Verkehrssicherheit

Hohes Todesrisiko auf afrikanischen Straßen

Nach Schätzungen der WHO entfällt mehr als ein Fünftel aller Verkehrstoten weltweit auf afrikanische Länder, obwohl dort nur knapp ein Sechstel der Weltbevölkerung lebt. Der globale Erfolg des entsprechenden SDG-Ziels hängt somit von Afrika ab.
Schlechte Infrastruktur macht Unfälle wahrscheinlicher – umgestürzter LKW in Uganda Ende 2020. picture alliance / Zoonar / WIBKE WOYKE Schlechte Infrastruktur macht Unfälle wahrscheinlicher – umgestürzter LKW in Uganda Ende 2020.

Nach Angaben des African Road Safety Observatory (ARSO) hat sich die Zahl der Verkehrstoten in 13 afrikanischen Ländern von 2016 bis 2019 kaum verändert. Die ARSO zählte 37 379 Todesfälle im Jahr 2016 und 37 168 im Jahr 2019. Statistiken der WHO (World Health Organization ­– Weltgesundheitsorganisation) verzeichnen für diese Länder allerdings 121 718 Todesfälle allein im Jahr 2016.

Solche Diskrepanzen zeigen, dass genaue und vollständige Daten zur Verkehrssicherheit in Afrika fehlen. Das von der Afrikanischen Union (AU) geführte ARSO stützt sich auf Regierungsstatistiken, die meist von der Polizei bereitgestellt werden. Die WHO hingegen erstellt Schätzungen auf Basis von Informationen aus Krankenhäusern und Gesundheitszentren. Nach Angaben der ARSO konnten acht der 22 Länder, die 2019 befragt wurden, die Todesopfer nicht beziffern. Drei Länder meldeten zwar Todesopfer, hatten aber keine Daten über Unfälle und nichttödliche Verletzungen.

Diese Probleme sind in Ländern mit niedrigen und niedrigen mittleren Durchschnittseinkommen weltweit verbreitet. Die UN-Generalversammlung hat deshalb die WHO damit betraut, die Fortschritte bei der Straßenverkehrssicherheit zu überwachen. Deren Verbesserung ist auch Teil der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs – Sustainable Development Goals). Ziel 3.6 ist die Halbierung der Zahl der Toten und Verletzten bei Straßenverkehrsunfällen bis 2030.

Weil die Systeme zur Erfassung der Sterblichkeit so unterschiedlich sind, schätzen die WHO und andere internationale Organisationen die Todesfälle mittels mathematischer Modelle. Wo die nationalen Meldesysteme gut sind und die Lage vor Ort genau beobachten, liefern sie zuverlässigere Zahlen. In Afrika liegen die WHO-Schätzungen jedoch etwa viermal höher als die offiziellen Zahlen. In einzelnen Ländern ist die Abweichung sogar noch deutlich größer.

Die Herausforderung der Untererfassung

Die Dunkelziffer ist ein großes Problem. Polizeiliche Aufzeichnungen sind die wichtigste Datenquelle für Verkehrsunfälle und Verletzungen – allerdings meldet die Polizei nicht alle. Oft wird sie nicht einmal über einen Unfall informiert. Außerdem sind ihre Ressourcen begrenzt und in vielen Ländern sogar rückläufig. Oft räumen die Strafverfolgungsbehörden anderen Dingen Vorrang vor Verkehrsunfällen ein. Das kann zur Folge haben, dass sie nur Unfälle mit Todesopfern dokumentieren und Schwerverletzte unterschlagen. In ländlichen Gebieten mit geringer Polizeipräsenz ist die Berichterstattung besonders schlecht.

Forschende haben die beiden wichtigsten Datenquellen zur Straßenverkehrssicherheit in Äthiopien miteinander verglichen. Sie fanden heraus, dass die Polizei bis zu 60 Prozent der Verkehrstoten erfasste, aber höchstens 24 Prozent der Verletzten. Die Krankenhausdaten hingegen zeigten nur ein Drittel der Todesfälle, aber mehr als die Hälfte der Verletzungen. Ein Grund für diese Verzerrung ist, dass diejenigen, die am Unfallort starben, meist gar nicht in ein Krankenhaus gebracht wurden.

Die Studie ergab auch, dass zu wenig berichtet wird. Besonders schlecht war die Polizeiberichterstattung bei Daten über Todesfälle und Verletzungen von jungen und weiblichen Opfern sowie Menschen, die mit Rad, Motorrad oder zu Fuß unterwegs waren. Die Studie kam zu dem Schluss, dass keines der beiden Datensysteme unabhängig voneinander die Todesfälle und Verletzungen im Straßenverkehr genau erfasst.

Laut dem 2018 von der WHO veröffentlichten Global Status Report on Road Safety verlieren jedes Jahr weltweit 1,35 Millionen Menschen ihr Leben durch Verletzungen im Straßenverkehr. Im Jahr 2018 waren mehr als die Hälfte (53 Prozent) der Verkehrsopfer „ungeschützte Verkehrsteilnehmer“, also beispielsweise zu Fuß, mit dem Rad oder auf Zwei- und Dreirädern unterwegs.

Vergleichsweise wenige Kfz

In afrikanischen Ländern gibt es eher wenige Kraftfahrzeuge pro Kopf. In Südafrika, dem wohlhabendsten Land südlich der Sahara, sind es etwa 170 pro 1000 Einwohner. In Nigeria, einem Land mit niedrigen mittleren Durchschnittseinkommen, sind es etwa 60. In Ländern mit niedrigen Einkommen wie etwa Tansania, Gambia oder Malawi liegen die Zahlen im einstelligen Bereich. In den USA liegt diese Zahl bei über 800, in Deutschland bei knapp 600 und in den Niederlanden bei 500.

Dennoch sind Straßen in Afrika besonders gefährlich (beispielsweise in Ghana, siehe Maxwell Suuk auf www.dandc.eu). Mehr als ein Fünftel der Verkehrstoten – aber weniger als ein Sechstel der Weltbevölkerung – entfällt auf die „Region Afrika“ nach Definition der WHO, also ohne Länder wie Ägypten, Tunesien und einige andere. Der Erfolg der SDGs im Hinblick auf Straßenverkehrssicherheit hängt also von Afrika ab.

In einem Bericht stellte das von der AU geleitete Africa Transport Policy Program (SSATP) 2021 fest: „Die meisten der bestehenden Datenerfassungssysteme konzentrieren sich hauptsächlich auf Insassen von Fahrzeugen und liefern Zahlen, die sich erheblich von denen unterscheiden (und in der Regel niedriger sind), die aus mathematischen Modellen abgeleitet werden, die länderspezifische sozioökonomische Variablen verwenden.“ 2014 hatte das SSATP eingeräumt, dass sich die Verkehrssicherheit in Afrika verschlechtert hat und zu einem großen Hindernis für die Wettbewerbsfähigkeit des Kontinents geworden ist. Der Entwicklungserfolg hängt also von der Verbesserung der Verkehrssicherheit ab.

Weshalb das Risiko so groß ist

Leider steigt das Risiko, im Straßenverkehr getötet zu werden, jedes Jahr. Laut WHO stieg die Zahl der Todesopfer pro 100 000 Einwohner von 24,1 im Jahr 2010 auf 26,6 im Jahr 2016. Ein Grund ist, dass der Autoverkehr zunimmt. Das Sterberisiko in Afrika ist jedoch sehr unterschiedlich verteilt. Innerhalb der Subregionen hat sich seit 2010 kaum etwas verändert. Der weltweite Wert lag 2016 bei 18,2.

Die Ursachen für Verkehrsunfälle sind in Afrika größtenteils dieselben wie anderswo. Dazu zählen etwa Geschwindigkeitsüberschreitungen, Fahren unter Alkohol- und Drogeneinfluss, Nichtanlegen von Sicherheitsgurten in Autos und Helmen auf Motorrädern oder sich beim Fahren ablenken zu lassen.

Eine schlechte Infrastruktur verschärft diese Probleme. Die Straßen haben meist zu wenige Spuren und oft keine Gehwege. Fehlende Straßenbeleuchtung kann nachts tödlich sein. Schlaglöcher sind keine Seltenheit, und bei schweren Unfällen kommt es oft zu Staus. Krankenwagen sind rar und bleiben nur allzu oft im Stau stecken. Von Hubschraubern können viele Ersthelfer nur träumen. Auch sonst sind die Gesundheitssysteme schwach, sodass Patienten oft keine zeitgemäße Behandlung erhalten, die Leben retten oder Langzeitfolgen mildern könnte. Außerdem sind in vielen Fällen weder die Unfallverursacher noch die Verletzten versichert.

Erschwerend kommt hinzu, dass Autos und Lastwagen oft in schlechtem Zustand sind, zum Beispiel sind Beleuchtung oder Bremsen mangelhaft. Zudem werden Fahrzeuge oft mit zu vielen Insassen und zu viel Fracht überladen.

Politik ist wichtig

Staatliche Maßnahmen können helfen. Gesetze müssen gut konzipiert, kompetent überwacht und strikt durchgesetzt werden. Zu einem gewissen Grad stellen sich die afrikanischen Länder dieser Herausforderung, aber viele haben noch einen langen Weg vor sich.

Alle 13 vom ARSO 2016 und 2019 befragten Länder gaben an, dass ihre Regierungen nationale Gesetze zu diesem Thema verabschiedet hatten. Sie schränken den Drogenkonsum am Steuer ein und regeln die Nutzung von Mobiltelefonen und Helmen. Es gab auch Gesetze gegen Trunkenheit am Steuer, allerdings schrieb nur ein Land das Anlegen von Sicherheitsgurten gesetzlich vor (zur Durchsetzung der gesetzlichen Registrierungspflicht von Motorrädern in Malawi, siehe Raphael Mweninguwe auf www.dandc.eu).

Von den weiteren 22 Ländern, die 2019 befragt wurden, bestätigten 16, dass eine Regierungsbehörde oder ein Ministerium mit der Straßenverkehrssicherheit betraut wurde. Sieben gaben an, nationale Strategien für die Straßenverkehrssicherheit verabschiedet zu haben. In nur zwei Fällen waren diese Strategien jedoch vollständig finanziert.


Ben Ezeamalu arbeitet als Journalist für die Premium Times in Lagos.
ben.ezeamalu@gmail.com
Twitter: @callmebenfigo 

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