Michael von Hauff, TU Kaiserslautern

„Sanktionen müssen die Generäle treffen“

In den Protesten gegen das Militärregime in Burma Ende September entlud sich die lang angestaute Unzufriedenheit der Bevölkerung. Wichtigste Ursache für die Demonstrationen war die katastrophale wirtschaftliche Lage, sagt der Ökonom Michael von Hauff, der eine Studie über die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des asiatischen Landes verfasst hat. Um das Regime ins Wanken zu bringen, muss der Westen präzisere Sanktionen verhängen, sagt von Hauff.

Warum ist es ausgerechnet diesen Herbst zu den starken Protesten gegen das Militärregime gekommen?
Dafür sehe ich zwei Gründe: Zum einen hat die drastische Erhöhung der Benzinpreise im August dazu geführt, dass sich angesichts der ohnehin schon prekären wirtschaftlichen Verhältnisse viele Menschen die Fahrt zum Arbeitsplatz auf einmal nicht mehr leisten konnten. Die Preiserhöhung gefährdet die Existenzgrundlage vieler Burmesen. Der zweite Grund ist natürlich die generelle Unzufriedenheit der Bevölkerung. Seit geraumer Zeit gärt es wieder in Burma, und die neuen Benzinpreise haben das Fass zum Überlaufen gebracht. Dadurch erklärt sich auch die starke Beteiligung der Mönche an den Protesten. Denn sie kommen häufig aus Familien mit niedrigen Einkommen und haben nun offenbar die Notwendigkeit gesehen, ihrer moralischen Verantwortung nachzukommen und auf die Straße zu gehen.

Welches Gewicht hat die wirtschaftliche Unzufriedenheit verglichen mit politischen Motiven für die Proteste?

Es gibt keine zuverlässigen Zahlen zur Armut in Burma. Die offizielle Armutsquote beträgt etwa 23 Prozent, aber die Asiatische Entwicklungsbank geht davon aus, dass sie deutlich über 50 Prozent liegt. Das entspricht auch eher meinen eigenen Erfahrungen. Ein Beispiel: In der Hauptstadt gibt es so genannte „Night Markets“ – Nachtmärkte –, auf denen Händler ihre Reste an Reis und anderen Nahrungsmitteln in sehr kleinen Portionen an die Ärmsten verkaufen, die die Preise auf den normalen Märkten nicht bezahlen können. Diese Nachtmärkte sind gut besucht, und das ist ein Zeichen dafür, dass die Armutsquote sehr hoch ist. Die Proteste sind insofern auch als Akt der Verzweiflung zu verstehen. Viele Menschen können einfach nicht mehr. Dazu kommt dann natürlich das Bestreben, sich nicht länger politisch knebeln zu lassen. Junge Menschen vor allem, Studenten zum Beispiel, wollen außerdem nicht mehr von der internationalen Gemeinschaft abgeschirmt werden.

Aber die Hauptursache ist die wirtschaftliche Lage?

Inzwischen ja. Es gab eine lange Diskussion unter Burma-Experten, wie lange die Bevölkerung die wirtschaftliche Abwärtsspirale noch hinnehmen wird. Als ich das letzte Mal im Land war, habe ich Textilfabriken besucht. Viele wurden in den letzten Jahren geschlossen, auch als Folge der internationalen Sanktionen gegen das Land. Tausende Menschen, vor allem Frauen, wurden arbeitslos, und viele schlagen sich jetzt als Prostituierte durch, weil sie keine andere Existenzmöglichkeit haben.

Welche wirtschaftlichen Potenziale hat das Land?

Man muss sich klarmachen, dass Burma Anfang der fünfziger Jahre wirtschaftlich deutlich besser dastand als Südkorea. Seit Beginn der sechziger Jahre wurde das Land systematisch heruntergewirtschaftet. Burma hat große Potenziale wie kaum ein anderes Land in der Region. Es hat Edelsteinvorkommen, Gas, Öl, Holz, und auch die Landwirtschaft hat im Prinzip viel Potenzial. Immerhin ist Burma einer der wichtigsten Reislieferanten in der Region.

Industrie?

Gab es. In den fünfziger Jahren hatte das Land eine recht ordentliche mittelständische Wirtschaft, die sich aber nicht weiterentwickeln konnte, nachdem Anfang der sechziger Jahre der sozialistische Weg eingeschlagen wurde und die westliche Welt später dann Sanktionen verhängte.

Wovon leben die Burmesen heute?

Auf dem Land vor allem von Subsistenzlandwirtschaft. In den Städten spielt die informelle Wirtschaft eine sehr große Rolle, weil ja zum Beispiel der Finanzsektor völlig am Boden liegt. Es gibt viele kleine Unternehmen – Transport, Handel, kleine Lokale – durch die die Menschen ihr Überleben sichern.

Sehen Sie Reformbereitschaft in der Militärregierung?

Dazu müsste der Westen viel stärker als bisher versuchen, das Regime zu treffen. Es gibt große Zweifel, dass die bisherigen Sanktionen gewirkt haben. Bislang wird zu sehr das ganze Land bestraft. Die Dis­kussion darüber, wem schadet eigentlich welche Sanktion, kommt bislang zu kurz. Im Land wird man häufig mit der Frage konfrontiert: „Wen wollt ihr eigentlich treffen mit den Sanktionen?“ Es wurde im Westen zu wenig darüber gesprochen, was mit den Sanktionen eigentlich erreicht werden soll.

Was schlagen Sie vor?

Man müsste zunächst einmal untersuchen, woher die Einnahmen des Regimes kommen. Die Generäle halten die lukrativen Wirtschaftszweige ja in ihren Händen. Sie leben zum Beispiel vom Tourismus, sie haben sogar eigene Fluglinien. Sanktionen gegen den Tourismus hätten bestimmt eine große Wirkung. Das Gleiche gilt für die Edelsteinindustrie. Wenn man diese Einnahmequellen blockiert, würde sich die wirtschaftliche Situation der Machthaber deutlich verschlechtern. Und dann könnte es passieren, dass die Generäle in der zweiten Reihe zum Nachdenken gezwungen werden, welche Zukunft sie eigentlich haben. Zudem hat das Land ja eine sehr große Armee mit circa 400 000 Soldaten. Auch die müssen unterhalten werden, und auch hier wird der Rückhalt bröckeln, wenn die Steuereinnahmen für die Gehälter nicht mehr ausreichen. In anderen Bereichen wie Gesundheit und Bildung kann das Regime ja nicht mehr sparen, weil es dafür ohnehin kaum etwas ausgibt. Wichtig wäre auch, dass man der burmesischen Bevölkerung die Sanktionsstrategie besser erklärt, damit sie versteht, dass die Maßnahmen nicht gegen sie gerichtet sind. Das ist durchaus möglich, denn es ist ja nicht so, dass jetzt nach den Protesten alle Kommunikationskanäle nach Burma gekappt wären, wie es in den Medien teilweise dargestellt wird.

Die Fragen stellte Tillmann Elliesen.

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