Infrastruktur

Sichere Versorgung

Menschliche Gesundheit und Hygiene hängen von guter Wasserqualität ab. Der Water Safety Plan der WHO dient diesem Ziel und verdient breite Beachtung. Von Bastian Schnabel
Jamaica has made  the WHO’s Water Safety Plan part of its national regulations, protecting drinking waters as well as natural resources: Shaw waterfalls in Ocho Rios. picture-alliance/dpa Jamaica has made the WHO’s Water Safety Plan part of its national regulations, protecting drinking waters as well as natural resources: Shaw waterfalls in Ocho Rios.

Die „Guidelines for Drinking-Water Quality“ der Weltgesundheitsorganisation WHO sind der internationale Maßstab für Trinkwasserhygiene. 2004 nahm die WHO eine Neuorientierung vor und stellte den Water Safety Plan WSP im Rahmen einer Revision der Guidelines vor. Das neu zugrunde gelegte Konzept stammt aus der Lebensmittelindustrie. Es betont statt der Produkt- die Prozesskontrolle.  

Bisher werden Trinkwasserverunreinigungen oft erst festgestellt, wenn es zu spät ist: nach dem Konsum. Ein wichtiger Grund dafür ist die Inkubationszeit von Krankheitserregern im Wasser. Was heute als sicher geprüft wurde, muss übermorgen nicht mehr sicher sein. Wichtig ist zudem, dass mikrobiologische Untersuchungen im Labor mehrere Tage dauern – wenn denn überhaupt solche Labore zur Verfügung stehen.  

Der Water Safety Plan nimmt einen Paradigmenwechsel vor. Er analysiert alle potentiellen Risiken und versucht diese zu eliminieren, bevor sie die Wasserversorgung beeinträchtigen und Menschen gefährden. Analysiert werden das Einzugsgebiet, das unbehandelte Rohwasser, die Aufbereitung und die Transportwege des Wassers. Dabei ist es unerheblich, ob es um eine hochmoderne Wasserversorgung oder um ein einfaches Brunnensystem in einer ländlichen Gegend geht.

In jedem Fall führt der Water Safety Plan zu einem kontinuierlichen Prozess des Qualitätsmanagements. Es ist kein einmaliges, zeitlich begrenztes Projekt. Die wichtigsten Stufen des Water Safety Plans sind:

  •  Systembeschreibung,
  •  Gefahrenanalyse und Risikobewertung,
  •  Maßnahmen zur Risikobeherrschung,
  •  Validierung und schließlich
  •  Verifizierung der Versorgungssicherheit

Wo der Water Safety Plan angewendet wird, wird die Wasserversorgung besser, und das dient der Gesundheit der Bevölkerung. Risiken durch Krankheitserreger wie E.coli und Cholera werden minimiert. Das gilt ebenso für chemische Verunreinigungen. Zudem werden die Quantität und Qualität des Rohwassers geschützt. Die WHO-Methodik hilft auch, Verluste bei der Versorgung zu minieren. Die Qualität technischer Anlagen wird ebenso gefördert wie Management und Organisation von Versorgungssystemen. Ein weiterer positiver Effekt ist die intensivere Kommunikation zwischen den Verantwortlichen und den Nutzern eines Versorgungssystems.

Den Anteil der Menschen ohne Zugang zu hygienisch einwandfreiem Trinkwasser zu halbieren war eines der Millenniums-Entwicklungsziele MDGs für die Jahre 1990 bis 2015. Die UN meldeten im März 2012, das sei bereits erreicht. Allerdings bleibt eine Milliarde Menschen weiterhin unversorgt. Der Water Safety Plan kann erheblich dazu beitragen, dass auch sie erreicht werden. Das MDG-Ziel, dass bis 2015 mindestens 75 Prozent der Menschheit einwandfreie Sanitärversorgung haben sollen, wird aber wohl verfehlt werden. Der Water Safety Plan kann auch hier helfen – denn Defizite bei der Sanitärversorgung sind ein typischer Risikofaktor der Trinkwasserversorgung, der angesichts der wachsenden Bevölkerung auch zunehmen wird, bei stringenter Anwendung der Methodik aber auch erkannt wird.

Eine nachhaltig arbeitende Wasserversorgung, die technische und hygienische Standards erfüllt, wirkt auf potentielle Investoren attraktiv und wird von Geberin­stitutionen angestrebt. Die regelmäßigen Revisionen, die der Water Safety Plan vorschreibt, dienen der Nachhaltigkeit. In jedem Fall erhöht seine Anwendung die Chancen, bei Projekt- und Förderanträgen Gelder zu akquirieren.


Positive Erfahrungen

Acht Jahre nach der Einführung des Water Safety Plans liegen erste Erfahrungsberichte und praktische Analysen vor. Sie zeigen, dass die Anwendung des Konzepts sinnvoll ist. Viele Regierungen haben sich intensiv mit der Methodik auseinandergesetzt oder implementieren sie bereits auf nationaler Ebene. Erwähnenswerte Beispiele sind Uganda, Südafrika und Jamaika. Erste ­Erfahrungen mit dem Water Safety Plan haben auch Bangladesch, Peru und andere Entwicklungsländer gesammelt. Auch reiche Nationen wie Deutschland, die Schweiz oder Schweden nutzen das Konzept. In Deutschland ist in diesem Kontext das  Umweltbundesamt besonders engagiert.  

Im außereuropäischen Raum wird der Water Safety Plan vor allem von der  WHO, der International Water Association IWA und den US Centres for Disease Control and Prevention CDC propagiert. Nachdem die CDC in Jamaika ein Pilotprojekt erfolgreich durchgeführt hatten, beschloss die dortige Regierung, das Konzept in die National Drinking Water Regulations aufzunehmen. Ähnliche Erfolge gab es auch in Brasilien, Australien und anderen Ländern.

Leider findet der Water Safety Plan noch nicht überall Beachtung. Viele Regierungsinstitutionen, besonders in weniger entwickelten Ländern, sind nicht ausreichend informiert. Schulungs- und Informationsmaterial wird in wenigen, überwiegend westlichen Sprachen publiziert. Schwer fällt die Umsetzung des Konzepts vor allem kleinen und ländlichen Versorgungssystemen, wenn sie keine qualifizierte Hilfe bekommen. Das gilt nicht nur für Least Developed Countries. Große Herausforderungen sind auch in anderen Staaten knappe Budgets, der Mangel an Fachpersonal und die Schwierigkeit, Ersatzteile zu bekommen.
 
Leider hapert es vielfach auch an der Motivation. Oft heißt es: „Das Wasser haben wir schon immer getrunken und es hat uns nie geschadet.“ Oder: „Wir sind froh, überhaupt Wasser zu  haben.“ Solche Argumente sind fehlgeleitet. Wasser wird weltweit knapper, und wasserbasierte Krankheiten sind weiterhin weit verbreitet.


Ländliche Herausforderungen

Der Water Safety Plan ist für abgelegene ländliche Gebiete besonders wichtig, denn dort ist die Wasserversorgung bisher oft besonders schlecht. Die WHO hat in Kooperation mit dem Secretariat of the Pacific Community SOPAC erfolgreich die Implementierung eines  Simple Water Safety Plans getestet. Das deutsche Umweltbundesamt arbeitet zurzeit an einem Handbuch für kleine Versorgungssysteme, das die Anwendung des Water Safety Plans erleichtern wird. In Australien entwickelt der National Health and Medical Research Council NHMRC ein Computerprogramm für die Umsetzung in ländlichen Regionen. Da die Kommunikationstechnik in vielen Entwicklungsländern große Fortschritte macht, sind solche Verfahren zunehmend auch für sie relevant.
 
Wichtig ist der Transfer von Know-how aus den Ländern, die schon Erfahrungen mit dem Water Safety Plan gemacht haben. Tragende Rollen können dabei zivilgesellschaftliche Organisationen, staatliche Agencies, inernationale Institutionen und Hochschulen spielen. Jedenfalls sollte Geld nicht nur für die Erschließung von Wasservorkommen und den Aufbau von Versorgungssystemen bereitgestellt werden, sondern auch für deren hygienische Nutzung und Wartung.

Es müssen mehr Anreize zur Umsetzung des Water Safety Plans geschaffen werden. Zivilgesellschaftliche Organisationen und staatliche Entwicklungsinstitutionen sollten sich darum kümmern, denn Wissenstransfer aus reichen Ländern und finanzielle Förderung würde viel bewirken.