Wirtschaftsförderung

Chancen nutzen

Die Aid-for-Trade-Initiative (AfT) unterstützt Entwicklungsländer dabei, den Welthandel zu ihrem Vorteil zu nutzen und auf dem globalen Markt erfolgreich zu sein. Deutschland befindet sich in einer guten Position, um zu einem AfT-Vorreiter in der EU zu werden.


[ Von Petra Voionmaa und Michael Brüntrup ]

Durch Handelsliberalisierung wächst die Volkswirtschaft, durch Wachstum wiederum sinkt Armut – doch ganz so einfach ist die Gleichung meistens nicht. Deshalb rief die Welthandelsorganisation (WTO) 2005 die Initiative Aid-for-Trade (AfT) ins Leben: Sie basiert auf der Einsicht, dass Handel zwar der Königsweg zu Wirtschaftswachstum, Entwicklung und Armutsbekämpfung ist, dass Liberalisierung aber alleine nicht ausreicht, um Entwicklungsländern die produktive Teilnahme am Welthandel zu ermöglichen und eine armutsreduzierende Wirkung auszulösen. Daher brauchen diese Länder Hilfe, um Hindernisse bei der Produktion und Vermarktung von Gütern zu überwinden, ihre Infrastruktur auszubauen und in die Lage zu kommen, negative Auswirkungen der Handelsliberalisierung abzufedern.

Zum Start der AfT-Initiative machte neben den USA und Japan auch die EU konkrete Zusagen. Sie versprach, ihre AfT-Leistungen bis 2010 auf 2 Milliarden Euro pro Jahr anzuheben. Dieses Niveau wurde mit fast 2,2 Milliarden Euro bereits 2008 erreicht. Grundsätlich kommen die Kommission für eine Hälfte und die Mitgliedsländer für die andere Hälfte auf.

Die Zusage der EU bezieht sich allerdings nur auf „Trade-Related Assistance“ (TRA). Die TRA umfasst “Handelspolitik und Handelsvorschriften“ sowie „Handelsentwicklung“ – und somit nur die ersten beiden der insgesamt sechs AfT-Kategorien der WTO. Zum gesamten AfT-Konzept zählen außerdem
– handelsbezogene Infrastruktur,
– produktive Kapazitäten,
– handelsbezogene Anpassungen und
– sonstige handelsbezogene Bedürfnisse.

In diesen AfT-Bereichen versprach die EU lediglich, den Betrag mindestens im selben Ausmaß zu erhöhen wie die allgemeinen Leistungen der Enwicklungshilfe (ODA – official development assistance). Zudem bekräftigte sie im AfT-Kontext die Prinzipien der Paris Declaration on Aid Effectiveness, wozu etwa der Respekt vor der Verantwortung der Entwicklungsländer, die Nutzung ihrer Institutionen und Verfahren oder die enge Koordination der Geber gehören.

Umfassende Handelsförderung

Die einzelnen Komponenten der AfT-Initiative sind nicht neu, sondern meist klassische Bestandteile der Wirtschaftsförderung. Neu hingegen ist, dass diese Themen unter einem Dach gebündelt und in der Handelspolitik verankert wurden – im Kontext der WTO und in den Verhandlungen der EU mit den AKP-Regionen über Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs).

Im Gegensatz zur sozialpolitisch ausgerichteten Agenda der UN-Millenniumsziele (MDGs) betont AfT die Wirtschaftspolitik. In diesem Kontext sollten ODA-Mittel also wieder stärker produktive Sektoren fördern, nachdem die ODA-Leistungen in diesen Bereichen seit den 1990er Jahren sanken oder stagnierten. AfT wirft aber auch heikle Fragen auf, weil Geber- und Empfängerländer als Handelspartner durchaus unterschiedliche Interessen verfolgen.

AfT stellt die Gebergemeinschaft vor neue Herausforderungen. So sind etwa für die AfT-Themen in den Empfängerländern meist unterschiedliche Ministerien zuständig. Die Geber wiederum haben in der Entwicklungszusammenarbeit verschiedene Sektoren (etwa Wasser, Grundbildung oder Verwaltungsreform) definiert und entsprechend Verantwortung in den Partnerländern untereinander aufgeteilt. Sinnvolle AfT-Programme liegen aber häufig quer zu dieser Arbeitsteilung.

Potentieller Vorreiter

Zwischen 2001 und 2006 nahm Deutschland bei AfT-Leistungen unter den EU-Ländern den ersten Platz und international den dritten Platz ein – hinter Japan und den USA. 2007 beliefen sich die deutschen AfT-Leistungen auf insgesamt rund 1,2 Milliarden Euro.

Mit durchschnittlich jährlich 210 Millionen Euro für TRA (den ersten beiden AfT-Kategorien) in den Jahren 2005 bis 2007 hat Deutschland das selbstgesteckte Basisziel von 220 Millionen Euro als Beitrag zur EU-Zusage beinahe erreicht. Das Volumen schwankte dabei allerdings von Jahr zu Jahr beträchtlich. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass die Deutsche Entwicklungs- und Investitionsgesellschaft (DEG), die KfW-Tochter zur Förderung des Privatsektors in armen Volkswirtschaften, erst seit 2006 ihre Projekte auf AfT-Anteile untersucht und zuvor nichts zur AfT-Statistik beitrug. Relevant war aber sicherlich auch, dass AfT eher als Nebenprodukt der Entwicklungspolitik betrachtet wurde und kaum strategisch geplant oder gesteuert wurde.

TRA machte 20 Prozent der gesamten deutschen AfT aus, weitere 45 Prozent entfielen auf die AfT-Kategorie „Produktive Kapazitäten“ und 35 Prozent auf „Handelsbezogene Infrastruktur“. Der Fokus der deutschen AfT lag in Asien (Box), die wichtigsten Durchführungsorganisationen waren die KfW Bankengruppe und die GTZ.

Das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik hat in Fallstudien festgestellt, dass die AfT-Maßnahmen der Bundesrepublik besonders geschätzt werden, weil
– sie nah an lokalen Institutionen sind,
– ländliche Regionen einbinden,
– eine breite Palette an Instrumenten bilden und
– langfristig angelegt sind, was Vertrauen schafft.
Darüber hinaus ist natürlich bekannt, dass Deutschland eine erfolgreiche Exportnation ist, die über große Erfahrung im internationalen Handel verfügt. Schließlich ist der deutsche Markt für potentielle Exporteure aus Entwicklungsländern sehr interessant.

Die deutsche Entwicklungspolitik verfügt jedoch bisher über keinen konsistenten strategischen Ansatz zur Handelsförderung. Relevante Themen werden zwar oft in Vorhaben zur Privatsektor- und Agrarentwicklung aufgegriffen, selten jedoch decken die Programme alle Themen der Handelsförderung ab. Darüber hinaus sprechen sich die unterschiedlichen deutschen Durchführungsorganisationen noch immer nicht ausreichend ab. Dadurch sinkt die Effizienz – und die Ergebnisse sind weniger sichtbar. Den Partnern fällt es oft schwer zu erkennen, wer für welche Aufgaben zuständig ist. Die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Maßnahmen der Fusion der Institutionen der Technischen Zusammenarbeit und die engere Verzahnung ihrer Arbeit mit der KfW Bankengruppe weisen den richtigen Weg.

Indessen hat sich auch die Verbindung der nationalen und regionalen AfT-Maßnahmen als schwach erwiesen. Verbesserungsbedarf gibt es insbesondere bei der Analyse und dem Monitoring der Auswirkungen von AfT auf die Armutsentwicklung.

Ausblick

Die deutsche Entwicklungspolitik verfügt über eine Vielfalt an AfT-Instrumenten und über Erfahrung bei der Umsetzung. Das prädestiniert Deutschland dazu, seine AfT-Leistungen im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedsländern überproportional zu steigern und einen größeren Anteil an der EU-Zusage zu übernehmen. Eine solche Aufstockung muss allerdings sorgfältig, transparent und partizipativ erfolgen. Sinnvolle Leitlinien wären:
– AfT sollte nicht als alleinstehender Sektor behandelt, sondern als Querschnittsthema in bestehende Sektoren der deutschen Entwicklungspolitik integriert werden. Sonst drohen die Fragmentierung der Entwicklungspolitik und die Einengung des umfassenden AfT-Konzepts. AfT ist allerdings nicht nur für unmittelbar wirtschaftsnahe Sektoren relevant, sondern muss auch bei Themen wie Demokratie, öffentliche Verwaltung oder Umweltschutz mitbedacht werden..
– Deutschland sollte die AfT-Initiative dafür nutzen, seine Instrumente und Durchführungsorganisationen in den genannten Sektoren besser aufeinander abzustimmen.
– Die AfT-Maßnahmen sollten stärker auf das Ziel Regionale Integration ausgerichtet werden.
– Zusätzliche Mittel sollten vor allem Subsahara Afrika zugute kommen. Hier ist die regionale Integration noch gering und Wirtschaft und Handel sind wenig diversifiziert. Zudem würde der mühsame EPA-Verhandlungsprozess zwischen der EU und den AKP-Regionalbündnissen unterstützt.
– Die Auswirkungen von AfT auf die Armutsentwicklung sollten mit klaren Indikatoren überprüft werden. Die Geber sollten sich besser absprechen, insbesondere die Koordinierung der europäischen Entwicklungs- und Handelspolitik muss gestärkt werden. Das „Enhanced Integrated Framework“ für handelsbezogene Entwicklungszusammenarbeit, eine Initiative von sechs internationalen Organisationen (IWF, ITC, UNCTAD, UNDP, Weltbank und WTO), sollte verstärkt genutzt werden.

Bei all diesen Bestrebungen darf nicht vergessen werden, dass Armutsbekämpfung das Oberziel ist und Handel „nur“ ein – wenn auch wichtiger – Weg dorthin. Dementsprechend muss AfT fest in den nationalen und regionalen Wachstums- und Armutsreduzierungsstrategien verankert sein. Dann bietet AfT Entwicklungsländern die Chance, die Potenziale der Globalisierung besser zu nutzen und sich effektiver vor negativen Folgen von Handelsliberalisierung zu schützen.

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