Konkurrenz belebt das Geschäft

Aus afrikanischer Sicht beweist China, dass Entwicklungserfolge möglich sind – und dass sie nicht unbedingt auf der Befolgung westlicher Rezepte beruhen. Selbstverständlich spiegelt das Engagement der Volksrepublik südlich der Sahara eigene Wirtschaftsinteressen wider – aber westliche Regierungen haben wenig Legitimation, das zu beanstanden.

[ Von Heribert Dieter ]

Das wirtschaftliche und politische Erstarken Chinas schlägt sich nicht mehr nur in dem stetig wachsenden Anteil Chinas am Welthandel nieder, sondern erfasst nun auch die außen- und entwicklungspolitische Debatte. Seit einiger Zeit wird Chinas Außenwirtschafts- und Wechselkurspolitik in westlichen Industrieländern kritisch kommentiert. Nunmehr gilt das auch für Chinas Verhältnis zu afrikanischen Ländern.

Die breitere Öffentlichkeit wurde auf die Aktivitäten Chinas während der Afrikareise von Staatspräsident Hu Jintao im Februar aufmerksam. Er besuchte acht Staaten, darunter die rohstoffreichen Länder Sambia, Südafrika und Sudan. Wenige Monate zuvor, im November 2006, hatte seine Regierung den ersten chinesisch-afrikanischen Gipfel in Peking veranstaltet, bei dem 48 afrikanische Staaten vertreten waren, davon 41 durch die jeweiligen Staats- oder Regierungschefs.

Dieser Gipfel dokumentierte die Veränderung des Verhältnisses Chinas zu Afrika. Einer der großen Gewinner der Globalisierung, China, vertieft seine Beziehungen zu den Ländern, die zumindest bislang von der Vertiefung der internationalen Arbeitsteilung nicht profitiert haben.

Die Hinwendung Chinas zum afrikanischen Kontinent erweitert den Kreis der Länder, die sich um die Entwicklung Afrikas bemühen. Da den traditionellen Geberländern der große Durchbruch bei der Entwicklung Afrikas bislang nicht gelungen ist, sollte diese Erweiterung im Grunde auf Zustimmung stoßen.

Westliches Unbehagen

Doch Chinas Politik gegenüber afrikanischen Ländern wird im Westen nicht mit Wohlwollen verfolgt. So beklagte Ende des vergangenen Jahres der Präsident der Europäischen Investitionsbank, Philippe Maystadt, die wachsende Konkurrenz durch chinesische Gläubiger. Zwischen westlichen Entwicklungsbanken einschließlich der Weltbank und China entstünde ein Wettlauf, der die Entwicklungsbemühungen des Westens konterkariere (Financial Times, 29. November 2006). Während westliche Kreditgeber sich umfassend um das Wohl vor allem afrikanischer und asiatischer Länder kümmerten und auf die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards achteten, hätten chinesische Gläubiger vor allem eigene kommerzielle Interessen im Sinn und würden westliche Geber verdrängen. Wegen der möglichen Missachtung von Umwelt- und Sozialstandards kritisieren auch westliche Konzerne das Engagement Chinas. Sie fürchten, von der asiatischen Konkurrenz ausgebootet zu werden.

Doch nicht nur Investitionen, sondern auch die Kreditvergabe Chinas wird beanstandet. Der britische Entwicklungsminister Hilary Benn warnte die chinesische Regierung, die Vergabe zinsgünstiger, nicht an Auflagen gebundener Kredite könnte dazu führen, dass sich eine neuerliche Verschuldungsspirale in Afrika entwickeln würde (The Guardian, 8.2.2007), nachdem doch vielen Ländern Schulden erlassen worden waren. Ähnlich mahnte Weltbankpräsident Paul Wolfowitz Ende 2006, die Kredite Pekings könnten sich zu einem Problem für afrikanische Länder entwickeln.

Zwar sind diese Warnungen nicht völlig unberechtigt, aber bei genauer Betrachtung überzeugen sie nicht. Vielmehr muss man fragen, ob westliche Geber – angesichts des Versagens der Entwicklungspolitik in weiten Teilen Afrikas – legitimiert das Engagement Chinas kritisieren können. Hat der Westen sich etwa in der Vergangenheit stets um die Beachtung von Menschenrechten und die Einhaltung von Sozialstandards bemüht? Und haben westliche Länder die Zusammenarbeit mit höchst fragwürdigen Regimen – etwa in Simbabwe – früher verweigert?

Außerdem ist zu fragen, mit welchem Erfolg die Entwicklungsbanken der Industrieländer Afrika geholfen haben. Die ernüchternde Antwort lautet, dass die Kredite des Westens insgesamt zumindest keinen erkennbaren Nutzen gebracht haben. William Easterly (2006) verweist in seiner Bilanz westlicher Entwicklungspolitik zu Recht auf die fragwürdige Bilanz der Arbeit der Weltbank. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht des kanadischen Senats (2007) zieht eine nüchterne Bilanz: Von 1965 bis 2004 fiel die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung in afrikanischen Ländern südlich der Sahara von 17,1 Prozent des Weltdurchschnitts auf 9,7 Prozent – trotz oder vielleicht sogar wegen Entwicklungshilfezahlungen von fast 600 Milliarden Dollar seit 1960.

Es wäre falsch, die ausgebliebene Entwicklung Afrikas allein der westlichen Entwicklungshilfe im Allgemeinen und den Entwicklungsbanken im Besonderen anzulasten. Dennoch sollte der Westen die Konkurrenz chinesischer Geber vor diesem Hintergrund besser nicht zu laut kommentieren.

Die chinesische Konkurrenz deckt vielmehr Schwächen der westlichen Kreditvergabe schonungslos auf. Einerseits propagiert der Westen seit einigen Jahren stärkere Eigenverantwortung afrikanischer Länder. Andererseits steht die geforderte „ownership“ aber im Widerspruch zu den Auflagen, auf die der Westen keineswegs verzichtet. Man muss nicht Easterlys Einschätzung, dies stelle postmodernen Imperialismus dar, teilen – konsequent handeln westliche Geber gewiss nicht. Eigenverantwortung in engen, von Gebern gesetzten Grenzen ist keine.

Bizarr wird es aber, wenn die chinesische Regierung gemahnt wird, bei ihrer Kreditvergabe die Messlatte des Westens zu übernehmen, wie dies Benn tat. Von China zu verlangen, es solle auf die Wahrung von Menschenrechten achten, wirft natürlich die Frage auf, warum gerade China – selbst der Verletzung der Menschenrechte bezichtigt – dies tun sollte. Die chinesische Replik, die Überwindung der Armut sei der wichtigste Beitrag zur Sicherung von Menschenrechten in armen Ländern, kommt in Afrika gut an.

Die Kritik an China übersieht gern, dass die Auflagen westlicher Geber keineswegs nur hehren Zielen wie der Wahrung von Menschenrechten oder der Bekämpfung von Armut galten und gelten. Vielmehr wurden und werden afrikanische Länder von Weltbank und Internationalem Währungsfonds zu wirtschaftspolitischen Maßnahmen gezwungen, deren Erfolg zweifelhaft ist – beispielsweise die vielen Ländern oktroyierte Privatisierungs- und Liberalisierungspolitik.

Vorbild Volksrepublik

Während in der Vergangenheit westliche Auflagen in Entwicklungsländern nur selten zu nachhaltigem Wachstum geführt haben, zeigt China, dass die Missachtung einiger dieser Ratschläge zu ökonomischem Erfolg führen kann. China hat weder seinen Wechselkurs noch seinen Kapitalverkehr freigegeben, und gerade deshalb blieb dem Land eine große Krise in den letzten 25 Jahren erspart. Die chinesischen Regierungen haben privaten Unternehmern sehr viel Raum gegeben, aber nicht durch blinde Senkung der Staatsausgaben die eigene Handlungsfähigkeit untergraben.

Der Aufbruch Chinas in die Moderne macht vielen Menschen in anderen Entwicklungs- und Schwellenländern Hoffnung. Noch vor weniger als 30 Jahren war China ein armes Land, geprägt von mäßig effizienter Landwirtschaft und nicht konkurrenzfähigen Staatsbetrieben. Heute ist China die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt und hat die alten Kolonialmächte Frankreich und Britannien auf die Plätze verwiesen. Entwicklung ist also möglich, und die Hierarchien in der Weltwirtschaft sind veränderbar.

China ist nicht zuletzt deshalb für viele afrikanische Länder ein attraktiver Partner, weil sein Erfolg ein Leitbild darstellt. Armutsbekämpfung ist in China zwar noch nicht abgeschlossen, aber doch sehr viel besser gelungen, als vielfach erwartet wurde. China und in zunehmendem Maße Indien zeigen allen Entwicklungsländern, dass eine Vertiefung der internationalen Arbeitsteilung nicht zu Lasten der Armen verlaufen muss.

Selbstverständlich wäre es naiv, die Aktivitäten Pekings für altruistisch zu halten. China ist am Zugang zu Rohstoffen interessiert. Seine Investitionen in afrikanischen Ländern ähneln durchaus dem Muster der ehemaligen Kolonialmächte. Zur Sicherung der Rohstoffversorgung werden Straßen und andere Infrastrukturprojekte finanziert – und häufig von chinesischen Firmen gebaut. Auch dies erinnert an die Kolonialzeit. Aber China stellt afrikanischen Ländern auch Kredite bereit, und daran hat es dem Kontinent in letzter Zeit gemangelt. Die privaten Akteure auf internationalen Finanzmärkten machen seit Jahrzehnten um Afrika einen großen Bogen, und Kredite staatlicher Geber haben die Lücken nicht geschlossen.

Die neue Rolle Chinas in der Weltpolitik sorgt dafür, dass kritisch hinterfragt wird, auf welche Art und Weise Peking künftig seinen Einfluss ausüben wird. Ist die heutige Phase der chinesischen Außen(wirtschafts)politik Ausdruck einer am gleichberechtigten Zusammenleben der Völker orientierten Sicht der internationalen Beziehungen? Oder befindet sich China in einer Phase des Übergangs vom Entwicklungsland zur Supermacht, an deren Ende eine klassische machtorientierte Außenpolitik stehen wird? Über diese Frage kann aus heutiger Perspektive nur spekuliert werden, und es erscheint übertrieben, Pekings heutige Rhetorik des friedlichen Aufstiegs Chinas für bare Münze zu nehmen. Falls China zu einer Supermacht aufsteigen sollte, könnte der „gütige Hegemon“ sich als weniger friedfertig als heute erweisen.

Solche Überlegungen spielen aber für die Bewertung der heutigen Politik Chinas nur eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist, wie andere Staaten seine Politik wahrnehmen. Peking feierte in dieser Hinsicht in den vergangenen Jahren einen Erfolg nach dem anderen.

Chinas Rhetorik, die sich auch in der Außenpolitik im asiatisch-pazifischen Raum wiederfindet, betont den partnerschaftlichen Charakter der zwischenstaatlichen Beziehungen. China hebt das Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten der Partnerländer hervor und baut auf gegenseitigen Respekt und Vertrauen. China betont, dass afrikanische Länder einen eigenen, selbst gewählten Weg der Entwicklung nehmen können. Kritiker sehen dies als Legitimation von Geschäftsbeziehungen zu umstrittenen Regierungen wie etwa Sudan oder Zimbabwe. Aber für viele afrikanische Beobachter klingt dies ganz anders: China signalisiert, dass Kredite ohne die Forderungen nach demokratischen Reformen, der Durchsetzung von „guter Regierungsführung“ und Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung vergeben werden.

Während westliche Geber sich stark – und nicht immer koordiniert – in die inneren Angelegenheiten von afrikanischen Entwicklungsländern einmischen, bietet China einen Gegenentwurf und nennt dies „Wohlstand in partnerschaftlicher Harmonie“. Zwar sind die Ziele des Westens an und für sich nicht strittig, aber die Verbindung von Hilfe und Auflagen entmündigt die Nehmerländer.

China hat mit seiner Politik Erfolg – nicht nur in Afrika. Erkennbar war dies zunächst in Ost- und Südostasien. Während China noch vor einem Jahrzehnt dort sehr kritisch wahrgenommen wurde, hat sich das Blatt heute gewendet. Der amerikanische Chinaexperte David Shambaugh hat schon 2004 darauf hingewiesen, dass China heute „guten Willen und Konsumgüter und nicht mehr Waffen und Revolution“ exportiere.

Die chinesische Regierung hat im letzten Jahrzehnt mit großem Erfolg politische Fehlentscheidungen sowohl des reichen Nachbarn Japan als auch der Vereinigten Staaten systematisch genutzt. In der Asienkrise der Jahre 1997 und 1998 wertete Peking die eigene Währung nicht ab und trug damit zur Beendigung der Krise bei. Während Japan in der Asienkrise keine überzeugenden Rezepte vorlegte und die USA die Schwäche einiger Länder zur Durchsetzung lange gehegter Ziele – etwa der Erleichterung von Direktinvestitionen in Südkorea – nutzten, präsentierte sich China als verlässlicher, uneigennütziger Nachbar.

Vor einigen Jahren wurde der Wandel in der Wahrnehmung Chinas bei zwei Staatsbesuchen in der australischen Hauptstadt schlagartig verdeutlicht. Im Oktober 2003 besuchten die Präsidenten Amerikas und Chinas innerhalb von zwei Tagen Canberra. Hu Jintao wurde freundlich aufgenommen, er malte ein Bild der gemeinsamen Zukunft in Harmonie und Wohlstand. George Bush dagegen musste vor Demonstranten geschützt werden – sogar bei seiner Rede vor dem australischen Parlament. Er sprach nicht von Chancen, sondern von Bedrohungen und Feinden. Zehn Jahre zuvor wäre diese Rollenverteilung unvorstellbar gewesen.

Ausbau von Allianzen

Im Grunde erleben wir also heute in Afrika nur eine Fortsetzung der Geschichte, die im asiatisch-pazifischen Raum ihren Ausgang nahm. China baut seine Allianzen aus und verknüpft sehr geschickt den Hunger von Entwicklungsländern nach respektvoller Behandlung mit den eigenen, wirtschaftlichen Interessen an der Sicherung der Versorgung mit Rohstoffen. Auch die Außenhandelsinteressen Chinas kommen nicht zu kurz: Im asiatisch-pazifischen Raum verfolgt China gegenwärtig 27 bilaterale und regionale Freihandelsinitiativen, wobei sich die Mehrzahl davon freilich noch im Verhandlungsstadium befinden. Aber die bereits weit vorangeschrittenen Verhandlungen mit der ASEAN-Gruppe weisen die Richtung. China und die ASEAN wollen bis zum Jahr 2010 eine Freihandelszone schaffen und haben in einigen Bereichen schon wichtige Schritte implementiert. In der Folge stiegen beispielsweise die Agrarausfuhren Thailands nach China deutlich.

Damit wird ein weiterer Faktor der chinesischen Außenwirtschaftspolitik deutlich: Das Land steigert nicht nur seine Exporte, sondern legt auch bei den Einfuhren deutlich zu. China ist heute – nach den USA und Deutschland – der Welt drittgrößter Importeur. Anders als Japan hat sich China schon in einer relativ frühen Phase seiner Entwicklung weitgehend geöffnet, und dies auch in Feldern wie der Landwirtschaft, die für Entwicklungsländer noch immer von großer Bedeutung sind. Die Importregime Japans, der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten sind für Agrargüter nicht so liberal wie das Chinas.

China belebt also den Wettbewerb in den internationalen Beziehungen. Im Fall Afrikas gilt das besonders. Dies muss kein Nachteil sein. Es trägt zur Erweiterung der Wahlmöglichkeiten afrikanischer and anderer Staaten bei. Indes wäre das Engagement Chinas anders zu bewerten, hätten westlicher Geber eine bessere Bilanz aufzuweisen. Zugleich deutet sich an, dass Chinas Engagement in der asiatisch-pazifischen und anderen Regionen weiter zunehmen wird. Anfang Februar 2007 ließ die Regierung in Peking verlauten, sie prüfe die Auflage eines mit mindestens 200 Milliarden Dollar ausgestatteten Investmentfonds (Asia Times, 3.2.2007).

Vor dem Hintergrund der drastisch gestiegenen Devisenreserven des Landes, die sich heute auf 1,2 Billionen Dollar (ohne Hongkong) belaufen, kann der chinesische Staat diese Summe ohne weiteres mobilisieren. Der Fonds mit dem Namen „National Foreign Exchange Investment Company“ soll direkt der chinesischen Regierung unterstehen und zunächst dazu beitragen, die Rendite aus den Devisenreserven Chinas zu erhöhen. Ein durchaus erwünschter Nebeneffekt ist, dass mit diesem Fonds der chinesische Staat im Ausland als Großinvestor, nicht zuletzt bei Rohstoff- und Energieinvestitionen, auftreten wird. Die zu investierende Summe beläuft sich auf ein Vielfaches der jährlichen Entwicklungshilfe aller OECD-Länder. Der Wettbewerb mit China hat gerade erst begonnen.

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