Militärputsch

Was pro-russische Proteste in Westafrika bedeuten

Burkina Fasos zweiter Militärputsch in acht Monaten zeigt, dass sich die Sicherheitskrise der Sahelzone zuspitzt.
Russische Flaggen bei einer Pro-Putsch-Kundgebung in Ouagadougou Mitte Oktober. Russische Flaggen bei einer Pro-Putsch-Kundgebung in Ouagadougou Mitte Oktober.

Ende September ergriff Ibrahim Traoré, ein Hauptmann der Armee, die Macht von Paul-Henri Sandaogo Damiba, einem Oberstleutnant. Damiba hatte im Januar den zivilen Präsidenten Roch Marc Christian Kaboré gestürzt.

Wie Damiba zuvor, verspricht nun auch Traoré, das Land vom Terrorismus zu befreien. Islamistische Aufständische richten im Norden des Landes Unheil an. Im Oktober kontrollierten sie etwa 40 Prozent des Landes. Unter Damiba ging es weiter bergab. Die wachsende Frustration der Bevölkerung nutzen Traoré und seine Verbündeten im Militär. Ihr Staatsstreich passt in das jüngste Muster, dass Offiziere putschen, weil sich die Sicherheitslage verschlechtert (siehe Vladimir Antwi-Danso auf www.dandc.eu).

Burkina Faso ist ein armes Land mit einer Bevölkerung von etwa 19 Millionen Menschen. Massen leben von der Hand in den Mund. Die Umweltkrise macht es immer schwerer, ein Auskommen zu finden. Viele begrüßten daher Traorés Entscheidung, Lebensmittel in die von Dschihadisten gehaltene Stadt Djibo zu fliegen. Dort ist die humanitäre Lage ernst.

Spannungen innerhalb der Armee

Traoré steht vor großen Herausforderungen. Das Militär ist gespalten. Hochrangige Offiziere genießen Vorteile, während die Truppen schlecht ausgerüstet sind. An der Front fehlt es manchmal sogar an Nahrung und Munition.

Zudem gibt es schon lange Machtkämpfe in den Streitkräften. 1987 stürzte Blaise Compaoré den charismatischen linken Militärdiktator Thomas Sankara. Compaoré war Sankaras Verbündeter, bis er sich gegen ihn stellte, ihn töten ließ und selbst Militärdiktator wurde. Compaoré stützte sich auf seine „Präsidentengarde“, die hauptsächlich aus Männern seiner Ethnie bestand. Es hieß, er habe Dschihadisten Schutzgeld bezahlt, damit sie das Land jahrelang verschonten.

2014 verlor Compaoré die Macht wegen einer Volksbewegung. Dennoch scheiterte der Versuch, eine funktionierende Demokratie zu schaffen. Traditionelle Führungspersönlichkeiten haben ohne Verfassungsrolle großen Einfluss. Wenn es schwierig wird, unterstützen sie tendenziell die Militärherrschaft. Viele fühlen sich zudem seit Jahren ignoriert.

Feiern des Staatsstreichs

Im Oktober feierten junge Menschen den Staatsstreich. Russische Flaggen wurden geschwenkt. Manche hoffen wohl, die paramilitärische Wagner-Gruppe und andere von Moskau unterstützte Organisationen könnten helfen, die Dschihadisten einzudämmen.

Am besten lässt sie die prorussische Haltung aber mit antifranzösischen Gefühlen erklären. Sie sind in ganz Westafrika stark. Die Menschen kennen die repressive Kolonialgeschichte und ärgern sich über die engen Beziehungen, die französische Präsidenten jahrzehntelang zu korrupten afrikanischen Amtskollegen – wie Compaoré in Burkina Faso – unterhielten. Gewalt eskaliert zudem in der Sahelzone, zunächst vor allem in Mali, seit mit dem Sturz von Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi 2011 massenhaft Waffen verfügbar wurden. Damals waren Nicolas Sarkozy und David Cameron, die damaligen Spitzenpolitiker Frankreichs und Britanniens, die Hauptprotagonisten der von den UN beschlossenen Intervention, die zu Gaddafis Ende führte, aber die folgenden Sicherheitsprobleme nicht in den Griff bekam.

Heute gilt Frankreich als schwächelnde, mittlere Macht, deren Anti-Dschihad-Einsatz in Mali gescheitert ist. Auch dort herrscht jetzt eine Militärregierung. In der eskalierenden Sahelkrise empfanden viele Afrikaner die Haltung der französischen Truppen als herablassend (siehe Lori-Anne Theroux-Bénoni auf www.dandc.eu).

Die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS – Economic Community of West African States) hat keinen kohärenten Ansatz für den Umgang mit Militärregimen. Einige Spitzenpolitiker wie Macky Sall (Senegal) und Faure Gnassingbé (Togo) zeigen sich tolerant gegenüber deren harter Haltung. Präsident Alassane Ouattara aus Côte d’Ivoire hingegen sagt, dass er das Militär an der Macht nicht mag. Er findet, eine regionale Eingreiftruppe solle helfen, den Coups ein Ende zu setzen.

Burkina Faso braucht offensichtlich wirksame Unterstützung. Die Sicherheitslage ist ernst, und die Not der Menschen wächst.


Karim Okanla ist Mediendozent und freiberuflicher Autor in Benin.
karimokanla@yahoo.com

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