Welthandel
Die US-Zölle werden die wirtschaftlichen Krisen im Globalen Süden noch verschärfen

Seit März 2025 gehören die „Zollkriege“ des US-Präsidenten zu den meistdiskutierten Themen in den globalen Medien. Donald Trump behauptet im Wesentlichen, der Rest der Welt habe aufgrund des globalen Zollsystems jahrzehntelang Vorteile gehabt. Dies sei „sehr unfair“ gegenüber den USA gewesen und habe die US-Wirtschaft erheblich geschwächt.
Tatsächlich waren die USA bis 2024 fast zwei Jahrzehnte lang der weltweit größte Importmarkt. Die durchschnittlichen Zölle auf internationale Waren lagen in der Regel bei zwei bis drei Prozent. Das hat sich zuletzt drastisch geändert.
Wieso verhängt Donald Trump immer neue Zölle?
Am 2. April 2025 sprach US-Präsident Donald Trump vom „Befreiungstag“, als er neue Zollsätze für mehr als hundert Länder ankündigte, die in die USA exportieren – darunter auch Länder der Europäischen Union. Einige dieser Zollsätze wurden später wieder deutlich verändert, was zu großem Chaos und großer Unsicherheit geführt hat.
Donald Trump und seine Regierung setzen Zölle als Waffe im Welthandel ein, um eine Reihe unterschiedlicher Ziele zu erreichen. Sie möchten:
- zumindest zum Teil die verlorene Vormachtstellung der USA in der Realwirtschaft wiederherstellen, die unter anderem mit der schwächelnden verarbeitenden Industrie zusammenhängt,
- den BRICS-Block schwächen, den sie als Bedrohung ansehen,
- die Wirtschaftssanktionen gegen Russland durchsetzen und verhindern, dass andere Länder weiter mit Russland handeln,
- mehreren Ländern „eine Lektion erteilen“ für ihre „mangelnde Loyalität“ gegenüber den USA und dem Globalen Norden allgemein.
Bei keinem der oben genannten Gründe jedoch lässt sich ein kohärenter Umgang mit den jeweiligen Ländern erkennen. Ein Beispiel: China und die EU haben seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine mehr aus Russland importiert als Indien. Indien aber wird – angeblich wegen seines Ölhandels mit Russland – mit einer „Strafe“ in Form von 25-prozentigen Zöllen belegt. Diese kommen auf die am 2. April 2025 angekündigten 25 Prozent noch obendrauf.
Was China betrifft, so wurde der erstaunlich hohe Zollsatz von 145 %, den die USA am 9. April verhängt hatten, im Nachgang wieder deutlich gesenkt. Bis zum 11. August sank er auf 30 %, was nur noch fast ein Fünftel des ursprünglichen Satzes ist.
Chinas Marktmacht kann auch Trump nicht ignorieren
China hat sich in den letzten Jahrzehnten zur „Fabrik der Welt“ entwickelt – mit beeindruckender Infrastruktur, enormen Skaleneffekten und technologischem Know-how. Laut der Weltbank-Datenbank World Integrated Trade Solution (WITS) hatte es 2022 einen Anteil von 24,9 % am weltweiten Export von Maschinen und Elektroartikeln und lag damit weit vor den USA mit einem Anteil von sieben Prozent. Bei den weltweiten Textil- und Bekleidungsexporten hatte China einen Anteil von 36,3 %. Indien, die andere viel diskutierte aufstrebende globale Wirtschaftsmacht, kam bei Maschinen und Elektroartikeln lediglich auf 0,9 % und bei Textilien und Bekleidung auf 4,4 %.
Das zeigt: China hat in mehreren Branchen einen massiven, fast uneinholbaren Vorsprung. Und, was noch wichtiger ist: Es hat in mehreren Sektoren einen starken Einfluss auf das globale Produktionssystem sowie enorme Kontrolle über wichtige Rohstoffe. All dies könnte zu einem Umdenken der Trump-Regierung geführt haben und sie zu der oben erwähnten massiven Senkung der Zollsätze zwischen April und August 2025 bewegt haben.
Die Zölle verschärfen Wirtschaftskrisen im Globalen Süden
Auch für einige andere Länder hatte die Trump-Regierung im gleichen Zeitraum zunächst hohe Zölle angekündigt, sie dann aber doch wieder aufgeweicht. Dazu gehören Vietnam, Thailand, Bangladesch und Pakistan. Ihnen waren hohe US-Zölle angekündigt worden, die dann aufgeschoben oder wieder etwas gesenkt wurden. Für die meisten Länder des Globalen Südens aber ist jede Zollerhöhung schmerzhaft. Insbesondere für die ärmsten Länder sind die Einbußen hart.
Hinzu kommt, dass sich das globale Wirtschaftssystem von der Finanzkrise 2008 noch nicht wieder gänzlich erholt hat. Das globale Wachstum ist ungleichmäßig, die Staatsverschuldung vieler Länder ist gestiegen, und selbst fortgeschrittene Volkswirtschaften erleben einen Wachstumsrückgang.
Die Erhöhung der US-Zölle, die angeblich der Verbesserung der eigenen Wirtschaftslage dienen soll, könnte die Krise für den Rest der Welt verschärfen. Dies gilt insbesondere angesichts der Tatsache, dass die meisten Regierungen im Globalen Süden keine nennenswerten Ausgabenerhöhungen vornehmen, um die Nachfrage zu erhöhen und die Krise abzufedern.
Viele Länder des Globalen Südens sind auf den US-Markt angewiesen. Einige können nur dank ihrer niedrigen Produktionskosten bestehen. Jedes dieser Länder könnte gezwungen sein, die Löhne weiter zu drücken und eine Politik zu verfolgen, die unter Ökonomen als „Beggar-thy-neighbour“-Politik bekannt ist. Dabei wird versucht, den Handelsüberschuss zu maximieren. Dies könnte durch eine Abwertung der Landeswährung, Importbeschränkungen oder Exportförderung erreicht werden.
Bei steigenden Zöllen im Importland USA ist damit zu rechnen, dass die Nachfrage nach Exportgütern dort sinken wird. Dies wird die wirtschaftlichen Schwierigkeiten vieler Länder des Globalen Südens weiter verschärfen. Für sie steht viel auf dem Spiel.
Praveen Jha ist Wirtschaftsprofessor an der Jawaharlal Nehru Universität in Neu-Delhi.
praveenjha2005@gmail.com