Entwicklung und
Zusammenarbeit

Gender roles

Warum das Einkommen steigt, wenn auch Männer das Baby tragen

An der Universität legte Godfrey Mukalazi aus Uganda seinen Schwerpunkt auf Gender Studies – als einziger Mann. Heute gibt er Gender-Trainings für Ehepaare. Dabei geht es neben Beziehungsthemen auch um das Familieneinkommen.
Auch ein „starker Mann“ kann ein liebevolles Verhältnis zu seinen Kindern haben. Brian Otieno
Auch ein „starker Mann“ kann ein liebevolles Verhältnis zu seinen Kindern haben.

Godfrey Mukalazi, in der ugandischen Gesellschaft herrscht immer noch ein sehr traditionelles Rollenbild vor. Wie wird die Rolle der Männer üblicherweise gesehen?  

Männer sind traditionell die Familienoberhäupter und diejenigen, die für den Lebensunterhalt sorgen. Aber nicht nur die Familien, auch die Dorfgemeinschaften sind patriarchal strukturiert. Zwar gibt es regionale Unterschiede, doch in den Führungspositionen befinden sich meist Männer.  

Vor diesem Hintergrund ist Ihre Studienwahl sehr ungewöhnlich. Sie haben Sozialwissenschaften an der Makerere-Universität in Kampala studiert und den Schwerpunkt „Women and Gender Studies“ gewählt. Wie war das, als Sie Ihrer Familie und Ihren Freunden davon erzählten? 

Einige waren schockiert, andere haben mich ausgelacht. „Das ist doch nur was für Frauen“, hieß es. Und tatsächlich gab es an der Uni außer mir in diesem Fach nur Studentinnen. In Uganda glauben die meisten Menschen, Gender sei ein Thema, das nur Frauen angehe und mit dem Männer nichts zu tun haben. Ich habe mich davon aber nicht entmutigen lassen, denn ich habe eine große Leidenschaft für das Gender-Thema. 

Woher kommt diese Leidenschaft? 

Ich bin fest davon überzeugt, dass ein besseres Verhältnis der Geschlechter untereinander die Lebensverhältnisse der Menschen in Uganda ganz konkret verbessert. Und genau das möchte ich vermitteln – Gender ist keine „Frauensache“, sondern etwas, das uns alle angeht.  

Inzwischen arbeiten Sie als Gender-Experte für das Projekt TeamUp (siehe unten). TeamUp möchte die Lebensbedingungen für ugandische Jugendliche in ärmeren ländlichen Regionen verbessern, insbesondere in den Kaffeeanbaugebieten in Zentraluganda. Wie sieht Ihre Arbeit aus? 

Erst einmal geht es darum, die Gender-Perspektive in alle Bereiche von TeamUp einfließen zu lassen – seien es nachhaltige Landwirtschaft und Einkommenssteigerung, reproduktive Gesundheit oder Wasser- und Sanitärmaßnahmen. Zudem bilde ich als Trainer junge Frauen und Männer im Rahmen des sogenannten „Haushaltsansatzes“ aus. Dabei geht es darum, dass Paare besser miteinander kommunizieren und gemeinsam über die wichtigen Dinge ihres Lebens entscheiden – und nicht mehr, wie in der traditionellen Ehe meist der Fall, in starren Rollen verharren. Die Teilnehmenden unserer Trainings machen wir so zu „change agents“, von denen auch andere in den Dorfgemeinschaften lernen können.

Wie genau gestalten Sie ein solches Training? 

Ganz wichtig ist, nicht mit Schuldzuweisungen – auch nicht an die Männer – zu arbeiten, sondern mit Verständnis. Oft denken Ehepartner voneinander, der jeweils andere würde nichts tun. Doch wenn wir dann ihre To-do-Listen vergleichen, stellt sich heraus, dass beide ihren Beitrag leisten – aber nicht erkennen oder wissen, was der oder die andere leistet. Das müssen wir aufbrechen, um für mehr gegenseitigen Respekt zu sorgen. Im Training hilft dabei auch eine humorvolle Herangehensweise. 

Sie arbeiten mit Karikaturen, witzigen Fotos und Rollenspielen, in denen der Spieß zwischen Mann und Frau gern mal umgedreht wird. Wie kommt das an?

Das weckt erst mal viel Belustigung. Zum Beispiel, wenn wir Männer auffordern, sich mit dem Tuch ein Kleinkind auf den Rücken zu binden, so wie es sonst in Uganda nur die Frauen tun. So manch einer geht da erst mal in eine Abwehrhaltung. Doch ich versuche, klar zu vermitteln: Auch wenn du das machst und ein neues, liebevolleres Verhältnis zu deinen Kindern entwickelst, bist du weiterhin ein starker Mann.

Bei TeamUp heißt es, dass mit einem neuen Rollenverständnis sowie mehr gemeinsamer Verantwortung im Haushalt nicht nur die Beziehung auflebt. Auch das Einkommen der Paare kann steigen. Wie das?

Traditionell sind die Männer für das Familieneinkommen zuständig. Die Frauen sollen zu Hause bleiben, dürfen und können nichts beitragen. Das aber vergrößert oft nur die Armut. Ich erinnere mich, dass mein Vater, als ich klein war, einmal für längere Zeit bei einer Exkursion im Dschungel stecken blieb. Damit wir nicht verhungern, musste meine Mutter – ganz entgegen der Tradition – ein paar kleinere Jobs annehmen. Als mein Vater zurückkam, war er beeindruckt von ihrem Mut und ihrer Leistung. Er unterstützte sie fortan beim Aufbau eines kleinen Shops. Unserer Familie ging es seitdem besser als je zuvor. 

Sind die Männer denn immer so leicht zu überzeugen und Rollenklischees einfach aufzubrechen?  

Nein. Wir können hier bei uns nicht auf einen schnellen Wandel setzen, sondern müssen Geduld haben. Unsere „change agents“, die ja die Verhältnisse in den Familien, Gemeinden und Dörfern gut kennen, helfen bei der behutsamen Veränderung.

Glauben Sie, dass der Ansatz erfolgreich sein und sich in Uganda in Sachen Geschlechterverhältnis langfristig etwas ändern wird?

Hundertprozentig, ja. Indem wir Gender-Themen adressieren und uns für mehr Gleichheit einsetzen, gehen wir ans Herzstück der Familien und der Gemeinschaften. So können wir das soziale und wirtschaftliche Potenzial unserer Gesellschaft entfalten – zum Wohle aller. Allerdings gibt es derzeit noch zu wenig solcher Trainings und Projekte. 

Bei TeamUp arbeiten außer Ihnen noch andere männliche Gender-Experten. Warum werden nicht mehr Frauen eingesetzt? 

Viele unserer traditionell erzogenen Männer sind immer noch eher bereit, einem Mann zuzuhören als einer Frau. Oft kommen männliche Teilnehmer nach dem Training zu mir und sagen, sie waren zunächst überrascht, etwas von mir als Mann zum Thema Gender zu erfahren. Aber gleichzeitig können sie die Ratschläge von mir als „einem der ihren“ besser annehmen.  

Wir sprachen mit Godfrey Mukalazi im Anschluss an eines seiner Gender-Trainings im Dorf Bukooki in der zentralugandischen Provinz Kassanda, 120 Kilometer von Kampala entfernt. Das Projekt „TeamUp“, für das Godfrey Mukalazi arbeitet, ist eine Multi-Stakeholder-Initiative, getragen von der Hanns R. Neumann Stiftung (HRNS), der Siemens Stiftung sowie der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW) und unterstützt vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

Godfrey Mukalazi arbeitet als Gender-Experte für das Projekt TeamUp in Uganda.
teamupug.org

Monika Hoegen ist Journalistin, Moderatorin und Kommunikationsberaterin mit einem Schwerpunkt auf entwicklungspolitischen Themen.
monika.hoegen@t-online.de 

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