Finanzwirtschaft

Geldfluss über M-Pesa

Geldtransfers waren in ländlichen Gegenden Afrikas früher mühsam, insbesondere für arme Menschen und Analphabeten. Dank M-Pesa sind nun Überweisungen per Handy möglich – und das macht vieles leichter.
Ein Laden im kenianischen Voi, der M-Pesa-Dienste anbietet. Sheila Mysorekar Ein Laden im kenianischen Voi, der M-Pesa-Dienste anbietet.

Thomas Masagati hatte seine Zweifel. Der Geschäftsmann wollte seiner Mutter zu Weihnachten Geld nach Musoma im Norden Tansanias schicken, war aber skeptisch, als er M-Pesa zum ersten Mal dafür nutzte. Das war im November 2008, nur wenige Monate nachdem Vodacom Tanzania mobile Geldtransfers im Land eingeführt hatte.

Damals war M-Pesa noch wenig gebräuchlich. Masagati hatte zudem das Problem, dass seine Mutter kein eigenes Handy hatte, sondern das ihrer Nachbarin nutzte, um mit ihm zu sprechen. „Ich musste meiner Mutter regelmäßig Geld nach Musoma schicken, aber da sie kein eigenes Konto hatte, war das immer mit viel Aufwand und Risiko verbunden", erzählt Masagati. Jetzt, wo seine Mutter ein eigenes Handy hat und es M-Pesa gibt, ist alles einfacher geworden.

Inzwischen ist M-Pesa in ganz Ostafrika verbreitet. Laut einem Bericht der Groupe Spéciale Mobile Association (GSMA) – einem Verband von Mobilfunkanbietern – nimmt die Nutzung weiter zu.

 

Bankgeschäfte für Arme

„M-Pesa" setzt sich zusammen aus „mobil" und „pesa", dem Suaheli-Wort für Bargeld. Das System wurde zuerst in Kenia eingeführt. Laut Weltbank hat es den Armen das Finanzwesen erschlossen. „M-Pesa ist ein kostengünstiges elektronisches Bezahl- und Wertaufbewahrungssystem, das über einfache Handys genutzt werden kann. Der Dienst ist erschwinglich und hat der armen Bevölkerung Kenias formale Finanzdienste zugänglich gemacht."

M-Pesa erlaubt Kunden:

  • Geld einzuzahlen und abzuheben,
  • Geld an andere M-Pesa-Nutzer und sogar Nicht-Nutzer zu überweisen,
  • Rechnungen zu zahlen,
  • Handy-Sprechzeit zu kaufen und
  • Geld auf ein Bankkonto zu überweisen.

M-Pesa ist aus verschiedenen Gründen sehr populär. In Kenia, Uganda und Tansania versorgt oft ein Einzelner die ganze Familie, die aber oft weit entfernt lebt. Überweisungen an die auf dem Land lebenden Angehörigen sind gang und gäbe. Früher war das sehr schwierig, weil die Infrastruktur dafür fehlte. Laut GSMA hatten im Jahr 2006 nur acht Prozent der Tansanier ein Bankkonto (heute sind es um die 17 Prozent). Die gängigen Methoden, Geld zu überbringen, waren früher recht unsicher. So wurden Freunde oder Busfahrer gebeten, das Geld mitzunehmen. Manchmal wurde Geld auch in Briefumschlägen mit der Post verschickt.

Im Jahr 2002 finanzierte das Department for International Development (DfID) der britischen Regierung eine Studie. Durchgeführt wurde sie von Gamos (einer Firma, die sich auf die soziale Nutzung von Technologien spezialisiert hat) und der Commonwealth Telecommunications Commission. Dabei kam heraus, dass die Menschen in Uganda, Botswana und Ghana ihre Handy-Sprechzeiten wie Geld nutzten. Sie übertrugen Freunden und Verwandten Sprechzeit, die diese dann nutzten oder weiter verkauften.

Die Forscher von Gamos wendeten sich an MCel, einen Telekommunikationsanbieter in Mosambik. 2004 führte MCel den ersten formal konzipierten Sprechzeit-Tauschdienst ein. Das war ein erster Schritt in Richtung M-Pesa. Das DfID brachte Programmentwickler mit Vodafone zusammen, um ein System zur mobilen Geldüberweisung zu entwickeln. Im April 2007 lancierte dann das kenianische Telekommunikationsunternehmen Safaricom M-Pesa – und nutzte dafür eine von Studenten entwickelte Software.

Im April 2008 führte Vodacom M-Pesa in Tansania ein. Vierzehn Monate später hatte das Unternehmen bereits 280 000 Nutzer registriert, die umgerechnet 5,5 Millionen Dollar pro Monat überwiesen. Im Mai 2013 verkündete das Unternehmen, dass mehr als fünf Millionen M-Pesa-Nutzer in Tansania zusammen mehr als 820 Millionen Dollar transferierten.

Vodacom nutzt einen Treuhandfonds zur Sicherung der Geldeinlagen. In Tansania wurde eine Holding-­Gesellschaft eingerichtet, deren unabhängige Direktoren als Treuhänder für alle M-Pesa-Fonds fungieren.

 

Regulation des mobilen Geldflusses

Die Einführung von M-Pesa kam für viele Banken überraschend. Sie beanstandeten, dass mobiles Banking nicht gesetzlich reguliert sei. Die Regierung veranlasste daraufhin, dass Transaktionen mit Handys kontrolliert und beaufsichtigt werden sollen.

Laut Tanzania Communications Regulatory Authority (TCRA) wurde 2011 eine Absichtserklärung (memorandum of understanding – MoU) mit der Bank of Tanzania (BoT) unterzeichnet, um mobile Geldtransfers zu regulieren. So soll ein Koordinationsmechanismus für die regulatorische und überwachende Funktionen zwischen den beiden Institutionen entstehen. Die Zentralbank wird die Finanztransaktionen regulieren, die TCRA dagegen die Infrastruktur zur Kommunikation überwachen. Die Absichtserklärung soll den Weg für das neue Gesetz ebnen.

John Nkoma, der Generaldirektor der TCRA, befürwortet M-Pesa: „Dieses System ist aus der Not entstanden. In Europa nutzen viele eine Kreditkarte – in unserem Teil der Welt aber ist das nicht üblich. Somit hat sich die Zahlung per Handy ganz natürlich entwickelt, aus dem Mangel an Nutzungsmöglichkeiten der Kreditkarte und weil weniger Bargeld genutzt wird." Offiziellen Statistiken zufolge leben 80 Prozent der 45 Millionen Tansanier auf dem Land.

 

Kredit für Kleinunternehmerinnen

M-Pesa hat jedoch nicht nur einen Wandel bewirkt, was Geldüberweisungen angeht. Die innovative Dienstleistung hat das Leben vieler Menschen, auch das armer Frauen, in vielen Teilen des Landes verändert.

2010 startete Vodacom die M-Pesa Women Empowerment Initiative (MWEI), um Kleinunternehmerinnen in abgelegenen Gegenden und städtischen Armutsvierteln zu unterstützen. Bisher hat MWEI Kredite in Höhe von mehr als 200 000 Dollar in 42 Distrikten Tansanias vergeben, sagt Grace Lyon von der MWEI: „Wir vertrauen unseren Frauen, die täglich hart dafür arbeiten, ihr Leben zu verbessern. Wir geben ihnen einen Vorschuss – und sie zahlen die Kredite gewissenhaft zurück."

Zu den Begünstigten der kürzlich vergebenen zinsfreien Kredite gehört Tausi Mjape aus dem Distrikt Temeke in Dar es Salaam. Sie ist eine von mehr als 400 Unternehmerinnen, die jetzt ihren eigenen kleinen Betrieb gründen oder vergrößern können.

„Es war nicht leicht, mein Business zu vergrößern", sagt Tausi Mjape, die einen kleinen Lebensmittelstand unterhält. „Wenn man ein kleines Unternehmen hat, kommt man nicht an Kredit, weil die Banken hohe Anforderungen haben. Selbst wenn eine Bank mir einen Kredit geben würde, hätte ich noch das Problem sehr hoher Zinsen." Von WMEI erhielt sie ein Darlehen von 50 000 Schilling (knapp 30 Dollar), um zu investieren.

Auch MWEI-Kreditaus- und -Rückzahlungen laufen über M-Pesa. Frauen, die keine Aussicht auf Kredite von Geschäftsbanken haben, werden ermuntert, sich zusammenzutun, um zinsfrei 5000 bis 150 000 Schilling zu bekommen. MWEI verfolgt das einmalige Prinzip, dass, sobald eine Frau aus der Gruppe ihren Kredit zurückzahlt, eine andere aus derselben Gruppe das Geld bekommt. So werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Rückzahlung eines Kredits ist für die Gruppe sehr wichtig und sichert zugleich, dass immer mehr Frauen ein zinsfreies Darlehen erhalten. Das ist eine der vielen Ansätze, über die M-Pesa das Leben armer Menschen in Afrika verbessert.

M-Pesa erweist sich auch in anderen Weltgegenden als nützlich, um Finanzdienstleistungen zu verbessern. Eines der ersten Länder, das M-Pesa einführte, war Afghanistan. Die Regierung nutzte den Dienst schon 2007, um Beamte zu bezahlen. Kürzlich wurde M-Pesa in Indien eingeführt. Dort heißt es „M-Paisa" – Paisa ist der Name der Rupien-Cents.

 

Kilasa Mtambalike ist Redakteur des Tanzania Standard. Er lebt in Dar es Salaam.
kmtambalike@yahoo.com

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