Leserzuschriften

Leserbriefe

Zwei Leserzuschriften aus Deutschland.

Chancen für Frauen, E+Z/D+C 5/2007

Ungläubig und verständnislos habe ich die Schwerpunktartikel zum Thema Frauen gelesen, um festzustellen, dass die Autorinnen ohne ein einziges Wort zur Beschneidung von Frauen auskommen. Liegt das daran, dass Frauen trotzdem funktionieren und die Menschen auf dem afrikanischen Kontinent am Leben halten? Oder ist das Thema so peinlich, dass es lieber nicht angesprochen wird? Oder ist die Hilflosigkeit angesichts des Elends zu groß? Die schiere Dimension der unvorstellbaren Verstümmelung kleiner Mädchen und die folgende lebenslange Folter der Frauen kann trotzdem nicht einfach mit Schweigen und Selbstlob angesichts anderer erfolgreicher Projektansätze übergangen werden. Natürlich ist mir klar, dass viel Überzeugungsarbeit auf lokaler Ebene nötig ist, um diese Praxis zu beenden. Aber dafür führt die Entwicklungszusammenarbeit doch Projekte durch, oder nicht? Im Übrigen ist diese Überzeugungsarbeit wesentlich leichter als erwartet. Von der Politik ist zu erwarten, dass sie auf Gesetze zum Verbot der Beschneidung drängt – immer noch ist sie in 14 afrikanischen Ländern erlaubt. Das Thema muss Teil der verlangten Good Governance sein.

Gerli Lantzberg, Burggen

Chancen für Frauen, E+Z/D+C 5/2007

Frauen sind der Schlüssel zur Entwicklung. Dieses Motto macht sich nicht nur die deutsche Entwicklungszusammenarbeit zu eigen. Inzwischen ist es weitgehend Konsens, dass Frauen als Trägerinnen von Entwicklungsprojekten gefördert werden sollten. Jedoch geben insbesondere Entwicklungsexpertinnen aus Ländern des Südens zu bedenken, dass Frauen keineswegs eine homogene Gruppe bilden. In zahlreichen Studien weisen sie nach, dass isolierte Frauenförderprojekte oft nur einer kleinen Elite zugute kommen. Nicht selten erweitert sich durch die spezifische Projektförderung die soziale Kluft zwischen einigen erfolgreichen Frauen, zum Beispiel Kreditnehmerinnen, und einer steigenden Zahl an Witwen und Teenager-Müttern. Jedoch hätten diese die wirtschaftliche Unterstützung dringend nötig – und das keineswegs nur in Nachkriegsgesellschaften.

Frauenzusammenschlüsse überbrücken die Kluft nur begrenzt, zumal etliche Organisationen oder Spargruppen Mitgliedsbeiträge verlangen, die diese marginalisierten Frauen und Mädchen nicht aufbringen können. Als Haushaltsleiterinnen lastet jedoch die Versorgung von Kindern, (AIDS-)Kranken und Alten auf ihren Schultern. Frauenkreditprogramme und Frauengruppenförderung bieten also keine Garantie, dass wirklich diejenigen erreicht werden, die eigentlich Zielgruppen sein sollten. Das betrifft vor allem Gesellschaften mit brüchigen Netzen zur sozialen Sicherung. Auch eine große Zahl von Kreditnehmerinnen löst keineswegs die ersehnten Trickle-Down-Effekte aus.

Zudem zählen Frauen keineswegs automatisch zu den Gewinnerinnen rein ökonomistisch konzipierter Förderprogramme. Wenn Projekte die ehelichen oder partnerschaftlichen Machtverhältnisse und die spezifischen, kulturell geprägten Maskulinitätskonstrukte nicht beachten, dann haben sie die Rechung ohne die Männer gemacht. Diese fühlen sich vielerorts durch die einseitige Frauenförderung bedroht und in ihrem Selbstverständnis angegriffen. Oft sind erfolgreiche Kreditnehmerinnen einem Anstieg an ehelicher Gewalt ausgesetzt, wenn es keine flankierenden Projektansätze zur Veränderung der Einstellungen von Männern gibt. Das ist keineswegs nur in sehr konservativen Gesellschaften zu beobachten, sondern auch in Ländern, die sich umfassende Frauenförderprogramme und geschlechtergerechte Gesetzesreformen auf die Fahnen geschrieben haben. Ein Beispiel ist Südafrika, das als Vorreiterin für Gender-Mainstreaming und Gender-Budgets gilt. Dort sind häusliche und sexuelle Gewalt trotzdem endemisch und steigend. Die grassierende HIV/AIDS-Epidemie, die sexistischen AIDS-Mythen und der mangelnde Medikamentenzugang führen dazu, dass diese Gewaltformen für zahllose Frauen und Männer tödlich sind.

Kurz: Frauenförderung ja, aber nur wenn weitere Gender-Dimensionen beachtet und Männer gezielt als Transformationsakteure gewonnen werden – und zwar in den Bereichen, die Maskulinität vielerorts prägen: Sexualität, reproduktive Entscheidungsmacht, ökonomische Kontrolle und Gewalt. Dazu gibt es einige wenige vielversprechende Ansätze, die größere Verbreitung finden sollten. Gefordert sind nicht nur die lokalen Zielgruppen, Organisationen und Institutionen, sondern auch hiesige Geber und Planer. Denn Geschlechtergerechtigkeit und Partnerschaft lassen sich nicht dadurch erreichen, dass die Entwicklungspolitik eine neue Frauenkuschelecke mit selbstgeschneiderten und in großen Mengen auf Kredit produzierten Ruhekissen einrichtet.

Rita Schäfer, Essen

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