Unser Standpunkt

Bürger beteiligen

Im Lauf der Jahre werden die Konzepte der Weltbank immer ausgeklügelter und präziser. 1997 betonte ihr World Development Report in Abweichung von der Marktdogmatik, dass kompetentes Staatshandeln nicht nur für die Entwicklung, sondern sogar für das Wirtschaftswachstum wesentlich ist. Die dysfunktionale Institutionenlandschaft vieler Länder leiste das aber nicht. Statt schlechter Amtsführung forderte die Weltbank „Good Governance“.
Richter am kenianischen Supreme Court. Sayyid Abdul Azim/picture-alliance/AP Photo Richter am kenianischen Supreme Court.

20 Jahre später widmete die Weltbank dem Thema wieder einen World Development Report. Nun ging es nicht mehr um die Rolle des Staates, sondern darum, wie er dazu gebracht werden kann, seinen Aufgaben verantwortungsvoll gerecht zu werden. Als entscheidend galt nun die gesellschaftliche Akzeptanz. Es kommt nun mal darauf an, was die Bürger denken.

Der historische Hintergrund ist, dass viele Entwicklungsländer nach der Unabhängigkeit die Gesetze und Behörden beibehielten, die sie von den Kolonialmächten erbten. Neue Verfassungen machten zwar große Versprechungen, aber das Institutionengefüge taugte nicht dazu, diese auch zu erfüllen. Undemokratische Strukturen bestanden fort, und viele Länder glitten in autoritäre Herrschaft ab. Im Kalten Krieg setzten sich die Weltbank und andere internationale Finanzinstitutionen für Marktwirtschaft ein und ignorierten innenpolitische Fragen dabei weitgehend. In den 1990ern war dann aber nicht mehr zu übersehen, dass dysfunktionale Staatlichkeit und besonders Korruption große Probleme bereiteten. Folglich formulierte die Weltbank 1997 das Good-Governance-Paradigma.

Die Gebergemeinschaft übernahm diese Sichtweise. Leider ist aber nicht davon auszugehen, dass Amtsträger immer verantwortlich agieren. Allzu viele Regierungen nutzen ihre Macht für ausbeuterische Zwecke. Wie gute Regierungsführung herbeigeführt werden kann, ist deshalb eine wichtige Frage. Dass die Weltbank sich auf sie eingelassen hat, belegt ihre Lernfähigkeit. Das zwischen Theorie und Praxis Gräben aufklappen, widerlegt das nicht, denn große Bürokratien wandeln sich nun mal nur langsam. Auf ähnliche Weise macht es auch Verfassungen nicht wertlos, dass die Rechtswirklichkeit von den Rechtsansprüchen oft abweicht. Ohne hohe Ansprüche wäre die Praxis sicherlich noch schlechter. Die Größe der Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist ein Maß der Realitätstauglichkeit einer Verfassung.

Gute Gesetzgebung spiegelt die Vorstellungen der Bürger wider und hilft ihnen, den Alltag zu bewältigen. Auf dieser Basis können Staatsgewalten – einschließlich einer unabhängigen Justiz – Frieden und politische Stabilität sichern. Wichtig ist Legitimität in den Augen der Bürger. Auf ihr Denken haben dabei viele Faktoren Einfluss: Traditionen, Medien, internationale Normen, Bildung, gesellschaftliche Erfahrung und so weiter. Wenn jedoch Gesetze kaum implementierbar sind oder ihre Durchsetzung exzessive Gewalt erfordert, sollte die Politik prüfen, was falsch läuft (siehe unser Dossier zum Schwerpunkt über Drogenpolitik).

Es ist gut, dass in vielen Entwicklungsländern die Beteiligung der Bürger an politischen Prozessen zunimmt. Derweil befremdete es, wie US-Präsident Donald Trump die Justiz schlechtmacht und diskreditiert. Viel ermutigender ist, dass die Richter an Kenias Supreme Court nach Kräften daran arbeiten, der Regierung ihres Präsidenten Uhuru Kenyatta rechtsstaatliche Grenzen zu setzen.

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