Währungsunion

Missachtete Lektionen

Afrikaner erinnert die Eurokrise an das Scheitern des Strukturanpassungspolitik. Auferlegt wurden Griechenland Sparen, geringere Sozialausgaben und mehr Wettbewerb. Fünf Jahre später ist das Land nun höher verschuldet, ärmer und noch weniger wettbewerbsfähig.
Julie Woodhouse/Lineair

Strukturanpassungen sollten Entwicklungsländern Fortschritt bringen. Afrikanische Regierungen wurden beauftragt, die Rolle des Staats reduzieren, damit Privatunternehmen im Wettbewerb gedeihen könnten. Stattdessen wurden ihre Länder ärmer und Märkte kollabierten. Als das Scheitern nicht mehr zu leugnen war, besannen sich die Geber auf Politik, redeten über Korruption und forderten „gute Regierungsführung“.  

Wenn in den 1980er- und 90er-Jahren Regierungen ihre Schulden nicht mehr bedienen konnten, bestanden die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) auf Strukturanpassung. Am Schluss mussten vielen Ländern dann aber die Schulden erlassen werden. Im Gegenzug forderten die Geber Strategien zur Armutsbekämpfung.  

Weitere Lehren zog dann die internationale Staatengemeinschaft in der Paris Declaration on Aid Effectiveness 2005. Zu deren Prinzipien gehören „Eigenverantwortung”, „wechselseitige Rechenschaft“ und „Ergebnisorientierung“. Im Rückblick ärgert es Afrikaner aber immer noch, dass sie erst gezwungen wurden, ihre Staaten klein zu sparen, um später belehrt zu werden, sie müssten Institutionen bauen. Viele Länder sind zudem immer noch auf Entwicklungshilfe angewiesen.

Was Griechenland angeht, missachtet die EU die Lehren der Strukturanpassungen. Wie zu erwarten war, hat die radikale Kürzung der Staatsausgaben in einer Depression die Wirtschaft nicht wachsen, sondern schrumpfen lassen. Die griechischen Staatsschulden sind 2015 noch überwältigender, als sie 2010 waren.

Seit einiger Zeit klagt nun die Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und IWF, Griechenland habe die Korruption nicht bekämpft. Dabei stand sie doch die ganze Zeit über in direktem Kontakt mit verschiedenen griechischen Regierungen. Die Priorität der Troika war aber die Sparpolitik, die Investorenvertrauen wecken sollte. Dank geringerer Staatsausgaben sollte die Wirtschaft wachsen. Geschehen ist das Gegenteil.  

Anders als viele Afrikaner wollen Europäer in der Politik mitreden. Vor zwei Jahrzehnten konnten afrikanische Regierungen sogar noch autoritärer als heute agieren. Aber selbst jetzt sagt Senegals Präsident Macky Sall zivilgesellschaftlichen Akteuren, die gegen seine von Washington inspirierte Wirtschaftspolitik protestieren, sie sollen ihn in Ruhe lassen. Sollte er scheitern, könnten sie ihn ja später abwählen.  

Griechen haben diese Möglichkeit nicht. Sie haben für Kurswechsel gestimmt, aber ihre EU-Partner gehen auf ihre Wünsche gar nicht ein. Im Namen der Regeleinhaltung soll Griechenland weiter die Medizin nehmen, die sich als schädlich erwiesen hat. Heißt Demokratie nicht, dass Regeln und Strategien geändert werden, wenn sie nicht funktionieren?

Nun wird über ein drittes Rettungspaket verhandelt, und Geber beharren weiter auf Strukturanpassungs-Rezepten. Bizarrer Weise scheint aber niemand an deren Erfolg zu glauben. Der griechische Ministerpräsident und der deutsche Finanzminister haben Zweifel geäußert. Laut IWF ist Schuldenerlass nötig, aber darüber wird nicht verhandelt. Frankreich und Italien fordern schon lange mehr Wachstumsorientierung, aber das steht auch nicht auf der Tagesordnung. Wer soll hier eigentlich hinters Licht geführt werden?  

Die Zweifel und Diskrepanzen zeigen, dass es an Ergebnisorientierung und wechselseitiger Rechenschaft hapert. Eigenverantwortung ist auch nicht gegeben, denn damit ist in der Paris Declaration etwas anderes gemeint, als dass eine Regierung zu Geberkonditionen „ja“ sagt. Besonders schlimm ist das Fehlen jeglicher Armutsbekämpfungsstrategien. Bisher wurden Finanzinstitutionen gerettet, aber nicht die Bevölkerung.  

Die EU war lange ein leuchtendes Beispiel für regionale Integration. Im griechische Drama überzeugt sie aber überhaupt nicht. Und das gilt auch für den schwachen Aufschwung in Spanien oder Portugal. Da diese Volkswirtschaften immer noch deutlich kleiner sind als früher, ist ihre Krise offensichtlich noch nicht überwunden.  


Mohamed Gueye ist Chefredakteur des Quotidien im Senegal. Auf Einladung der Europäischen Kommission beobachteten er und eine Gruppe anderer afrikanischer Journalisten 2008 das High-Level Forum on Aid Effectiveness in Accra. mohagueye@gmail.com

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