Chile

Energiewende ohne Subventionen

Chile baut seine Stromversorgung auf erneuerbare Energien um, steigt aus der Kohle aus und setzt auf grünen Wasserstoff für eine CO2-neutrale Wirtschaft bis 2050. Damit kann es anderen Schwellenländern als Vorbild dienen.
Photovoltaik-Anlagen in der Atacama-Wüste. GIZ-4E-Chile Photovoltaik-Anlagen in der Atacama-Wüste.

Noch bis vor etwa 15 Jahren hing die Stromversorgung Chiles größtenteils von Gasimporten aus Argentinien ab. Diese endeten 2007 unvermittelt aufgrund der Versorgungskrise in Argentinien. Um die Stromversorgung – insbesondere der Kupferabbaubetriebe im Norden Chiles – zu sichern, wurden dort Dieselkraftwerke errichtet und schrittweise durch günstigere Kohlekraftwerke ersetzt.

Die Nutzung erneuerbarer Energien hatte damals noch keine Priorität. Dabei besitzt Chile in der Atacama-Wüste die weltweit höchste Solareinstrahlung und vor allem im Süden des Landes ideale Standorte für Windenergie. Doch Unwissenheit und Misstrauen gegenüber den neuen Technologien bestimmten den Energiemarkt. Das änderte sich durch eine Studie der GIZ, die Chile im Auftrag des Bundesumweltministeriums (BMU) bei der Energiewende berät. Eine detaillierte Analyse der Erneuerbare-Energien-Potenziale gab die notwendige Planungssicherheit für deren Ausbau. Demnach verfügt Chile über ein realistisches Potenzial von mehr als 1 865 Gigawatt (GW) Kapazität aus Wind-, Solar- und Kleinwasserkraft. Dies ist in etwa das 75-Fache der derzeit installierten Stromerzeugungskapazität von rund 25 GW.

Durch zahlreiche Expertendiskussionen und den intensiven Austausch mit deutschen Stromnetzbetreibern sind die anfangs noch skeptischen chilenischen Netzbetreiber und andere wichtige Akteure des Energiesektors zu großen Befürwortern der Erneuerbaren geworden. In der Folge, und nicht zuletzt aufgrund fallender Technologiepreise, verzeichnete Chile von 2015 bis 2018 prozentual den weltweit größten Ausbau erneuerbarer Energien im Stromsektor – und zwar ohne staatliche Subventionen. Aktuell kommt rund ein Fünftel des Stroms aus fluktuierenden erneuerbaren Quellen (Sonne, Wind, Kleinwasserkraft); große Wasserkraft mit eingerechnet sind es 45 Prozent.


Grüner Wasserstoff

Im nächsten Schritt ging es darum, auch andere Sektoren außer Strom nachhaltig zu gestalten. Seit 2015 laufen Aktivitäten im Bereich grüner Wasserstoff, der mittels Elektrolyse aus erneuerbarem Strom hergestellt wird. In Chile ist das heute fast schon wirtschaftlich. Somit kann Wasserstoff einen Beitrag zur Reduktion von Treibhausgasen im Energiebereich, in der Industrie und im Transport leisten und zur Klimaneutralität des Landes bis 2050 beitragen. Zudem könnte grüner Wasserstoff zum neuen Exportschlager Chiles neben Kupfer werden. Derzeit unterstützt die GIZ die chilenische Regierung bei der Erarbeitung einer nationalen Wasserstoffstrategie, die für Ende 2020 angekündigt ist. Deutschland hat ebenfalls in diesem Jahr eine nationale Wasserstoffstrategie vorgelegt und kann neben afrikanischen Staaten wie Marokko auch Chile als Lieferanten für grünen Wasserstoff oder dessen Derivate in Betracht ziehen.

Ein weiteres spannendes Thema ist Chiles schrittweiser Ausstieg aus der Kohle, der parallel zum Erneuerbaren-Ausbau und in enger Abstimmung mit der Industrie erfolgt. Fast zwei Drittel der Kohlekraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 5 529 Megawatt sind erst weniger als zehn Jahre in Betrieb. Trotzdem haben sich die Kraftwerksbetreiber freiwillig und ohne staatliche Zuschüsse zur Beendigung der Kohleverstromung bis 2040 verpflichtet.

Gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und zwei Kohlekraftwerksbetreibern analysiert die GIZ nun, ob die stillzulegenden Kohlekraftwerke zu thermischen Energiespeichern für Sonnen- und Windenergie umgebaut werden können. So könnte ein Großteil der vorhandenen Infrastruktur weiter genutzt und die Abschaltung der Kraftwerke beschleunigt werden. Die Erfahrungen aus Chiles Kohleausstieg können für viele Schwellenländer von Nutzen sein. Und die mit deutscher Hilfe erfolgte Energiewende in dem südamerikanischen Land ist auch ein gutes Beispiel für erfolgreiche internationale Zusammenarbeit.


Rainer Schröer leitet das Programm für erneuerbare Energien und Energieeffizienz der GIZ in Chile.
rainer.schroeer@giz.de

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