Wohnen

Geschäft mit illegalen Mietobjekten in Westafrika

Millionen Menschen, die in Slums wohnen, sind von Vertreibung durch Zwangsräumung bedroht. Dabei sind illegale Siedlungen für sie oft die einzige Chance, unterzukommen. Wer von diesem informellen Immobilienmarkt profitiert, das beleuchtet eine neue Studie anhand einer Siedlung in der west­afrikanischen Millionenstadt Abidjan.

In vielen Großstädten des globalen Südens ist legaler Wohnraum für arme Stadtbewohner unbezahlbar. In ihrer Not errichten sie deshalb selbst Unterkünfte auf öffentlichem Grund. So entstehen ungeplante Siedlungen in Randlagen. Mit der Zeit investieren die Bewohner*innen in die Qualität ihrer Häuser sowie in soziale Beziehungen. Sie verwandeln so ihre Siedlungen in Gemeinschaften und funktionierende Viertel, die oft über Jahrzehnte hinweg von städtischen Behörden toleriert werden. Doch die Wohnbedingungen dort bleiben prekär, weil den Bewohnern sichere Landrechte verwehrt bleiben und sie Räumungen durch die Behörden fürchten müssen (siehe hierzu D. Mitlin und D. Satterthwaite auf unserer E+Z/D+C-Plattform).

Entwicklungsprogramme zur Stadtentwicklung in Afrika und anderswo setzen häufig bei der rechtlichen Anerkennung und baulichen Aufwertung solcher Spontansiedlungen an. Eine neue ethnographische Studie lenkt nun den Blick auf wichtige, aber oft übersehene Akteure im illegalen Wohnungsbau. Und sie beleuchtet wirtschaftliche Dynamiken, die bei der Entstehung von bezahlbarem Wohnraum eine Rolle spielen können.

Die Studie untersucht die schnell wachsende Spontansiedlung Adjahui in der Küstenmetropole Abidjan, dem wirtschaftlichen Zentrum der Côte d’Ivoire. Die Siedlung im Stadtbezirk Port-Bouët entstand ab 2011 ungeplant auf einer Halbinsel der innerstädtischen Lagune. Bis Mitte 2018 zählte sie bereits 60 000 neue Bewohner*innen.

Ortsfremde Investoren übernehmen

Adjahui entstand, als Stadtbewohner*innen nach einer Räumung in der Nachbarschaft das öffentliche Land besetzten. Sie etablierten aus eigener Kraft eine städtische Infrastruktur, inklusive Markt, Schulen, Fährhafen, Moscheen und Kirchen. Zunächst integrierten sie weitere Obdachlose, die bei ihnen anklopften. Als der Zustrom nicht abriss, bauten sie erste Hofgemeinschaften (siehe Kasten), deren Zimmer sie günstig an Neuankömmlinge vermieteten. Da in der Umgebung weitere Räumungen stattfanden und die Mieten aufgrund von Stadterneuerung und Gentrifizierung stiegen, blieb die Nachfrage nach billigen Zimmern in Adjahui weiterhin sehr hoch.

Bereits nach wenigen Jahren bestimmten andere Akteure das Geschehen: ansässige Immobilienmakler und ortsfremde private Kleininvestoren wie Marktfrauen, Pensionäre oder transnational agierende Händler*innen. Sie investieren in Hofgemeinschaften zur Vermietung, die sie auf eigene Kosten von ansässigen Bauunternehmen in Modulbauweise errichten lassen. Diese Investitionen sind einerseits riskant, denn die Distriktregierung könnte Adjahui jederzeit räumen lassen. Falls aber andererseits die Nachfrage nach billigen Zimmern zur Miete anhält und die Spontansiedlung noch eine Weile toleriert wird, amortisieren sich die Investitionen schon nach wenigen Jahren. Danach fahren die Mietobjekte lukrative Gewinne ein.

Gebaut wird auf Grundstücken, für die gewohnheitsrechtliche Landrechte erworben werden. Dabei handelt es sich nicht um Grundeigentum, sondern um Nutzungsrechte, deren Dauer nicht definiert ist. Die Baukosten für einstöckige Hofgemeinschaften sind überschaubar, da weder Erschließungskosten, Genehmigungen noch Bauvorschriften zu beachten sind. Einen Wettbewerb oder Preiskampf um Grundstücke mit Wohnungsbaugesellschaften oder akkreditierten Baufirmen gibt es nicht. Teils ersetzen Investor*innen nach einigen Jahren die Holzgebäude durch Steinbauten, die höhere Gewinne versprechen. Oft hegen sie die Hoffnung, dass eine „ordentliche Siedlung“ größere Chancen auf legale Anerkennung habe und sie danach rechtmäßige Eigentümer des Grundstücks würden.

Makler spielen entscheidende Rolle

Der illegale Mietwohnungsbau in Adjahui wird ermöglicht durch nicht akkreditierte Immobilienmakler, die selbst in der Siedlung wohnen. Viele waren zunächst als Bauunternehmer tätig oder verkauften Baumaterial an die Kleininvestoren. Schrittweise übernahmen sie immer mehr Aufgaben der Wohnungsverwaltung, etwa die Auswahl der Mieter, das Aufsetzen der Verträge oder das persönliche Einsammeln der Monatsmiete. Die Makler verfügen über sehr gute Ortskenntnisse und sind in lokale Netzwerke eingebunden. Sie können den ortsfremden Investoren deshalb ein Dienstleistungspaket anbieten, das deren Engagement auf finanzielle Transaktionen beschränkt.

Die Makler übernehmen durchaus soziale Verantwortung gegenüber den Mietern. Die Mieten blieben über die Jahre günstig und orientierten sich an den ortsüblichen geringen Einkommen. Konnten diese von potentiellen Mietern nicht aufgebracht werden oder waren Mieter mit Zahlungen in Verzug, legten die Makler bei den Vermieter*innen ein gutes Wort für sie ein. Manche sprangen in Notfällen sogar mit eigenem Geld ein.

Ein Zimmer in Adjahui oder einer anderen Spontansiedlung ist oft die letzte Möglichkeit, in der Stadt ein Dach über dem Kopf zu haben. Die meisten der mehr als 300 in der Studie interviewten Haushalte zeigten sich entsprechend froh, in Adjahui untergekommen zu sein. Beschwerden über die Wohn- und Lebensqualität in der Siedlung halten sich in Grenzen, trotz Herausforderungen wie einer eingeschränkten Mobilität aufgrund der Lage oder fehlender Stromversorgung. Viele Bewohner*innen von Adjahui sind davon überzeugt, dass sich Wohnverhältnisse, Infrastruktur und Dienstleistungen in Zukunft positiv entwickeln, und hoffen, dass die Siedlung irgendwann von der Distriktregierung anerkannt wird.

Die neue Studie bestätigt, worauf bereits Untersuchungen internationaler Großstädte seit spätestens Mitte der 1990er-Jahre hingewiesen haben: Investitionen in Slums können sich durchaus lohnen. Informelle Immobilienmärkte in Spontansiedlungen, Spekulation und ihre Akteure verdienen mehr Aufmerksamkeit in Forschung und Entwicklungszusammenarbeit. Nicht weil diese Akteure aus Mitgefühl für ihre ärmeren Mitbürger handeln, sondern weil Privatleute auf diese Weise kurzfristig große Mengen an dringend benötigtem Wohnraum herstellen, den sonst niemand bauen möchte. Außerdem gilt es, sich immer wieder die unterschiedlichen Interessen von Mietern, ansässigen Eigentümern und ortsfremden Kleininvestoren bewusst zu machen und mitzudenken, welche Auswirkungen eine rechtliche Anerkennung auf diese einzelnen Interessengruppen hätte.


Literatur
Eguavoen, I., 2021: “We do the social.” Deal-making by non-accredited estate agencies, small-scale investors and tenants around low-cost rental housing in Abidjan, Côte d’Ivoire. Afrika Focus 34(2): 183-213. doi:10.1163/2031356X-34020007


Irit Eguavoen arbeitet am Geographischen Institut der Universität Bonn. Sie forscht seit 2017 in Abidjan. Ihre Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert (EG 381/1-1).
eguavoen@uni-bonn.de

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