Kommentar

Westafrikanische Chance

Aus Sicht afrikanischer Ökonomen bietet die Eurokrise eine gute Gelegenheit, die Bindung des CFA-Franc an die europäische Gemeinschaftswährung zu kappen. Sie meinen, der feste Wechselkurs sei samt der Politik, die er erzwingt, zu einer Last geworden.

Von Mohamed Gueye

In Europa und in den Industrienationen geht die Angst um, dass die Europäische Währungsunion auseinanderbricht. Selbst die USA würden von solch einem Ereignis wohl hart getroffen. Auch südlich der Sahara – und zwar besonders in den Ländern des CFA-Franc – stellt sich die Frage, welche Konsequenzen die Eurokrise haben wird. Die größte Sorge von Regierungs- und Oppositionsparteien ist, dass der Euro bei einem eventuellen Absturz den CFA-Franc mit nach unten reißt. Der CFA-Franc ist durch einen festen Wechselkurs, den die französische Zentralbank Banque de France garantiert, an den Euro gebunden.

Andererseits hoffen viele afrikanische Fachleute, dass die Eurokrise ihre Politiker endlich dazu bringt, die Währungsbindung zu kappen, die zunehmend als koloniales Relikt erscheint. Die ökonomische Bedeutung Frankreichs und Europas ist in Subsahara Afrika nicht mehr so groß, dass sie ihren erheblichen politischen Einfluss, der ihnen durch die absolute Kontrolle der Währungspolitik zukommt, rechtfertigen würde.

14 Länder in West- und Zentralafrika nutzen als Währung den CFA-Franc. Sie sind Teil zweier Wirtschafts- und Währungszonen, der UEMOA (Union Economique et Monétaire Ouest Africaine) in Westafrika und der CEMAC (Commission de la Communauté Economique et Monétaire de l’Afrique Centrale) in Zentralafrika. Als Gegenleistung für den festen Wechselkurs deponieren diese Länder einen großen Teil ihrer Devisenreserven bei der Banque de France. Derzeit geht es um 6300 Milliarden CFA-Franc – das entspricht 9,6 Milliarden Euro. Für Regierungen von Entwicklungsländern, die dringend Geld brauchen, um arme Volkswirtschaften zu entwickeln, ist das eine riesige Last.

Die Zentralbank der UEMOA (Banque Centrale des Etats de l’Afrique de l’Ouest, BCEAO) ist unabhängig und nach dem Modell der Europäischen Zentralbank konzipiert. Wie das Vorbild hat sie sich vor allem der Inflationsbekämpfung verschrieben. Dabei verknappt ihre strenge Geldpolitik die Liquidität für die Realwirtschaft. Weil westafrikanische Geschäftsbanken hohe Zinsen verlangen müssen, tun sich kleine und mittlere Unternehmen schwer, an günstiges Kapital für ihre Expansion zu kommen. Viele Firmen werden in den Bank­rott getrieben, andere müssen sich überschulden.

Anders als im übrigen Westafrika stagniert derzeit in der CFA-Zone die Wirtschaft. Das ist paradox, denn eigentlich ist UEMOA die am weitesten entwickelte Zollunion Afrikas, was sich an verschiedenen Maßnahmen zur regionalen Integration und Kennzahlen für die volkswirtschaftliche Konvergenz ablesen lässt. Sie hat eine der niedrigsten Inflationsraten – besonders im Vergleich zu Nachbarn, die der UEMOA nicht angehören. Der Handel zwischen den Mitgliedsländern kommt aber trotzdem kaum voran. Mit Ausnahme der Elfenbeinküste gehören alle anderen sieben
UEMOA-Länder immer noch zur Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder (Least Developed Countries, LDCs).

Um aus der gemeinsamen Währung ein Wachstumsinstrument zu machen, muss die Bindung an den Euro aufgelöst werden. Europas aktuelle Krise bietet dafür eine gute Gelegenheit. Schwer fällt solch ein Schritt nur politischen Spitzenleuten, die nostalgisch an Frankreich hängen. Aber mit jedem Tag wird klarer, dass Afrika für europäische Regierungen keine Priorität hat. Bei den G20-Treffen, die mehr und mehr die alten G8-Gipfel ablösen, ist Südafrika der Vertreter unseres Kontinents. Angesichts der Bedeutung der südafrikanischen Volkswirtschaft ist das legitim. Allerdings hat Südafrika andere Probleme und andere Ambitionen als der Rest des Kontinents. Seine Regierung kann nicht in unserem Namen sprechen.

Die Wahrheit ist, dass Afrika bei den großen Weltgipfeln nicht gehört wird. Seine Länder werden von den diversen Großmächten allenfalls als Rohstofflieferanten wahrgenommen. Um dieser Rolle zu entkommen, müssen afrikanische Staaten sich von historischen Abhängigkeiten ­lösen und ihre Entwicklung selbst in die Hand nehmen.

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