Völkermord

Schutz vor Gräueltaten

Die Schutzverantwortung zur Verhinderung von Genoziden ist ein relativ neues Konzept der internationalen Politik. Überstaatliche Organisationen können sie aber nur durchsetzen, wenn ihre Mitgliedsländer mitmachen. Deshalb kommt es weiterhin auf nationale Politik an. Die US-Regierung befürwortet die Schutzverantwortung – Washington handelt aber nicht aus Altruismus.
Die USA und andere Geberländer fühlen sich von der Aufgabe überfordert, in der riesigen DR Kongo Frieden zu schaffen: UN-Peacekeeper 2012 in Goma. Alain Wandimoyi/picture-alliance/dpa Die USA und andere Geberländer fühlen sich von der Aufgabe überfordert, in der riesigen DR Kongo Frieden zu schaffen: UN-Peacekeeper 2012 in Goma.

Das UN-Konzept der Responsibility to Protect (R2P) sieht Staaten in der Verantwortung für das Wohlergehen ihrer Bürger. Wo die politische Führung eines Landes ihr nicht nachkommt, kann die internationale Gemeinschaft eingreifen, um die Bevölkerung vor Gräueltaten zu schützen. Mögliche Maßnahmen reichen von wirtschaftlichen Sanktionen bis zu militärischer Intervention.

Die Heinrich-Böll-Stiftung hat sich in einer gemeinsamen Studie mit dem Global Public Policy Institut damit auseinandergesetzt, wie dieses Prinzip die US-­Außenpolitik prägt. Traditionell spielten moralische und humanitäre Motive eine wichtige Rolle, heißt es in der Publikation, allerdings sei die Verhinderung von Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit früher kein explizites Ziel der US-Außenpolitik gewesen. Zudem handele Washington nicht selbstlos, sondern verfolge immer auch Eigeninteressen. Erst Barack Obama habe R2P Priorität verliehen, loben die Autoren. Das Thema sei in seiner Sicherheitsstrategie fest verankert. Im März schlugen die USA entsprechend vor, die Verhinderung von Gräueltaten zum Schwerpunktthema des entwicklungspolitischen Dialogs zwischen den USA und der EU zu machen. In solchen Kontexten werde die Nachfrage nach deutschem Engagement zunehmen, urteilt die Studie.

Dennoch können die Autoren nicht eindeutig sagen, ob sich Obamas Politik in der Praxis tatsächlich von der früherer Regierungen abhebt. Washington handele nämlich kurzfristig und ereignisgebunden. Auch Obamas Regierung setze sich kaum mit komplexen Krisenursachen auseinander. So hätten sich US-Diplomaten vor den Präsidentschaftswahlen in Kenia im Frühjahr für einen friedlichen Ablauf eingesetzt, könnten aber auf vielschichtige innenpolitische Spannungen in dem ostafrikanischen Land nicht einwirken.

Gegenüber der Demokratischen Republik Kongo, in der immer wieder Gewalt aufflammt, verhalten sich die USA und andere Geberländer abwartend, wie die Studie ausführt. Sie fühlen sich der Aufgabe, in diesem riesigen Land Frieden zu schaffen, nicht gewachsen.

Das gilt ähnlich auch für Syrien. Dort unterstützt die Obama-Regierung seit 2012 die Opposition gegen das Regime mit zivilen und diplomatischen Mitteln sowie Waffenlieferungen über Dritte.  Oba­ma wird innenpolitisch aber auch gedrängt, militärisch einzugreifen. Das US-Militär sieht nur geringe Erfolgschancen, was den erfolgreichen Aufbau eines stabilen und friedlichen Staates nach einer Intervention angeht. Aus Sicht der Studie zeigt dieser Fall die begrenzten Möglichkeiten der USA auf. Wie die jüngste Diskussion über Giftgasangriffe in Syrien die Politik beeinflussen wird, war zu Redaktionsschluss nicht abzusehen.
    
Das zentrale Anliegen der Studie sind aber UN-Friedensmissionen. Diese bräuchten mehr Unterstützung. Die Experten fordern eine breite öffentliche Diskussion über die Voraussetzungen und Konsequenzen von R2P. Reiche Länder, die sich aus Furcht vor Militarisierung nicht an der ­Debatte beteiligen, könnten keinen Einfluss auf konkrete Einsätze nehmen, sondern müssten im Ernstfall wählen, ob sie mitmachen oder nur Waffen liefern.

Das Expertenteam spricht sich für den engen Austausch von Wissenschaft, Politik, Entwicklungszusammenarbeit und Militär aus. So könnten Erfahrungen genutzt und neue Handlungsmöglichkeiten erkannt werden. Die Autoren betonen, dass überstaatliche Organisationen nur so stark sein können, wie sie ihre Mitgliedsländer machen (siehe auch Aufsatz über die African Standby Force auf Seite 333 ff.). Deshalb müsse R2P in nationaler Politik verankert werden. Das gelte für zivile wie militärische Maßnahmen.

Außerdem fordern die Autoren eine intensivere Debatte mit Schwellenländern wie China, Brasilien und Indien. Die globale Weltordnung werde nicht mehr allein von Werten und Interessen westlicher Akteure dominiert. Neue Akteure müssen dazu beitragen, die völkerrechtliche Schutzverantwortung der UN weiterzuentwickeln und zu verwirklichen.

Floreana Miesen


 

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