Gesetzgebung

Örtliche Eigenverantwortung

Aus Sicht der Welthungerhilfe ist das neue Landrecht Liberias ein Meilenstein auf dem Weg zu einer selbstbestimmten ländlichen Entwicklung. Da es mit breiter öffentlicher Beteiligung formuliert wurde, entspricht es sowohl der Geschichte des Landes als auch den aktuellen Notwendigkeiten. Beides ist wichtig – und zwar besonders in einer von Bürgerkrieg schwer traumatisierten Gesellschaft.
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„Land grabbing“ ist in vielen Entwicklungsländern ein ernstes Problem. Menschen werden aus ihren Dörfern vertrieben und ihrer Lebensgrundlage beraubt, weil Regierungen die ländliche Entwicklung schnell vorantreiben wollen und zu diesem Zweck private Investitionen in Agrarregionen fördern. Gewohnheitsrechte übergehen sie dabei allzu oft. Wegen solch fehlgeleiteter Politik brauchen manche Menschen heute sogar humanitäre Hilfe.

Diese Art von Landraub geschieht in komplexen sozialen Kontexten mit vielen Akteuren und weit divergierenden Interessen. Angesichts dieser Vielschichtigkeit setzt das „Land for Life“-Programm der Welthungerhilfe, das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt wird, auf Multi-Stakeholder-Partnerschaften zur Regelung von Landfragen. Es geht darum, Staat, Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft und Wissenschaft in die Debatte einzubeziehen, um gemeinsam zu lernen und neue Perspektiven zu entwickeln.

Das Konzept ist innovativ, weil kein vordefiniertes Ergebnis angestrebt wird. Das Ziel ist vielmehr, die Partner auf der Basis einer gemeinsamen Bewertung von Chancen und Risiken in die Lage zu versetzen, eigene und langfristig wirksame Lösungen zu finden. In Anerkennung bestehender Machtverhältnisse unterstützt die Welthungerhilfe dabei besonders örtliche Gemeinschaften und deren Vertreter. Sie müssen sich artikulieren und ihre Rechte einfordern können.

In Liberia haben sich viele unabhängige Organisationen in der Civil Society Working Group on Land Rights zusammengeschlossen und so starken Einfluss auf die jüngste Landrechtreform genommen. Ihre landesweite Kampagne wurde von internationalen Partnern unterstützt (unter anderen International Land Coalition, Oxfam und Welthungerhilfe). Mit zeitnaher und flexibler Unterstützung – inklusive finanzieller Zuschüsse – stärkten sie die Stimmen und die Kreativität der Zivilgesellschaft. Selbstverständlich müssen bei solchen Kampagnen zivilgesellschaftliche Organisationen vor Ort das Ruder in der Hand haben.

Das neue Gesetz ist erst seit wenigen Wochen in Kraft, seine Wirkung lässt sich also noch nicht beurteilen. Die internationale Erfahrung lehrt aber, dass Gesetzesanspruch und Gesetzeswirklichkeit häufig auseinanderklaffen, sodass es jetzt auf gute Umsetzung ankommt.

Eine erste Lektion der „Land for Life“-Initiative ist jedenfalls, dass viel Zeit nötig ist, um viele Interessengruppen einzubeziehen und Vertrauen aufzubauen. Derweil sind aber Lösungen, die in auf breite Inklusion ausgerichteten Verhandlungsprozessen gefunden werden, oft nachhaltig und haben dabei das Potenzial, Strukturen langfristig zu ändern. Folglich ist der neue Land Rights Act Liberias ausgesprochen vielversprechend. Positiv ist zudem das ausgeprägte Engagement der Zivilgesellschaft, das zu wirksamer Rechtsdurchsetzung beitragen dürfte. Mit BMZ-Unterstützung begleitet das „Land for Life“-Programm ähnliche Initiativen in Sierra Leone, Burkina Faso und Äthiopien.


Constanze von Oppeln ist bei der Welthungerhilfe in Bonn verantwortlich für die „Land for Life“-Initiative.
constanze.vonoppeln@welthungerhilfe.de

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