Ökologische Nachhaltigkeit

Anleger müssen umdenken

In der Wissenschaft gibt es Stimmen, denen zufolge zuerst der Kapitalismus überwunden werden muss, bevor nachhaltige Ökonomien und Armutsbekämpfung möglich werden. Aus mehreren Gründen führen sie in die Irre.
Waldbrand in Kalifornien 2017. Santa Barbara Fire Department/picture-alliance/AP Photo Waldbrand in Kalifornien 2017.

Am wichtigsten ist, dass nur wenig Zeit für die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft bleibt. Seit Karl Marx im 19. Jahrhundert „Das Kapital“ schrieb, hat es aber kaum überzeugenden Fortschritt in Richtung Überwindung des Kapitalismus gegeben. Dagegen haben klug regulierte Märkte in reichen Ländern beachtliche Sozialleistungen ermöglicht, und selbst rohe Varianten des Kapitalismus haben in Schwellenländern die Armut gemindert. Das spektakulärste Beispiel ist das kommunistisch regierte China.

Es gilt also, Märkte so zu organisieren, dass daraus Nachhaltigkeit und Wohlstand resultieren (siehe hierzu auch Beitrag von Sabine Balk in E+Z/D+C e-Paper 2019/03, Schwerpunkt). Davon sind wir noch weit entfernt. Der Klimawandel schreitet schnell voran und die CO2-Emissionen steigen. Laut Fachleuten fehlen der internationalen Gemeinschaft bislang jährlich 2,6 Billionen Dollar für die Erreichung der UN-Entwicklungsziele für Nachhaltigkeit (Sustainable Development Goals – SDGs). Politiker warnen, staatliche Institutionen könnten das Loch nicht füllen. Der Privatsektor muss einspringen.

Manche Skeptiker finden das bizarr. Sie bezweifeln, dass Marktkräfte, die in die Krise geführt haben, nun Rettung bringen sollen. Richtig ist auch, dass der ökologische Fortschritt bislang quälend langsam verläuft. Tatsächlich agieren Märkte seit Jahrzehnten irrational. Andernfalls hätten sie die Warnungen von Munich Re schon längst beherzigt. Die weltweit tätige Rückversicherung weist seit den 1990er Jahren auf die Risiken des Klimawandels hin. Die Finanzmärkte nahmen das aber lange nicht ernst.

Mittlerweile steigen aber die Schadensvolumina schnell. Kaum ein Monat vergeht, ohne dass Extremwetterlagen für Schlagzeilen sorgen. Hurrikane in den USA und Hitzewellen in Australien wirken verheerend – und das gilt auch für Taifune in Südostasien, Fluten in Indien und Dürren in Afrika.

Die Pleite von Pacific Gas and Electric, dem großen kalifornischen Versorgungsunternehmen, hat Finanzanleger Anfang dieses Jahres geschockt. Ursache waren absehbare Schadenersatzforderungen nach verheerenden Waldbränden, denen Dürre vorausgegangen war. Unter dem Druck von Aktionärsaktivismus hat der Ölriese BP kürzlich regelmäßige Berichterstattung über Nachhaltigkeit versprochen. Derweil lassen ökologische Bedenken auch die Kurse der Aktien von Energieunternehmen wie RWE, die früher als sichere „Witwen- und Waisenpapiere“ galten, immer wieder schwanken. Jochen Wermuth von der Vermögensverwaltung Wermuth Asset Management zufolge kann die Stimmung unter Finanzanlegern schnell umschlagen. Schon in fünf Jahren könnten alle Energieinvestitionen in erneuerbare Energien fließen.

Relevant ist zudem der seit Jahren anhaltende Mangel an guten Anlageideen – ob in der Real- oder der Finanzwirtschaft. Die Fachjournalistin Gillian Tett schrieb neulich in der Financial Times, die Finanzbranche zeige wachsendes Interesse an Projekten mit SDG-Bezug.

Dennoch wäre die Erwartung, dass Märkte den Wandel allein bewerkstelligen, naiv. Nötig ist politische Führung. Dass die Demokraten im US-Kongress einen Green New Deal skizziert haben, weist in die richtige Richtung. Sie fordern umfangreiche staatliche Investitionen in Umweltschutz und gesellschaftliche Inklusion. Solange Donald Trump als Leugner des Klimawandels Präsident ist, wird daraus nichts werden. Aber seine Wiederwahl wirkt derzeit kaum wahrscheinlich, und nach ihm könnte es – mit weltweiten Implikationen – schnell gehen. Grundsätzlich ist klar, dass entschlossenes Staatshandeln auch anderswo die Zuversicht von Privatanlegern, was nachhaltige Lösungen angeht, stärkt.

Es gibt keine Garantie, dass die Menschheit Klimaemissionen schnell genug senkt. Geeignete Regeln zu beschließen und wirksam durchzusetzen ist eine riesige Herausforderung. Die Erfolgschancen sind aber offensichtlich vielfach höher, als zuvor noch eben den Kapitalismus zu überwinden.

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