Kultur-Special

Amerikanisches Glück und Leid

Zwei Familien in New York zur Zeit der Bankenkrise – die eine weiß, privilegiert und reich, die andere schwarz und ohne gesicherten Aufenthaltsstatus. Ihr Schicksal behandelt der Roman „Das geträumte Land“ der Autorin Imbolo Mbue. Beide Familien zerbrechen am Klischee des amerikanischen Traums. Dieser Beitrag ist der dritte unseres diesjährigen Kultur-Spezialprogramms mit Rezensionen künstlerischer Werke mit entwicklungspolitischer Relevanz.
Ein Frau aus Kamerun mit Kind versucht über die mexikanische Grenze in die USA zu gelangen. picture alliance / REUTERS | JOSE TORRES Ein Frau aus Kamerun mit Kind versucht über die mexikanische Grenze in die USA zu gelangen.

Jende Jonga ist als Asylbewerber aus Kamerun in die USA gekommen und hofft auf eine Aufenthaltsgenehmigung. Während die amerikanischen Behörden seinen Asylantrag prüfen, kann er seine Frau und seinen Sohn aus Kamerun nachholen. Ein besonderer Glückfall für ihn ist, dass ihm sein Cousin einen gutbezahlten Job als Chauffeur bei einem wohlhabenden Banker von Lehman Brothers vermitteln kann. Jende scheint im Land seiner Träume angekommen zu sein.

Während sein Arbeitgeber Clark Edwards und dessen Familie den Traum des erfolgreichen Amerikas wiederspielen, lebt Jende mit seiner Familie das typische Los einer Einwandererfamilie: kleine schäbige Wohnung im New Yorker Schwarzenviertel Harlem und tagtäglich Arbeit bis spät in die Nacht. Aber Jende und seine Frau Neni glauben fest an den amerikanischen Traum, dass man mit harter Arbeit alles erreichen kann. Und Neni hat große Pläne in Amerika. Sie will Apothekerin werden. Jede freie Minute, in der sie nicht arbeiten oder für den Haushalt sorgen muss, lernt sie für das College, mit dessen Abschluss sie auf einen Studienplatz in Pharmazie hofft. Auch nachts gönnt sie sich kaum Schlaf.

Mit Bewunderung staunen die Jongas über den Reichtum der Edwards und deren Leben, das so anders als ihr eigenes ist. Die Edwards wohnen in einer großen Villa mit Personal und die Frau Cindy kann sich alles kaufen, wovon sie träumt. Auch Neni kann dort zeitweise als Haushälterin arbeiten. Mit der Zeit erkennen die Jongas, dass bei ihren reichen Arbeitgebern nicht alles so perfekt ist, wie es scheint. Clark Edwards arbeitet rund um die Uhr und vergnügt sich stundenweise in Hotels mit Prostituierten, Cindy ist depressiv und neigt zu Alkohol- und Drogenmissbrauch.

Dann kommt der Absturz. Als Lehmann Brothers Pleite geht und eine weltweite Bankenkrise auslöst, findet der amerikanische Traum für beide Familien ein jähes Ende. Clark verliert seinen Job und entlässt Jende, der nun mit mies bezahlten Aushilfsjobs seine Familie kaum mehr durchbringen kann. Als die Behörden auch noch Jendes Asylantrag ablehnen und die Abschiebung bevorsteht, bricht er körperlich und psychisch zusammen. In ihm reift der Entschluss nach Kamerun zurückzugehen.

Neni ist absolut dagegen und ihre Ehe zerbricht beinah daran. Nach einem quälenden Prozess gibt Neni letztendlich nach wie es sich ihrer Meinung nach für eine gute kamerunische Ehefrau gehört. Das Buch endet nicht mit einem hoffnungslosen, destruktiven Ende – im Gegenteil. Beide Familien können aus der Krise Hoffnung schöpfen. Clark Edwards erkennt, wie wertvoll die Zeit mit der Familie ist und Jende und Neni hoffen auf ein angenehmes Leben in Kamerun. Mit den tausenden gesparten Dollar sind sie wohlhabende Leute in Kamerun, können auf ein stattliches Haus und eine gute Schule für ihre Kinder hoffen.

Die 1982 in Kamerun geborene Autorin hat mit ihrem Debütroman, für den sie 2017 den renommierten PEN/Faulkner Award erhielt, vieles aus ihrer eigenen Biografie einfließen lassen. Sie selbst kam mit 17 Jahren aus Kamerun in die USA, wo Verwandte ihre Ausbildung finanzierten. Sie machte an der Columbia University in New York ihren Abschluss und arbeitete anschließend in der Marktforschung eines Medienunternehmens. Infolge der amerikanischen Finanzkrise verlor Mbue ihre Arbeitsstelle und war eineinhalb Jahre lang arbeitslos. Nach eigenen Angaben war sie desillusioniert über das Leben in den USA und den amerikanischen Traum, der nicht für alle erreichbar sei. Sie spielte mit dem Gedanken, nach Kamerun zurückzukehren.

Im Gegensatz zu ihren Romanhelden hat Mbue es aber doch in den USA geschafft. Seit 2014 besitzt sie die amerikanische Staatsbürgerschaft und ihr 2016 erschienener Roman war ein Überraschungserfolg.


Buch
Mbue, I., 2017: Das geträumte Land. Kiepenheuer & Witsch, Köln.
(2016: Behold the Dreamers. Random House, New York. )


Sabine Balk ist Redakteurin bei E+Z/D+C.
euz.editor@dandc.eu

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