Parteien in Afrika – unbekanntes Terrain

Matthias Basedau, Gero Erdmann und Andreas Mehler (Hg.):
Votes, Money and Violence. Political Parties and Elections in Sub-Saharan Africa.
Nordiska Afrikainstitutet und University of KwaZulu-Natal Press, Uppsala und Scottsville 2007, 301 S.,
31,00 Euro, ISBN 978-91-7106-579-7

Bei den Gouverneurs-, Parlaments- und Präsidentenwahlen in Nigeria im April 2007 waren in einigen Wahllokalen die Stimmzettel kurz vor Schließung noch nicht eingetroffen. Gleichwohl gab es schon vor Wahlschluss ausgefüllte Ergebnislisten. Im Umfeld der Wahlen waren mehr als 200 Todesopfer zu beklagen, darunter auch Kandidaten. Dennoch hatten sich die Verhältnisse im Vergleich zu früher gebessert. Man dürfe an Wahlen in Nigeria nicht „europäische Maßstäbe“ anlegen, erklärte der scheidende Präsident Olusegun Obasanjo. Aber welche Maßstäbe soll man anlegen, und bis zu welcher Grenze kann man noch von demokratischen Verfahren sprechen?

Das ist eine der Fragen, die dieses Buch aufwirft. Es geht auf einen Kongress von Afrikanisten, Politologen und Ethnologen in Hamburg im Jahr 2003 zurück und bietet einen guten Überblick über den Stand der Erforschung afrikanischer Parteien und Wahlsysteme. Fast alle Autoren beklagen, dass über die afrikanische Parteienlandschaft nur wenig bekannt sei. Es gebe viele Hypothesen und Fragen, aber kaum empirische Daten, um sie zu überprüfen. Kann man, fragt etwa der Mitherausgeber Gero Erdmann, die aus der europäischen Parteienforschung stammenden Einteilungen wie „konservativ“, „liberal“ oder „links“ auf Afrika anwenden?

Viele Beiträge konstatieren, dass die meisten afrikanischen Parteien sich ideologisch und programmatisch kaum unterscheiden. Welchen Sinn macht dann eine Rechts-Links-Einteilung, fragt Andreas Mehler in seinem Beitrag. Und kann man zwischen Massen- oder Kaderparteien unterscheiden, wenn viele Parteien keine Mitgliederlisten und zahlreiche Anhänger Mitgliedsausweise mehrerer Parteien haben? Sind die Volkszugehörigkeit und informelle Klientelnetzwerke nicht bedeutender als die schwachen formellen Parteistrukturen?

Andererseits, so warnt Erdmann, würde die afrikanische Parteienforschung sich ins Abseits manövrieren, wenn sie spezielle, nur für Afrika anwendbare Kategorien bildete und so Vergleiche mit dem Rest der Welt behinderte. Schließlich lassen sich durchaus Parallelen finden – in der Weimarer Republik zum Beispiel für die von Andreas Mehler und Liisa Laakso beschriebene politische Gewalt. Auch was Paul Nugent über den Einfluss des Geldes bei Wahlen in Ghana schreibt, klingt nicht so fremdartig.

Der Sammelband mit Debatten über Methoden und den Forschungsstand ist sicher keine Strandlektüre. Doch für an Afrika Interessierte ist das Buch eine Fundgrube. Trotz der Klage über zu wenig empirisches Material illustrieren die Autoren ihre Hypothesen mit zahlreichen lebendigen Fallbeispielen. Nicht berücksichtigt sind Kommunalwahlen in Afrika, weil es dazu so gut wie keine Forschungen gibt. Bedauerlich ist auch, dass nur eine einzige afrikanische Universität mit einem Beitrag vertreten ist. Dennoch: Der Überblick über das vorhandene Material, den das Buch bietet, liefert genügend Mosaiksteinchen, die das Bild von afrikanischer Politik vollständiger und anschaulicher machen.

Jürgen Duenbostel

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