Kommentar

Wettlauf um die Zukunft

Im April haben Diplomaten in Bonn beim Sekretariat der UN-Klimarahmenkonvention erstmals seit dem Scheitern des Gipfels von Kopenhagen beraten, wie es weiter gehen soll. Saleemul Huq vom International Institute for Environment and Development in London sondiert die Lage.


[ Von Saleemul Huq ]

Angesichts des Scherbenhaufens von Kopenhagen besteht keine Aussicht mehr, alle Klimafragen in einen einzigen, umfassenden Vertrag zu packen. Das wäre gut gewesen, und die Hoffnung darauf war voriges Jahr berechtigt. Doch die Chance wurde verspielt – vor allem, weil die EU nicht als der Vorreiter auftrat, den sich viele Umweltschützer von ihr erhofft hatten.

Zwar versprachen die Europäer erhebliche Mittel für Forstangelegenheiten, Anpassung an den Klimawandel und Technologie – sie taten es aber viel zu spät, um die Gespräche noch in eine andere Richtung zu lenken. Am Ende summierten sich die gemeinsamen Zusagen der reichen Staaten auf insgesamt 30 Milliarden Dollar in drei Jahren. Hätten alle Beteiligten gewusst, dass so viel Geld zur Verfügung gestellt werden würde, wäre der Gipfel wohl glücklicher ausgegangen.

Die 30 Milliarden Dollar sind nun Teil des umstrittenen Copenhagen Accord, dem Übereinkommen, das eine kleine Gruppe wichtiger Klimasünder vereinbart hat. Der Accord muss nun mit früheren UN-Abkommen in Einklang gebracht werden. Schließlich hat der Gipfel dieses Dokument nur zur Kenntnis genommen, aber nicht beschlossen. Es ist nicht hilfreich, dass die USA nun alle Länder auf diesen Text einschwören wollen, während Bolivien eine internationale Front dagegen aufbaut.

Es eilt weiterhin mit dem Klimaschutz. Die internationale Staatengemeinschaft muss die Fäden schnell wieder aufnehmen und alles tun, was möglich ist. In den Bereichen Forstwirtschaft, Anpassung und Technologie dürften Abkommen leicht sein, und sie würden aus der Sackgasse herausführen. Deshalb sind sie ein vernünftiges Ziel für den Cancún-Gipfel Ende dieses Jahres. Die schwierigeren Fragen dagegen müssen warten. Dabei geht es darum,
– ob rechtsverbindliche Redaktionsziele festgelegt werden und
– wie ehrgeizig diese ausfallen.

Selbstverständlich kommt es auf die USA an. Präsident Barack Obama hat wohl auch nichts gegen verbindliche Ziele, zunächst muss aber der US-Kongress entsprechendes Recht schaffen. Die Entscheidung des Senats steht noch aus. Wenn die USA sich auf verbindliche Reduktionsziele einlassen, dürften die großen Schwellenländer – China und Indien beispielsweise – ebenfalls mitspielen. Da aber die USA kaum ehrgeizige Ziele akzeptieren werden, bleibt die politische Auseinandersetzung mit Sicherheit hart.

Der Klimawandel gehört bei jedem internationalen Treffen auf die Tagesordnung. Es wäre zum Beispiel gut, wenn die G20 eine Initiative zum Klimaschutz ergriffen. Das ist schließlich der Klub der schlimmsten Treibhaussünder. Weil aber die am härtesten betroffenen Staaten keinen Einfluss innerhalb der G20 haben, bleiben die UN das einzige legitime Forum für globale Abkommen.

Natürlich bedroht der Klimawandel auch die G20-Nationen. Hurrikan Katrina war ein dramatisches Beispiel dessen, was künftig droht, wenn die Menschheit den Klimawandel nicht stoppt. Leider verdrängen die Spitzenpolitiker der G20 die Verwundbarkeit ihrer Länder noch immer. Sie denken nur in der Kategorie verhinderten Wachstums.

Dass die EU in Kopenhagen keine Führungsrolle wahrgenommen hat, ist bedauerlich. Das heißt aber nicht, dass wir sie aufgeben sollten. Statt auf ökonomische Bedenkenträger zu hören, muss die Weltgemeinschaft einen Wettlauf in die Zukunft starten.

Die EU sollte deshalb einseitig und bedingungslos beschließen, ihre Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 30 Prozent zu senken. Das wäre der richtige Schritt. Bisher versprechen die Europäer 20 Prozent Reduktion und wollen nur dann mehr leisten, wenn andere mitziehen. Sie bleiben also der Lastenlogik verhaftet. Gewinnen wird aber, wer als erster in die Zukunft startet – und zwar nicht nur politisch, sondern auch ökonomisch.

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