Medien

Hartes Urteil

Ein aktueller Richterspruch gegen einen Zeitungsverleger und zwei Journalisten zeigt, dass die Pressefreiheit im Senegal nicht garantiert ist.
Schlagzeilenlektüre an einem Zeitungsstand in Dakar im Sommer 2009. Lissac/Godong/picture-alliance Schlagzeilenlektüre an einem Zeitungsstand in Dakar im Sommer 2009.

Der Strafgerichtshof in Dakar hat kürzlich angeordnet, die privatwirtschaftlich verlegte Zeitung Le Quotidien drei Monate lang zu schließen. Der Verleger Madiambal Diagne und zwei Journalisten wurden zu je einem Monat Gefängnis verurteilt. Außerdem sollen sie heftige Strafgelder zahlen. Der Jüngste ist ein französischer Praktikant, der das Land längst verlassen hat. Diagne und sein senegalesischer Mitarbeiter befinden sich aber weiterhin im Hoheitsgebiet, in dem Urteile ausgeführt werden.  

Das Gericht entschied, die drei Männer seien der Diffamierung schuldig. Angeklagt hatte sie Aliound Badara Cissé, ein hochrangiges Mitglied der Partei von Präsident Macky Sall und ehemaliger Außenminister mit dem weithin geläufigen Spitznamen ABC. ABC zog wegen der Quotidien-Berichterstattung über seine Entlassung im Juni vergangenen Jahres vor Gericht. Die Zeitung hatte ein Foto von ihm auf der Titelseite platziert und dazu geschrieben: „Aus der Regierung entlassen, in seiner Partei angegriffen und in die Minderheit gedrängt: ABC der Einsamkeit.“ Auf Seite 4 folgte dann ein langer Artikel.

Das Urteil überrascht aus mehreren Gründen:

  • Le Quotidien ist eine Qualitätszeitung mit guter Reputation. Sie gilt als ernsthaft, unabhängig und überparteilich.
  • Diagne ist der einflussreiche Vorsitzende des CDEPS, des Verbandes der senegalesischen Senderbetreiber und Zeitungsverleger.
  • Er ist ein früherer Justizangestellter, kennt sich in Rechtsdingen aus und seine Zeitung wird dem Vernehmen nach von Geschäftsleuten, Juristen und Diplomaten geschätzt.


Wichtiger ist allerdings, dass dieses Urteil Zweifel daran weckt, ob im Senegal wirklich Pressefreiheit herrscht. Seit der Demokratisierung vor 20 Jahren haben die Medien eine Revolution erlebt. Die Berichterstattung in Zeitungen, Fernsehen, Radio und Internet ist vielfältiger geworden – mit Blick auf die Inhalte und die schiere Quantität. Journalisten äußern viel offener Kritik als früher, und die Öffentlichkeit scheint das gut zu finden.  

Allerdings ist die Medienlandschaft eine Art Dschungel. Es gibt rund 15 allgemeinbildende Tageszeitungen, und zehn weitere haben sich auf Sport und Prominente spezialisiert. Wir haben mindestens zehn Wochen- und Monatsblätter,  30 Online-Zeitungen, 15 Fernsehsender und 150 Radioprogramme. Die Berichterstattung ist oft einseitig. Die Jagd nach Schlagzeilen und der Wunsch, das Produkt zu verkaufen, haben oft Vorrang vor Ethik und korrektem Verhalten.

Da eine Tageszeitung nur den Gegenwert von € 0,16 bis € 0,30 kostet, bringt der Verkauf keine hohen Umsätze. Es sind auch nur wenige Anzeigenkunden bereit, viel Geld für großflächige Werbung in den Printmedien auszugeben.

Angesichts der geringen Einnahmen bleibt es eine riesige Herausforderung, den Journalismus im Senegal zu professionalisieren. Verständlicherweise legen die Leute, die in den Nachrichten vorkommen (Politiker, Geschäftsleute, Künstler, Sportler und so weiter), darauf Wert, Journalisten zur Rechenschaft ziehen zu können, wenn sie deren Beiträge für verleumdend halten.

Deshalb haben die Behörden und professionelle Medienschaffende schon vor einiger Zeit einen neuen Medien-Kodex vereinbart. Seit zwei Jahren liegt er den Parlamentsabgeordneten vor. Das neue System baut ganz auf Strafzahlungen und verzichtet auf Haftstrafen. Leider verschleppt der Gesetzgeber die Verabschiedung. Abgeordnete sagen, sie wollten Journalisten „nicht ermutigen“ oder ihnen „einen besonderen bürgerrechtlichen Status“ verleihen.

Das aktuelle Urteil gegen Le Quotidien zeigt, dass die Richter ähnlich wie die Politiker Journalisten heran nehmen wollen. Es ist beunruhigend, dass die Zeitung, an der sie ihr Exempel statuieren, eine der seriösesten und am wenigsten sensationalistischen ist. Es wäre dagegen ein gutes Zeichen, wenn es gar nicht vollstreckt wird. Der Richterspruch würde gegenstandslos, wenn ABC und die Zeitung sich einigen, und Vermittler arbeiteten daran vermutlich schon als dieser Beitrag Mitte September verfasst wurde. Solch eine „magische Lösung“ wäre für Senegal nicht untypisch.

 

Update Januar 2015: Madiambal Diagne wurde nicht inhaftiert. Ein zweites Gericht erklärte das erste Urteil für nichtig, und Aliound Badara Cissé, der frühere Außenminister, hat den Fall danach nicht weiter verfolgt. Seine Vorstellungen von journalistischer Arbeit erläuterte Diagne Ende 2009 in einem Interview mit E+Z: http://www.dandc.eu/de/article/senegalesischer-verleger-erklaert-warum-qualitaetszeitungen-entwicklung-foerdern

(e+z)


Abdou Lo ist Geschäftsführer von Primum Africa Consulting in Dakar, Senegal.
abdoulo@primumafrica.com

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