Impfung

Ein Piks in den Arm

Subsahara-Afrika leidet unter anhaltender Armut, großen Einkommensunterschieden, hohen Raten bestimmter Krankheiten und unterdurchschnittlichen Impfraten. Studien zeigen, dass all diese Probleme miteinander zusammenhängen.
Gesundheitspersonal im Kampf gegen Ebola in der DRK: Hochrisikopatienten profitieren schon jetzt von einem unlizenzierten Impfstoff gegen das Virus. picture-alliance/Gael Cloarec/Le Pictorium/MAXPPP/dpa Gesundheitspersonal im Kampf gegen Ebola in der DRK: Hochrisikopatienten profitieren schon jetzt von einem unlizenzierten Impfstoff gegen das Virus.

Armut und Krankheit gehen oft Hand in Hand und verschärfen sich in einem Teufelskreis gegenseitig. Armut kann zu Krankheit führen, weil sie den Zugang zu sauberem Wasser, angemessener Ernährung und Bildung erschwert. Krankheit wiederum kann die Armut vertiefen, da sie medizinische Kosten verursacht, die Produktivität kranker Personen verringert und das Einkommen von Angehörigen beschneidet, die sich um die Kranken kümmern. Langfristig kann sich eine schlechte Gesundheit auf das Einkommen auswirken, wenn kranke Kinder nicht zur Schule gehen können und Erwachsene weniger produktiv sind.

In Afrika ist dieser Zusammenhang offensichtlich. Der Kontinent hat die weltweit höchsten Kindersterblichkeitsraten – ein Schlüsselindikator für schlechte öffentliche Gesundheit. Zudem ist Afrika der ärmste Kontinent der Welt. Die Weltbank prognostiziert, dass bis 2030 fast neun von zehn extrem armen Menschen in Subsahara-Afrika leben werden.

Auch die Ungleichheit ist in Afrika am größten: Laut Gini-Index, einem statistischen Maß für die Einkommensverteilung, liegen acht der zehn Volkswirtschaften mit den größten Einkommensunterschieden in Afrika.

Viele Krankheiten könnten mit bestehenden Impfstoffen verhindert werden. Afrika muss den Zugang zu Impfungen verbessern, um sein Gesundheitsniveau zu steigern – das wird letztlich auch Armut und Ungleichheit verringern. Der Kontinent schöpft das volle Potenzial von Impfungen trotz nachweislicher Vorteile noch nicht aus. 2018 erhielten laut Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization – WHO) nur 76 Prozent der afrikanischen Kinder drei Dosen des Diphterie-Tetanus-Pertussis-Impfstoffs (DTP), verglichen mit der globalen Rate von 86 Prozent. Die DTP-Impfraten werden in der Regel als Schlüs­selindikator für die Durchimpfung der gesamten Bevölkerung betrachtet.

Impfung verringert den Einfluss von Armut auf die Überlebenschancen eines Kindes und schützt somit die am meisten gefährdeten Kinder. Prävention hilft vor allem den Familien, die sich keine Behandlung leisten können. Zudem fördern Impfungen oft den Zugang zu anderen Gesundheitsdienstleistungen. Impfung hat eine so weitreichende Wirkung, dass sie für die Erreichung von 14 der 17 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) relevant ist.

Damit Impfprogramme erfolgreich sind, müssen sie ganze Gemeinschaften erreichen und über mehrere Jahre wiederholt werden. Bei hoher Durchimpfungsrate wird eine Herdenimmunität erreicht, sodass auch die wenigen nicht geimpften Personen geschützt sind. Ein gutes Beispiel für diesen Effekt ist der Kampf gegen Pocken. Durch die Impfung wurde die Krankheit weltweit in allen Einkommensgruppen ausgerottet.


Neue Impfstoffe erforderlich

In Afrika sind nicht nur im Bereich der DTP-Durchimpfungsrate Fortschritte dringend nötig. Ein weiteres Problem ist HIV/Aids. Laut UNAIDS, dem Gemeinsamen Programm der UN für HIV/Aids, lebten in Afrika 2018 rund 25 Millionen Menschen mit HIV, was etwa zwei Dritteln der globalen HIV-Fälle entspricht. Hinzu kam 2018 eine Million neuer HIV-Infektionen.

Es beunruhigt, dass HIV häufig junge Erwachsene trifft. Sie sind am produktivsten, daher sind die wirtschaftlichen Kosten der Krankheit hoch. Die antiretrovirale Therapie rettet Leben und hat HIV zu einer chronischen Krankheit gemacht, jedoch überlastet die lebenslange Therapie die Gesundheitsdienste. Da immer wieder neue Infektionen auftreten, braucht es dringend einen Impfstoff. Derzeit ist in Afrika kein Impfstoff gegen HIV zugelassen, aber mehrere werden getestet.

Ähnlich wie HIV ist auch Tuberkulose (TB) behandelbar und belastet die Wirtschaft stark. Laut WHO infizieren sich jedes Jahr rund 2,5 Millionen Afrikaner mit TB und etwa eine halbe Million stirbt daran.

Während verbesserte diagnostische Tests und Behandlungen entwickelt werden, ist auch für TB die Impfung entscheidend. Derzeit erhalten Neugeborene den BCG-Impfstoff (Bacillus Calmette-Guérin), der sie vor schweren Verläufen der Krankheit schützt, aber schlechter gegen Lungen-Tuberkulose hilft. Außerdem wird an neuen Impfstoffen geforscht und untersucht, wie wirksam eine Wiederimpfung Jugendlicher mit dem BCG-Impfstoff ist.

Auch Malaria steht im Fokus: Obwohl die Krankheit heilbar ist, ist sie noch immer weit verbreitet. Laut WHO starben 2018 geschätzt 405 000 Menschen weltweit an Malaria. Afrika verzeichnet einen unverhältnismäßig hohen Anteil an Malaria. Gemäß WHO-Zahlen gab es 2018 dort 93 Prozent der weltweiten Krankheitsfälle und 94 Prozent der weltweiten Malariatoten.


Gute Nachrichten

Auch Ebola kann nur mit einer Impfung sinnvoll bekämpft werden. Während der westafrikanischen Epidemie zwischen 2015 und 2018 wurden klinische Studien des Ebola-Impfstoffes rVSV-ZEBOV begonnen, die ermutigende Ergebnisse bezüglich Sicherheit und Effektivität zeigen. Der Impfstoff wird derzeit in der anhaltenden Epidemie in der Demokratischen Republik Kongo (DRK)eingesetzt. Obwohl er nicht zugelassen ist, wird der Impfstoff verabreicht. Nicht zugelassen bedeutet, dass die volle Sicherheit und Wirksamkeit noch nicht vollständig bekannt ist. Aber damit können schon jetzt Hochrisikopatienten, die durch ein zugelassenes Produkt nicht angemessen behandelt werden können, geschützt werden. Das ist sinnvoll, denn die Risiken der Impfung sind deutlich geringer als die einer Ebola-Infektion.

Andere gute Neuigkeiten aus Afrika sind, dass Regierungsausgaben für Impfungen zugenommen haben und die Durchimpfungsraten trotz einer schnell wachsenden Bevölkerung bisher aufrechterhalten werden konnten, erklärt die Strategic Advisory Group of Experts on Immunization, eine von der WHO eingesetzte Beratungsgruppe. Dieser Erfolg ist im Kontext einer weltweiten Impfskepsis, die selbst in reichen Ländern zu Krankheitsausbrüchen wie Masern geführt hat, erwähnenswert. Positiv ist außerdem, dass Afrika sich bald poliofrei erklären kann, nachdem der letzte Fall eines Polio-Wildvirus 2016 in Nigeria gemeldet wurde.

Auch die Impfforschung auf dem Kontinent schreitet voran: Mehrere neue Impfstoffe werden getestet und eingeführt. 2019 begannen die Behörden in Ghana, Malawi und Kenia mit Pilotversuchen für den ersten zugelassenen Impfstoff gegen Malaria namens RTS,S. Obwohl der Impfstoff keinen vollständigen Schutz bietet, stellt er einen Fortschritt dar. Es ist der erste Impfstoff, der über klinische Versuche hinausgeht.

Wie in vielen anderen Bereichen hat Afrika bis zum Erreichen einer vollständigen Impfversorgung noch einen weiten Weg vor sich. Aber der Kontinent macht Fortschritte und weckt die Hoffnung, dass er den Teufelskreis von Armut und Krankheit in eine positive Dynamik von besserer Gesundheit und steigenden Einkommen umkehren kann.


Hannah Hussey ist Ärztin in Kapstadt und auf öffentliche Gesundheit spezialisiert. Sie arbeitet eng mit dem Team der Vaccines for Africa Initiative (VACFA) an der School of Public Health and Family Medicine der Universität Kapstadt zusammen.
hshussey@gmail.com

Gregory D. Hussey ist Professor für Medizin an der Universität Kapstadt und leitet die VACFA. Die Initiative führt evidenzbasierte Impfforschung durch und will die Immunisierungsprogramme in Afrika stärken.

Rudzani Muloiwa ist Teil des VACFA-Teams, leitet die pädiatrische HIV-Klinik am Groote Schuur Hospital und ist Senior Lecturer für Pädiatrie an der Universität Kapstadt.

Benjamin M. Kagina ist Forschungsbeauftragter und Immunologe bei VACFA.

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