Behinderung

Warum Inklusion sich auszahlt

Ein neues Fachbuch der Christoffel-Blindenmission (CBM) belegt, dass inklusive Entwicklungsarbeit auch wirtschaftlich Sinn macht. Und es nimmt die politischen Akteure in die Pflicht.
Der gehbehinderte Someon Otieno aus Kenia ist heute ein erfolgreicher Geschäftsinhaber. CBM Der gehbehinderte Someon Otieno aus Kenia ist heute ein erfolgreicher Geschäftsinhaber.

Können Regierungen es sich leisten, Frauen und Männer, Mädchen und Jungen mit Behinderungen weiterhin auszuschließen? Die Antwort lautet: nein. Denn die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen bietet einen Nutzen für die gesamte Gesellschaft – auch in den ärmsten Ländern der Welt. Das gehört zu den Grundüberzeugungen der Christoffel-Blindenmission. Und es ist gleichzeitig die Kernbotschaft ihrer neuesten Veröffentlichung „Inklusion – ein Gewinn für alle. Warum sich inklusive Entwicklungszusammenarbeit lohnt“. Das Fachbuch stützt sich auf Forschungsergebnisse der London School of Hygiene & Tropical Medicine und wird um viele konkrete Beispiele aus der Praxis der CBM ergänzt.

Die Publikation zeigt, dass Investieren in Inklusion auch ökonomisch Sinn macht. Menschen mit Behinderungen, die finanziell ein unabhängiges Leben führen, verursachen geringere Kosten für die Gemeinschaft und tragen selber zur wirtschaftlichen Entwicklung bei. Sie beanspruchen ihre Familien weniger; daher haben auch die Angehörigen mehr Zeit, einem Beruf nachzugehen. Das kann die Steuereinnahmen und vor allem das Bruttosozialprodukt steigern – in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen sogar um bis zu sieben Prozent.

Das Fachbuch schafft erstmals eine solide Datengrundlage, um den bisher nur in der Theorie angenommenen Kreislauf von Behinderung und Armut zu untermauern. Menschen mit Behinderungen gehören nämlich oft zu den Ärmsten der Gesellschaft, sie werden häufig aus wichtigen Lebensbereichen ausgeschlossen. Das gilt vor allem in Entwicklungsländern. Zwar ist die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in der UN-Behindertenrechtskonvention eindeutig als Menschenrecht festgeschrieben. Nach wie vor aber hält sich hartnäckig die Auffassung, inklusive Entwicklung sei in einkommensschwachen Ländern ebenso schwer umzusetzen, wie zu finanzieren.


Ursachen und Kosten von Exklusion

Die Publikation stellt diese Auffassung in Frage. Sie erklärt, welche Kosten durch Ausgrenzung für die Betroffenen selbst, für ihre Familien und für die gesamte Gesellschaft entstehen. Dabei spielen in einigen Ländern auch einstellungsbedingte Barrieren eine Rolle: Behinderungen werden in manchen Kulturkreisen als Bestrafung für eine Sünde gesehen. Das hält viele Familien davon ab, für ihre Angehörigen medizinische Hilfe oder eine Schulbildung in Anspruch zu nehmen. Gleichzeitig fehlt es häufig an politischem Willen. In einigen Regionen der Welt haben die Betroffenen kaum Zugang zu Gesundheitsdiensten, Schulen, öffentlichem Transport, geschweige denn zu Jobs. Wird Menschen mit Behinderungen Bildung verwehrt, zieht das in der Regel auch eine Ausgrenzung im Arbeitsleben nach sich. Dadurch wird ein Entrinnen aus der Armutsfalle immer schwieriger, und die Kosten der Exklusion vervielfachen sich. Umgekehrt haben die Betroffenen, die Bildung und Ausbildung erhalten, bessere Chancen auf eine Beschäftigung, ein höheres Einkommen und eine nachhaltigere Lebenssicherung.


Erst ausgegrenzt, dann Arbeitgeber

Wie sich Inklusion auch für andere auszahlt, erzählt das Buch unter anderem am Beispiel von Someon Otieno aus Kenia. Dass er als Kind Polio hatte und seitdem gehbehindert ist, hat den 48-Jährigen aus Mombasa nicht davon abgehalten, seine Geschäftsidee umzusetzen. Niemand wollte ihm einen Kredit geben, außer ein lokaler CBM-Partner. Heute blickt Otieno stolz auf seinen eigenen Laden für Haushaltswaren. Damit versorgt er nicht nur seine siebenköpfige Familie, sondern bietet auch 13 Mitarbeitern ein Auskommen.

Sein Schicksal ist nur eines von vielen Beispielen in dem Buch. Zudem geben CBM-Mitarbeiter Einblicke in ihre Projektarbeit. Sie erzählen etwa, wie sie der Auffassung entgegenwirken, Menschen mit Behinderungen seien nicht kreditwürdig. So konnte Kenias größte Bank, die Equity Bank, für ein Programm gewonnen werden, das Menschen mit Behinderungen als gleichberechtigte Kunden gewinnen will. Damit leistet die Bank einen wichtigen Beitrag dazu, dass solche Programme sich auch bei anderen Finanzinstituten etablieren.

Trotz dieser Erfolgsgeschichten ist Inklusion in vielen Regionen keine Selbstverständlichkeit. Die CBM appelliert vor allem an die Regierungen und an deren Pflicht, für Chancengleichheit Sorge zu tragen. Denn bei Inklusion und Teilhabe geht es nicht um Mitleid, sondern um Gerechtigkeit und ökonomischen Nutzen.

Esther Dopheide, CBM

Link
CBM, 2016: Inklusion – ein Gewinn für alle. Warum sich inklusive Entwicklungszusammenarbeit lohnt.
http://www.cbm.de/fachpublikationen

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