Kommentar

Gaddafis langer Schatten

Seit März führt Libyens Diktator Muammar Gaddafi Krieg gegen sein eigenes Volk. Der UN-Sicherheitsrat hat eine Resolution zur Errichtung einer Flugverbotszone über dem Land beschlossen. Zum Zeitpunkt der E+Z-Drucklegung war nicht abzusehen, ob Gaddafi sich behaupten kann. Klar ist jedoch, dass seine brutalen Methoden nicht nur seinem eigenen Land, sondern auch vielen anderen geschadet haben.

Von Olayinka Oyegbile

Wie schreibt man seinen Namen richtig? Gaddafi, Quadafi oder Kadaffi? Welche Schreibweise man auch bevorzugt, die Sache ist genauso verwirrend wie Muammar Gaddafi selbst. Libyens Diktator ist einer der umstrittensten Staatschefs Afrikas und der arabischen Welt.

Gaddafis Einfluss in Afrika ist enorm. Er war 2009 und 2010 AU-Vorsitzender und richtete letztes Jahr in Tripolis den EU-Afrika-Gipfel aus. Ganz offensichtlich genoss er es, Afrikas „König der Könige“ zu sein. Heute wünschen sich viele afrikanische Staats- und Regierungschefs – genau wie ihre europäischen Kollegen –, sie hätten sich von ihm ferngehalten.

Gaddafi unterstützt seit langem offen oder verdeckt Freiheits- und Rebellenbewegungen in ganz Afrika. Sein Einfluss ist so durchdringend, dass sich seine Handschrift in fast allen Konflikten findet. Von den Bürgerkriegen in Liberia und Sierra Leone über Kämpfe im Tschad und der Demokratischen Republik Kongo bis zur jüngsten Welle religiöser Spannungen in Nigeria – überall wird Gaddafi Beteiligung nachgesagt.

Lange war er einer der größten Waffenlieferanten für Idi Amins blutrünstiges Regime in Uganda. Amin nutze die Waffen, um jegliche Form der Opposition zu unterdrücken.

Auch Charles Taylor soll von Gaddafi mit Waffen beliefert worden sein. Der ehemalige Präsident Liberias muss sich derzeit vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Kriegsverbrechen in Sierra Leone verantworten. Zudem wurden Taylor selbst und einige seiner Truppen in Libyen ausgebildet.

2007 wurden Waffen mit libyscher Beschriftung in der Rebellengegend der Demokratischen Republik Kongo entdeckt. Der Vorfall zeigte, dass sich Gaddafi, trotz seines verbesserten Images, nicht wirklich geändert hat.

Als Reaktion auf die jüngste Welle der Gewalt zwischen Muslimen und Christen in Nigeria schlug Gaddafi vor, das Land entlang der religiösen Linien aufzuteilen. Dieser Vorschlag brachte ihm erneut den Spitznamen „Irrer“ ein. Auf dieser Ebene bewegen sich üblicherweise die Anschuldigungen.

Gaddafis Rolle in Subsahara-Afrika war schon immer undurchsichtig. Viele Staats- und Regierungschefs versuchten so gut sie konnten, ihn mindestens eine Armlänge entfernt zu halten. So geschehen beispielsweise in Nigeria zur Zeit der Zivilregierung 1980, als Präsident Shehu Shagari alles in seiner Macht stehende tat, um den libyschen Anführer daran zu hindern, Vorsitzender der Organisation Afrikanischer Einheit, der heutigen Afrikanischen Union (AU), zu werden. Aus gutem Grund fühlten sich Shagari und andere afrikanische Anführer unwohl mit Gaddafis spalterischer Rolle und seiner Unterstützung für Rebellen in den verschiedensten Konfliktherden.

Er stand jedoch nicht immer auf der falschen Seite. Gaddafi unterstützte zum Beispiel offen die Freiheitsbewegung in Südafrika und schickte zur Zeit der Apartheid Waffen an den African National Congress.

Wie viele andere Länder auch machte Südafrika bis vor kurzem noch Geschäfte mit Gaddafi. Jeff Radebe, Vorsitzender des südafrikanischen Nationalen Komitees für konventionelle Rüstungskontrolle, wurde kürzlich für den Verkauf von Waffen an Libyen scharf kritisiert. Dabei beteuert Radebe, dass alle Handlungen seiner Regierung legal waren. Als die Entscheidung fiel, Waffen nach Libyen zu verkaufen, argumentiert er, gab es keinen Grund anzunehmen, dass sie zur Unterdrückung der Menschenrechte genutzt werden würden.

Zweifellos sehen afrikanische Führungskräfte Gaddafi als Quelle vieler Konflikte und Rebellenaktivitäten auf dem Kontinent. Die meisten sind nicht mutig genug, das laut zu sagen, was die Hochachtung – oder Angst? – zeigt, die viele vor Gaddafi haben. Und es erklärt zu einem gewissen Grad, weshalb die AU, anders als die Arabische Liga, nicht bereit war, eine Flugverbotszone zu fordern, um Gaddafis Militäroperationen gehen sein eigenes Volk zu unterbinden.

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