Wasser

„Eine Notgemeinschaft“

Das Schwinden von Süßwasserreserven kann eine Chance für friedlichere Zusammenarbeit zwischen Nationen sein. Bei drohenden Konflikten im Zusammenhang mit Wasser darf nicht vergessen werden, dass die gesamte Menschheit gleichermaßen gefährdet ist.

„Wasser verbindet uns zu einer Notgemeinschaft.“ Für Ingeborg Baldauf, Professorin am Zentralasien-Seminar der Humboldt-Universität zu Berlin, ist die zunehmende Verknappung von Süßwasser ein Aufruf zur Zusammenarbeit zwischen den Nationen, die schwindenden Reserven zu schützen. Flüsse, Seen, Stauseen und Grundwasservorkommen halten sich nicht an nationale Grenzen. Ein nachhaltiges Management der lebenswichtigen Ressource erfordert daher einen Multi-Shareholder-Ansatz wie das „Integrated Water Resources Management“ (IWRM). Dabei werden ökologisch nachhaltige Maßnahmen für Wasserbecken oder Wasserscheiden entwickelt.

Weitsichtige IWRM-Programme sind notwendig. Angesichts des weltweiten Bevölkerungswachstums und globaler Klimaveränderungen wird vor gewalttätigen Auseinandersetzungen um Wasser gewarnt. Im Sudan hat die Verknappung des Trinkwassers in den letzten Jahren bereits zum Ausbruch ethnischer Konflikte beigetragen. Wenn traditionell getrennte soziale Gruppen gemeinsam verbleibende Wasserressourcen nutzen, könnte es noch häufiger zu derartigen Konflikten kommen.

Nach UN-Angaben haben mehr als eine Milliarde Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und mehr als 2,5 Milliarden Menschen nicht einmal zu sanitärer Grundversorgung. Besonders wenn diese beiden Faktoren gemeinsam auftreten, führen sie zu hohen Infektionsraten für durch Wasser übertragbare Krankheiten und, wie beim jüngsten Cholera-Ausbruch in Zimbabwe, zu Krankheit und Tod. Selbst dort, wo es sauberes Trinkwasser gibt, kann es durch Diskriminierung dazu kommen, dass der Zugang privilegierten Gruppen vorbehalten bleibt und sich soziale Ungleichheit verstärkt.

Auf einer Konferenz des Auswärtigen Amtes im März in Berlin forderte die Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende des UN Secretary General’s Advisory Board on Water and Sanitation (UNSGAB), Uschi Eid, mehr öffentliche Aufmerksamkeit für Wasserfragen. Laut Eid ist die Zurückhaltung, selbst bei dringenden Sanitärproblemen zu handeln, darauf zurückzuführen, dass es tabu ist, öffentlich über die Entsorgung von Fäkalien und Urin zu diskutieren. Staatliche Gelder und Entwicklungshilfe würden statt dessen für prestigeträchtige Projekte, wie den Bau von Trinkwasserbrunnen und die Aids-Prävention oder -Behandlung, ausgegeben.

In den Sanitärbereich wird chronisch zu wenig investiert – kaum mehr als 0,3 Prozent des globalen BIP. Das war auch eines der wichtigen Themen auf dem fünften Weltwasserforum in Istanbul.

Shaden Abdel-Gawad, Präsident des Ägyptischen Nationalen Wasser­forschungs­zentrums in Kairo, bezeichnet besonders die wachsenden Elendsviertel als problematisch. Sie stellen die Regierungen vor ein Dilemma, denn die Siedlungen sind zwar illegal, aber dennoch haben die Anwohner ein Recht auf Wasser. Das Wasserproblem in Kairo wird nur durch Nutzung des Nils zu lösen sein, was die Stadt aber von flussaufwärts gelegenen Anrainerstaaten abhängig macht. Glücklicherweise ist die Nilbecken-Initiative (Nile Basin Initiative), einschließlich der neun Anrainerstaaten als Mitglieder, ein vielversprechendes Beispiel für die Anwendung der IWRM-Prinzipien.

Die internationale Zusammenarbeit an Rhein und Donau ist vorbildlich. Daher hält die Bundesregierung es für unerlässlich, europäische Expertise einzubringen – insbesondere was IWRM-Maßnahmen in Zentralasien angeht, wo der schwindende Aralsee als Symbol für die Folgen von Wassermissmanagement steht.

Die dürftigen, von Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan und Kirgisien gemeinsam genutzten Wasserreserven müssen eine wachsende Bevölkerung sowie die wasserintensive Baumwollindustrie versorgen. Zugleich wird es immer trockener und heißer, und es fehlt an regionaler Kooperation. Die Bundesrepublik hat daher versprochen, regionale Wasserinitiativen und das Wassermanagement-Programm an der Deutsch-Kasachischen Universität zu unterstützen.

Solche Bemühungen sind bereits ein Fortschritt. Allerdings betont András Szöllösi-Nagy, Leiter der Abteilung für Wasserwissenschaft der UNESCO, dass sich die internationale Gemeinschaft stärker für die UN-Watercourses Convention (Übereinkommen über die Nutzung internationaler Fließgewässer zu anderen Zwecken als zur Navigation) einsetzen muss. Diese Konvention wäre eine solide Basis für die gemeinsame nachbarschaftliche Nutzung der Frischwasser-Ressourcen über die Grenzen hinweg. Zwar fand die Konvention im Jahr 1997 großen Anklang, doch haben sie bislang erst 16 Staaten ratifiziert. Weitere 19 Länder müssen dies bis zum Inkrafttreten der Konvention noch tun. Deutschland gehörte zu den ersten Unterzeichnerstaaten.
Will Swanson

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