame ist seit zehn Jahren Präsident und nun für die nächsten sieben Jahre wieder gewählt. Was wird in dieser Zeit geschehen?
Er wird so weitermachen wie bisher. Aber er wird die grundlegenden Probleme nicht lösen können, die sich nicht nur in Ruanda selbst, sondern auch für sein Verhältnis zu den Nachbarländern stellen. Denn er will kein bisschen seiner Macht abgeben. So aber wird es aber keine dauer­haften Lösungen geben.

Dank der guten wirtschaftlichen Entwicklung Ruandas soll Kagame breiten Rückhalt in der Bevölkerung haben. Warum hat er trotzdem die Opposition ausgeschaltet?
Entweder, er ist extrem unsicher und hat befürchtet, dass er nicht die nötige Zustimmung bekommt. Oder er sieht die Wahlen ohnehin nur als Ritual. Wahrscheinlich letzteres.

Hat denn die Demokratie in Ruanda überhaupt eine Chance?
Nein. Das hat sie nicht. Denn die Spaltung der Gesellschaft darf ja nicht angesprochen werden. Es ist strafbar, wenn man von Hutu und Tutsi spricht. Gleichzeitig legitimiert sich die jetzige Führung durch den Völkermord an den Tutsi. Doch sie ist nach wie vor ein Minderheiten­regime. Unter diesen Voraussetzungen hat Demokratie dort keine Chance.

Was für ein System braucht Ruanda dann?
Ein liberaleres autoritäres System, das die Gräben in der Gesellschaft wirklich überwinden will.

Die internationale Gemeinschaft schätzt und unterstützt Kagame sehr. Macht der Westen sich da unglaubwürdig?
Das glaube ich nicht. Herr Kagame ist einer der führenden Staatsmänner in Afrika. Es gibt da wenig andere, die ähnlich zielstrebig sind. Außerdem gibt es keine Alternative zu ihm. Das Problem ist, dass es in der ganzen Region wenig Hoffnung gibt, die Menschenrechte zu verwirklichen – nicht nur in Ruanda, sondern auch in den Nachbarländern. Vor allem in der
Demokratischen Republik Kongo.

Geht die Rechnung, wirtschaftliche Entwicklung auf Kosten der Bürgerrechte voranzubringen, auf?
Für die Mittel- und Oberschicht schon. Das Hauptproblem aber ist: In Ruanda leben etwa acht Millionen Kleinstbauern. Und Kagame hat kein Konzept, wie die Landwirtschaft produktiver gemacht werden kann und gleichzeitig neue Arbeit für die Masse der Armen geschaffen werden kann. Das Land ist enorm überbevölkert und die Bevölkerung wächst weiter. Insofern wird er zwar beschränkte Erfolge haben. Aber eine realistische Vision für die Zukunft seines Landes hat er nicht.

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