Nicht-traditionelle Landwirtschaft

Legaler Cannabisanbau

Weltweit gelten strikte Gesetze, die den Anbau und den Konsum von Cannabis ver­bieten. Diese werden aber zunehmend hinterfragt. Uruguay ist das erste Land
der Welt, das Marihuana komplett legalisiert hat. Die Regierung behält allerdings die Kontrolle über alle damit verbundenen Aktivitäten.
Befürworter des neuen Gesetzes zur Legalisierung von Cannabis in Montevideo im Dezember 2013. F. Teigler/Lineair Befürworter des neuen Gesetzes zur Legalisierung von Cannabis in Montevideo im Dezember 2013.

Es war ein ungewöhnlicher Schritt, und er galt einer ungewöhnlichen Pflanze: Am 10. Dezember 2013 stimmte das uruguayische Parlament mit der Regierungspartei Frente Amplio für das Gesetz Nummer 19172, das die Produktion und Distribution von Marihuana legalisiert und reguliert. Obwohl laut einer Umfrage des Instituts Cifra 63 Prozent der Bürger gegen diese Reform waren, setzte die Regierung sie durch. Erklärtes Ziel ist, den Drogenhändlern den Markt kaputt zu machen.

Augenblicklich liegt die Nachfrage nach Marihuana in Uruguay bei schätzungsweise 18 bis 22 Tonnen pro Jahr. Dies entspricht einem Wert von 300 Millionen Dollar. Die Droge wird von etwa 120 000 Personen im Alter von 15 bis 64 Jahren konsumiert. Die Regierung hofft, innerhalb eines Jahres einen legalen Markt aufzubauen, der ein Viertel des lokalen Bedarfes deckt. Ein Gramm Marihuana kostet momentan 20 bis 22 uruguayische Pesos (weniger als ein Dollar) und wird in Apotheken verkauft. Dies öffnet die Tür für eine Reihe von Geschäftsmöglichkeiten. Momentan gibt es großes In­teresse bei heimischen Landwirten, aber auch seitens internationaler Unternehmen, die Lizenzen zur Produktion beantragen. Julio Calzada, Generalsekretär der staatlichen Junta Nacional de Drogas, sagt: „Es gibt sogar Fälle, in denen Regierungen anderer Länder eine Lizenz beantragen, um für den Export in ihre Länder zu medizinischen Cannabis Zwecken anzubauen."

Die nichtstaatliche Organisation Regulación Responsable befürwortet einen „offenen und ehrlichen Diskurs über Marihuana". Ihr Sprecher Martín Collazos erklärt, dass die Legalisierung lokalen Landwirten und Apotheken „neue Einkommensmöglichkeiten entlang der ganzen Wertschöpfungskette bietet". Dies ist auch die Hoffnung vieler armer Bauern, wie etwa Fabián Coitiño. Er meint, Cannabis sei „verglichen mit dem Getreide, das wir normalerweise anbauen, ein kommer­ziell hochwertiges Produkt".

Laut Gesetz 19172 kontrolliert der Staat im Detail jede Aktivität, die mit Cannabis und seinen Derivaten wie etwa Hanf zu tun hat. Für den Konsum definiert das Gesetz verschiedene Zwecke – medizinisch, Freizeitvergnügen et cetera. Das Gesetz regelt auch die Verwendung für andere Zwecke, etwas die Herstellung von Hanf. Die neue Regierungsbehörde heißt Institut zur Regulierung und Kontrolle von Cannabis (Instituto de Regulación y Control del Cannabis, IRCCA) und ist für all diese Dinge zuständig. Das IRCCA kümmert sich – wie gesetzlich vorgesehen – um „Anpflanzung, Züchtung und Bewirtschaftung, Ernte, Produktion, Weiterverarbeitung, Lagerung, Vertrieb und Verkauf von Cannabis". Das Institut ist auch für Maßnahmen zur Schadensminderung bei Missbrauch von Marihuana verantwortlich.

Das Gesetz definiert als „psychoaktives Cannabis" die Blütenspitzen der weiblichen Cannabispflanze, mit oder ohne Samen, mit einem natürlichen Tetrahydrocannabinol-Gehalt (THC) von mindestens einem Prozent. Um die Droge legal kaufen zu können, muss man älter als 18 Jahre alt sein, Staatsbürgerschaft von Uruguay haben und permanent im Land leben. Die Konsumenten können auf drei Arten Marihuana
beziehen:

Selbstanbau ist für den persönlichen Bedarf erlaubt, bis zu sechs Pflanzen von psychoaktivem Cannabis und mit einer jährlichen Produktion von nicht mehr als 480 Gramm. Dies ist nur mit Erlaubnis und unter Aufsicht des IRCCA zulässig.

Konsumenten-Clubs müssen vom Staat autorisiert sein und stehen unter permanenter Kontrolle des IRCCA. Sie müssen mindestens 15 und dürfen maximal 45 Mitglieder haben. Sie dürfen bis zu 99 Pflanzen mit psychoaktivem Cannabis haben. Das jährliche Lagervolumen ist proportional zu ihrer Mitgliederzahl mit maximal 40 Gramm pro Person und Monat.

Der kommerzielle Vertrieb läuft über die Apotheken mit staatlicher Lizenz. Erwachsene Uruguayer können dort psychoaktiven Cannabis kaufen, aber sie müssen ihre Fingerabdrücke registrieren lassen. Jedes Mal, wenn sie die Droge kaufen wollen, müssen sie ihren Ausweis zeigen und sich mittels Fingerabdruck identifizieren. Die maximale Menge pro Konsument beträgt 40 Gramm pro Monat.

Die Kontrolle liegt beim Staat. Dieser vergibt auch die Lizenzen für den Anbau von Cannabis und den Vertrieb in Apotheken. Beides ist nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt: Anbaugegend, Herkunftsort der Samen, technische Angestellte sind festgelegt genauso wie Regeln gegen Geldwäsche. Cannabisfelder dürfen jeweils nur bis zu 1,5 Hektar groß sein, mit einem Maximum von zehn Hektar pro Landwirt. Der Bauer ist dafür verantwortlich, das Marihuana direkt zu den Apotheken zu transportieren. Lizenzen werden nur befristet ausgestellt. Qualitätskontrolle und Verpackung unterliegen ebenfalls strengen Normen.

Landwirte dürfen Cannabis-Samen produzieren und verkaufen, wenn sie eine Lizenz dafür haben. Ausschließlich der Staat darf jedoch Samen aus dem Ausland importieren. Es ist auch legal, Cannabis für medi­zinische Zwecke oder pharmazeutische Forschung anzubauen. Diese Farmen werden wiederum vom
IRCCA und dem Gesundheitsministerium kontrolliert. Um Marihuana zur medizinischen Anwendung zu kaufen, muss der Patient ein Rezept haben wie für jedes andere Medikament auch.

Ende Dezember dieses Jahres wird der legale Anbau und Verkauf von Marihuana angelaufen sein. Dann wird sich zeigen, ob Uruguays Weg dazu taugt, das organisierte Verbrechen zu bekämpfen – und inwiefern Kleinbauern von den neuen Möglichkeiten profitieren.

 

Sebastián Artigas ist Wissenschaftler im Bereich Philosophie und Psychologie an der Universidad de la República in Montevideo, Uruguay.
seba.hombrepensativo@gmail.com

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