Welthandel: Von Fairness weit entfernt

Joseph E. Stiglitz und Andrew Charlton:
Fair Trade.
Agenda für einen gerechten Welthandel.
Murmann Verlag, Hamburg 2006, 375 S.,
28,50 Euro, ISBN 3-938017-63-5

Die laufende WTO-Verhandlungsrunde soll vorgeblich die Welthandelsregeln entwicklungsfreundlicher machen. Was das aus Sicht der Wirtschaftswissenschaft heißt, untersuchen Stiglitz und Charlton. Zunächst erklären sie, was man über den Zusammenhang von Handel und Entwicklung weiß. Für Länder mit hoher Arbeitslosigkeit – also für typische arme Länder – ist ihnen zufolge eine schnelle Handelsöffnung eher schädlich. Sinnvoll ist eine langsame und selektive Liberalisierung im Verbund mit staatlicher Wirtschaftsförderung, wie ostasiatische Länder es vorgemacht haben.
Dann werfen sie einen Blick auf die Geschichte des Welthandelsregimes und machen deutlich, dass dieses die Entwicklungsländer krass benachteiligt. Um für mehr Fairness zu sorgen, sollen laut Stiglitz und Chalton die reichen Länder ihre Märkte öffnen, ohne armen Ländern den Einsatz von Schutzinstrumenten wie Zöllen und Investitionsregeln zu verbieten.

Das Buch schlägt eine asymmetrische Öffnung des Güterhandels vor: Jedes Land verpflichtet sich, Importe aus Ländern, deren Sozialprodukt absolut und pro Kopf niedriger ist als das eigene, von Zöllen zu befreien. Dies würde auch die hohen Handelsschranken im Süd-Süd-Handel senken. Die Industrieländer sollen zudem ihre Agrarsubventionen beseitigen und Dumpingzölle sowie befristete Schutzmaßnahmen stark einschränken.

Weitere Öffnungen der Dienstleistungsmärkte, Schutzklauseln für Auslandsinvestitionen und Regeln für das öffentliche Beschaffungswesen sollten laut dem Buch nicht Teil der Verhandlungen sein. In diesen Bereichen sind laut Stiglitz und Charlton ganz andere Schritte entwicklungsfördernd: Man sollte die Migration von ungelernten Arbeitskräften erleichtern, Steuernachlässe für Investoren einschränken und anonyme Bankkonten, die Korruption begünstigen, verbieten.

Das Buch schätzt die Folgen einzelner Liberalisierungsschritte für verschiedene Länder und soziale Gruppen differenziert ab. Dabei wird deutlich, wie unsicher hier viele Prognosen sind. Die politischen Motive der Handels- und Wirtschaftspolitik werden weitgehend ausgeblendet. Die abgewogenen und fundierten Argumente machen aber klar, dass sowohl die Forderungen der Industriestaaten nach mehr Liberalisierung als auch ihre handelspolitische Praxis in krassem Gegensatz zum Anspruch stehen, Entwicklung zu fördern.

Bernd Ludermann

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