Abtreibung

Öffentliches Bekenntnis

El Salvador hat eins der strengsten Abtreibungsgesetze der Welt. Eine Initiative will erreichen, dass Frauen zumindest unter bestimmten Umständen abtreiben können, ohne im Gefängnis zu landen. Prominente Befürworterin der Initiative ist die Journalistin und Filmemacherin Marcela Zamora. In der Online-Zeitung El Faro hat sie über ihre eigene Abtreibung geschrieben und damit die Debatte befeuert.
Von Katja Dombrowski
Demonstration für die Freilassung von 17 Frauen, die Fehlgeburten erlitten hatten, aber wegen angeblicher Abtreibungen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden waren, und die Legalisierung von Abtreibung in El Salvador 2014. Escobar/picture alliance/dpa Demonstration für die Freilassung von 17 Frauen, die Fehlgeburten erlitten hatten, aber wegen angeblicher Abtreibungen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden waren, und die Legalisierung von Abtreibung in El Salvador 2014.

 „Yo aborté“ – „Ich habe abgetrieben“, hat Zamora ihren Artikel überschrieben. Im streng katholischen El Salvador, in dem die Tötung ungeborenen Lebens unter allen Umständen als schwere Sünde gilt und mit Gefängnis bestraft wird, ist eine solche Offenbarung ein Skandal. Eine juristische Gefahr stellt sie für Zamora nicht dar: Die Geschichte ihrer Abtreibung ist mehr als zehn Jahre her und spielte sich im Ausland ab – wo, verrät sie nicht. „Ich habe gründlich recherchiert. Ich kann sie erzählen“, schreibt Zamora.

Die bekannte, preisgekrönte Dokumentarfilmerin, die sich in ihren Arbeiten mit sozialen und Menschenrechtsthemen auseinandersetzt, geht mit dieser sehr persönlichen Geschichte an die Öffentlichkeit, um für eine Reform des Artikels 133 im salvadorianischen Strafgesetzbuch zu werben. Die Initiatorinnen wollen erreichen, dass Abtreibungen in drei Fällen straffrei werden: wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr ist, wenn die Schwangerschaft aus einer Vergewaltigung entstanden ist und wenn der Fötus so stark geschädigt ist, dass er außerhalb des Mutterleibes nicht lebensfähig wäre (s. Kasten S. 34).

Zamora trieb im Alter von 24 Jahren ab, während sie im Ausland lebte. „Ich studierte und erfreute mich bester Gesundheit“, schreibt sie in El Faro. „Ich war sexuell aktiv. Ich hatte einen festen Freund. Ich nahm die Pille, um nicht schwanger zu werden, denn zu diesem Zeitpunkt wollte ich keine Kinder haben. Ich wollte zu Ende studieren, reisen, eine Weile arbeiten und dann Mutter werden. Ich wollte das Recht haben, selbst über mein Leben, meinen Körper und meine Nachkommen zu bestimmen.“

Sie wurde trotzdem schwanger. Da sie nicht damit gerechnet hatte und ihre Menstruation auch nicht komplett ausgesetzt hatte, ging sie erst nach drei Monaten zum Arzt. Dieser stellte bei der Ultraschall-Untersuchung fest, dass der Fötus ein Blutgerinnsel am Kopf hatte. Er hielt es für wahrscheinlich, dass der Fötus sich ablösen und innere Blutungen auslösen würde, an denen die Mutter sterben könnte.

Laut dem Arzt hatte Zamora zwei Möglichkeiten: „Eine bestand darin, noch am selben Nachmittag einen Eingriff vorzunehmen und den Fötus zu entfernen; die andere war, einen Monat lang zu liegen und abzuwarten, ob das Blutgerinnsel verschwindet. Das bedeutete, Mutter zu werden, auch wenn ich es mir nicht ausgesucht hatte.“ Sie entschied sich trotzdem für den Versuch.

Nach einer Woche Bettruhe hatte der Fötus weitere Blutgerinnsel gebildet. Der Arzt empfahl Zamora, noch am selben Tag einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen. Die Entscheidung fiel ihr nicht leicht: „Ich stellte ihm viele Fragen. Ich hatte immer viele Fragen. Diejenigen, an die ich mich erinnere, drehten sich um das Risiko des chirurgischen Eingriffs, um die Frage, ob der Fötus leiden würde, um die Möglichkeit, später Kinder zu bekommen. Er nahm sich Zeit und erklärte mir, dass jeder chirurgische Eingriff, und sei er noch so klein, Risiken berge, dass ihn aber Spezialisten mit viel Erfahrung vornehmen würden; er erklärte mir, dass der Fötus vor der 20. Woche oder fünf Monaten noch keine Rezeptoren entwickelt habe, um Schmerz oder Leid zu empfinden und dass auch die Verbindungen zum zentralen Nervensystem noch nicht voll ausgebildet seien; zudem machte er mir klar, dass der Eingriff mich nicht unfruchtbar machen würde, dass ich später Kinder haben könnte, wenn ich wollte.“

Die Abtreibung wurde in einem öffentlichen Krankenhaus vorgenommen, und Zamora musste sie nicht aus eigener Tasche bezahlen. Sie war den Ärzten und Schwestern dankbar: „Sie hatten mir das Leben gerettet.“ Nach einem Monat hatte sie sich vollständig von dem Eingriff erholt.

Zamora betont, dass sie sich weder schuldig fühlte noch weinte. Sie habe sich auch nicht als schlechte Mutter gefühlt, denn sie sei noch gar nicht Mutter gewesen. Sie habe sich aber auch nicht dafür entschieden, nicht Mutter zu werden. „Ich habe mich dafür entschieden, weiterzuleben und nicht die Chance zu verlieren, in der Zukunft Mutter zu werden.“ Heute hat Zamora eine vierjährige Tochter.

Sie schätzt sich glücklich, dass sie damals die Möglichkeit hatte, die für sie gefährliche Schwangerschaft abzubrechen – anders als die meisten Frauen in El Salvador. Die Reform des Artikels 133 sei genau für solche Fälle gedacht. Zamora kritisiert, das derzeitige Gesetz in El Salvador diskriminiere arme Frauen. Denn diese hätten nicht die Mittel, um in ein Land zu fliegen, in dem Abtreibung legal ist. „Die Mittelklasse und die Oberklasse hat sehr wohl Optionen.“ Zamora selbst gehört zu den Privilegierten. Ihr Vater Rubén Zamora ist ein bekannter Politiker und vertritt El Salvador derzeit bei den UN.

Ihr Appell an ihre Landsleute ist unmissverständlich: „Die Diskussion über diese Reform kann sich nicht auf die Gesetze Gottes berufen, denn nicht alle Bürger und Bürgerinnen glauben an Gott, und die Gesetze müssen für alle Bürgerinnen gemacht werden, ungeachtet von Rasse, sozialen Verhältnissen oder Glauben. […] Ich habe abgetrieben. Und mein Fall ist weder ein Einzelfall noch unterscheidet er sich von denen der Tausenden Frauen, die sich in einer der drei Notsituationen befinden und die, in El Salvador unter dem geltenden Gesetz, keinen Ausweg haben.“

Der Artikel löste heftige Reaktionen aus. Zamora erhielt nach eigenen Angaben weit über tausend Hassmails. „Hunderte wünschten, ich wäre besser abgetrieben worden, und alle argumentierten mit Gott“, sagte sie der deutschen Tageszeitung taz. Aber es habe auch sehr viele nachdenkliche Emails gegeben, sogar von Pastoren.

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